Schwäbische Zeitung (Riedlingen)
Der Brand im Shredderwerk hat giftige Folgen
Nach dem Großbrand in dem Herbertinger Recycling-Unternehmen vor zehn Jahren sind Boden und Wasser mit Chemikalien belastet
HERBERTINGEN - Großer Brand, weitreichende Folgen: Als der Schrottberg im Shredderwerk Herbertingen im Sommer 2007 in Flammen aufgegangen ist, konnte niemand ahnen, dass die Nachwirkungen in der Region über Jahrzehnte spürbar sein werden. Doch genau das deutet sich jetzt an.
Bei den Löscharbeiten gerieten Schadstoffe in den Boden und das Grundwasser. Deshalb sollen auf dem Gelände des Shredderwerks Herbertingen der Boden und das Grundwasser saniert werden. Dort haben sich sogenannte Perfluorierte Chemikalien (PFC) angereichert. Sie sollen über ein Verfahren mit dem englischen Namen „Pump and Treat“(auf deutsch etwa „pumpen und behandeln“) entfernt werden. Das hat eine Bewertungskommission für Bodenschutz und Altlasten entschieden. Das Shredderwerk hat vom Landratsamt Sigmaringen die Anordnung erhalten, eine Sanierungsplanung in Auftrag zu geben. Bis Ende des Monats hat das Unternehmen Zeit, um einen Gutachter zu beauftragen, der die Sanierung dann nach dem Bundesbodenschutzgesetz plant.
Ertinger Brunnen wird stillgelegt
Auslöser dafür sind erhöhte PFCWerte, die im Jahr 2012 in einem Brunnen der Gemeinde Ertingen gemessen wurden. Weil die Chemikalien im Verdacht stehen, krebserregend zu sein, wurde der Brunnen daraufhin stillgelegt. Auf der Suche nach ihrer Herkunft machten Gutachter vom Ertinger Brunnen ausgehend umfangreiche Untersuchungen. „Dabei ist man beim Shredderwerk gelandet“, sagt Bernhard Obert, Dezernent für Umwelt und Bauen am Landratsamt Sigmaringen. Dass die Chemikalien aus dem Bereich des Unternehmens stammen, sei wegen des Großbrandes im Jahr 2007 naheliegend. „Damals wurden PFChaltige Schäume zur Brandbekämpfung eingesetzt“, sagt er.
Die Gutachter, die sich mit der Ausbreitung der Schadstoffe befasst haben, gehen davon aus, dass die Chemikalien während des Brandes in den Boden und das Grundwasser gerieten. Zwar ist das Betriebsgelände des Shredderwerks, das unter anderem auf das Recycling von Metallen spezialisiert ist, versiegelt. Doch durch die Hitze des Feuers entstanden Risse. Laut Obert habe man später außerdem noch festgestellt, dass die Kanäle in diesem Bereich schadhaft waren. Das Löschwasser wurde zwar auf dem Betriebsgelände gesammelt, doch mittlerweile ist bekannt, dass es auf verschiedenen Wegen in den Boden gelangte.
Boden ist wie ein Schwamm
Der Boden unter dem Shredderwerk sei vergleichbar mit einem Schwamm, der sich mit den Chemikalien vollgesogen habe, sagt Adrian Schiefer, Fachbereichsleiter Umwelt und Arbeitsschutz am Landratsamt Sigmaringen. Das Grundwasser, das unter dem Betriebsgelände hindurchströmt, spüle die Chemikalien aus. „So gelangen die PFC in das Grundwasser“, sagt Schiefer. Weil das Grundwasser an Ertingen vorbei unter der Donau weiterfließt, erreichen die Schadstoffe irgendwann den Brunnen. Laut Schiefer spricht für diese Theorie, dass die PFC-Werte immer dann erhöht sind, wenn der Grundwasserpegel hoch ist. Deshalb gehe man davon aus, dass das Grundwasser erst dann die oberen Bodenschichten erreiche, in denen sich der Löschschaum abgelagert hat.
Über zahlreiche Messstellen konnten die Gutachter die sogenannte Schadstofffahne genauer eingrenzen. Das ist der Bereich, in dem die Chemikalien sich inzwischen ausgebreitet haben. Die Gutachter haben, beginnend beim Shredderwerk in Herbertingen, entlang der Donau bei Binzwangen und Ertingen bis nach Altheim verschiedene Messstellen eingerichtet. Über die gemessenen Werte konnten sie feststellen, wie stark die Verschmutzung ist. Demzufolge beginnt die Schadstofffahne beim Shredderwerk. Über die Jahre wurden die Chemikalien bis etwa auf die Höhe von Waldhausen geschwemmt. Zwischen dem Altheimer Teilort und der Donau endet die Schadstofffahne.
Kommission empfiehlt Sanierung
Nachdem das Ausmaß des Schadens nun bekannt ist, soll er baldmöglichst behoben werden. Eine Bewertungskommission für Bodenschutz und Altlasten legt fest, wie die Sanierung des Bodens und des Grundwassers erfolgen soll. Sie empfiehlt ein Pump-and-Treat-Verfahren auf dem Gelände des Shredderwerks. Im Rahmen des Verfahrens sollen dort Brunnen gebohrt werden. Das Grundwasser soll herausgepumpt und mit Aktivkohlefiltern gereinigt werden. „Danach soll es dem Grundwasser wieder zugeführt werden, indem es in den Boden eingespült wird“, erläutert Adrian Schiefer.
Ziel des Verfahrens sei es, die Chemikalien in einer Art Kreislauf herauszufiltern. Durch diese Behandlung könnte die Schadstofffahne unterbrochen werden. Die Schadstoffe, die bereits mit dem Grundwasser vom Gelände des Shredderwerks fortgespült wurden, würden über die
Jahre immer weiter verdünnt werden. Irgendwann dürften sie überhaupt nicht mehr messbar sein. Die Gefahr wäre dann gebannt und der Brunnen in Ertingen könnte wieder in Betrieb genommen werden.
Die Kosten für die Einrichtung des Pump-and-Treat-Verfahrens sollen ersten, groben Kostenschätzungen zufolge 1,1 bis 1,2 Millionen Euro betragen. Die jährlichen Betriebskosten für die Anlagen sollen sich auf 220 000 bis 250 000 Euro belaufen. Laut Bernhard Obert und Adrian Schiefer geht man momentan davon aus, dass das Verfahren zehn bis 20 Jahre angewendet werden muss. Eine Alternative dazu wäre, das betroffene Gelände mit Spundwänden einzukapseln. Das würde bedeuten, dass die Schadstoffe dauerhaft im Boden bleiben, aber nicht mehr vom Grundwasser aufgenommen werden können. Diese Variante würde rund sechs Millionen Euro kosten, die Betriebskosten würden bei 37 000 Euro im Jahr liegen.
Firma fürchtet um Existenz
Dem Shredderwerk bleibt nicht viel anderes übrig, als der Anordnung der Behörden Folge zu leisten. Andernfalls könnte das Landratsamt einen Gutachter beauftragen und die Kosten dem Unternehmen in Rechnung stellen. Das Shredderwerk befürchtet, dass es nicht nur die Gutachten bezahlen soll, sondern die gesamte Sanierung. Weil der Betrag aber in die Millionen gehen wird, sieht sich das Shredderwerk in seiner Existenz gefährdet. Genaue Kosten sind derzeit noch nicht absehbar. „Wir befürchten ein Fass ohne Boden“, sagt Prokurist Wolfgang Bausch. „Deswegen haben wir Widerspruch gegen die Anordnung eingelegt.“Die Firma wird wohl trotzdem einen Gutachter mit der Sanierungsplanung beauftragen – aber eben unter Protest. Dass es noch zu einer gütlichen Einigung zwischen dem Shredderwerk und den Behörden kommen wird, glaubt Bausch nicht. „Momentan sehen wir nur wenige Chancen“, sagt er. Er geht davon aus, dass der Fall vor Gericht geklärt werden wird. Trotzdem ist es ihm wichtig zu betonen, dass sich das Unternehmen nicht grundsätzlich gegen die Sanierung sperrt. „Wir sind ein Teil der Gemeinde und der Region und verstehen ihre Nöte“, sagt er.
Peter Speth, der im Unternehmen für umweltrelevante Fragen zuständig ist, ist sich sicher, dass es bei den Löscharbeiten 2007 zu einer Verkettung vieler Fehler kam. Zum einen sei den Verantwortlichen bei den Behörden und den Feuerwehren – und dahinter steht letztendlich das Land Baden-Württemberg – schon damals bekannt gewesen, dass der Löschschaum giftig ist, denn die Herstellung wurde bereits ein Jahr zuvor verboten. Der Geschäftsleitung des Shredderwerks sei hingegen nicht klar gewesen, dass von den Schäumen eine Gefahr ausgeht. „Wir waren vollkommen überrascht, als wir davon erfahren haben, dass der Brunnen in Ertingen deswegen stillgelegt wurde“, sagt Speth. Für das Unternehmen sei der Brand zu diesem Zeitpunkt bereits abgeschlossen gewesen.
Die Nachwirkungen des Brands haben auch juristische Folgen. Die Gemeinde Ertingen hat wegen dem Ausfall ihres Brunnens gegen das Shredderwerk eine Schadensersatz-Forderung in Höhe von 3,4 Millionen Euro erhoben. Darüber wird die SZ in den kommenden Tagen noch gesondert berichten.