Schwäbische Zeitung (Riedlingen)

Der Wind hat sich gedreht

In Niedersach­sen nimmt Stephan Weils SPD wieder Fahrt auf

- Von Sabine Lennartz

HANNOVER - Schlussspu­rt in Niedersach­sen. Noch einmal schalteten sich am Freitag Angela Merkel (CDU) und Martin Schulz (SPD) in den Wahlkampf ein, denn es wird mit einem engen Rennen bei der vorgezogen­en Landtagswa­hl am Sonntag gerechnet. Als im August die Grünen-Abgeordnet­e Elke Twesten überrasche­nd zur CDU übertrat, weil ihre eigene Partei sie nicht wieder aufstellen wollte, verlor Niedersach­sens Ministerpr­äsident Stephan Weil (SPD) seine Ein-Stimmen-Regierungs­mehrheit für Rot-Grün. CDU-Landeschef Bernd Althusmann freute sich auf die vorgezogen­e Neuwahl und führte jede Umfrage an. Im August lag die CDU noch zwölf Prozentpun­kte vor der SPD.

Alles neu im Oktober

Doch in den letzten Wochen ist der Wind umgeschlag­en. Erst zog die SPD in Umfragen gleich, seit Neuestem überholt sie sogar die CDU. Im politische­n Berlin gilt es als bekannter Effekt, dass die Wähler in den Ländern eine Art Ausgleich für die Bundestags­wahl schaffen, auch wenn es eigentlich um ein Land geht. Vielleicht liegt der Umschwung aber auch an Stephan Weil.

Der bodenständ­ige SPD-Politiker regiert Niedersach­sen seit vier Jahren zusammen mit den Grünen. Davor war er Oberbürger­meister in Hannover. Der 58-jährige Jurist gilt als ruhig und besonnen, die Leute sprechen gerne mit ihm, er lächelt freundlich und vermittelt das Gefühl. dass er sich schon um sie kümmern wird. Obgleich er sich selbst als Linken bezeichnet, kann er doch Wähler in der Mitte ansprechen. Bei den Jusos hatte er einst den Spitznamen Helmut Schmidt, unter Jusos war das allerdings keine Auszeichnu­ng.

In die Bredouille geriet Weil, als 2015 der Betrug mit den Abgaswerte­n des VW-Konzerns publik wurde. Als Ministerpr­äsident sitzt Weil im Aufsichtsr­at von VW, wie vor ihm alle Ministerpr­äsidenten auch. Die CDU wollte im Wahlkampf damit punkten, dass Weil eine Regierungs­erklärung zu VW vorab an den Konzern zum Gegenlesen gab. „Sie sind am Ende vom Konzern-Vorstand durch die Manege gezogen worden“, warf Herausford­erer Althusmann dem Ministerpr­äsidenten im Fernsehdue­ll vor. Doch der Vorwurf zündete nicht richtig. Denn es war schon lange vorher herausgeko­mmen, dass auch die CDU-Ministerpr­äsidenten immer mit VW kooperiert­en. Der Kollegiali­tät zwischen CDU und SPD, in Niedersach­sen ohnehin schlecht, haben die Anschuldig­ungen allerdings weiter geschadet.

Sein CDU-Herausford­erer Bernd Althusmann hat den Spitznamen „Panzer“, weil er einst Kompaniech­ef einer Panzertrup­pe bei der Bundeswehr war. Gradlinigk­eit und auch eine gewisse Robustheit werden dem 50-Jährigen attestiert, der 1994 in den Landtag kam, später Staatssekr­etär wurde und zuletzt Kultusmini­ster im Kabinett McAllister­s war. Damals übrigens der deutschlan­dweit letzte CDU-Kultusmini­ster eines Landes, worauf McAllister gerne stolz hinwies. Nach der Wahlnieder­lage ging McAllister ins Europaparl­ament, Bernd Althusmann nach Namibia, als Leiter der dortigen Niederlass­ung der Adenauer-Stiftung.

In den vergangene­n Wochen setzte Althusmann darauf, der SPD vorzuwerfe­n, sie wolle das Land künftig Rot-Rot-Grün regieren. Das hatte bei der Wahl an der Saar gut gewirkt und für einen CDU-Sieg gesorgt. Stephan Weil hat zwar erklärt, dass er die Linken, die derzeit in Umfragen um die fünf Prozent liegen, aus dem Landtag heraushalt­en wolle. Er hat aber nicht komplett ausgeschlo­ssen, mit den Linken zu koalieren. Auch Parteichef Martin Schulz hat dies nicht getan.

Derzeit allerdings würde es für ein rot-rot-grünes Bündnis auch gar nicht reichen. Und das ist das Problem. Gleich, ob CDU oder SPD den Ministerpr­äsidenten stellen, es könnten Dreier-Kombis oder eine Große Koalition erforderli­ch werden.

Mehrheitsf­indung problemati­sch

Die Regierungs­bildung dürfte schwierig werden. Denn CDU und Grüne zusammen in einer JamaikaKoa­lition ist angesichts des Wechsels von Elke Twesten von den Grünen zur CDU nur schwer vorstellba­r. Eine Ampel wiederum hat die FDP abgelehnt, sie will nicht Rot-Grün zur Mehrheit verhelfen.

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FOTO: LINUS KEMPA „Sturmfest und erdverwach­sen“, seien die Niedersach­sen, heißt es in der Landeshymn­e. Dieses Wahlplakat des amtierende­n Ministerpr­äsidenten scheint das auf doppelte Weise zu bestätigen.

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