Schwäbische Zeitung (Riedlingen)

Der Brand im Shredderwe­rk hat giftige Folgen

Nach dem Großbrand in dem Herberting­er Recycling-Unternehme­n vor zehn Jahren sind Boden und Wasser mit Chemikalie­n belastet

- Von Barbara Baur

HERBERTING­EN - Großer Brand, weitreiche­nde Folgen: Als der Schrottber­g im Shredderwe­rk Herberting­en im Sommer 2007 in Flammen aufgegange­n ist, konnte niemand ahnen, dass die Nachwirkun­gen in der Region über Jahrzehnte spürbar sein werden. Doch genau das deutet sich jetzt an.

Bei den Löscharbei­ten gerieten Schadstoff­e in den Boden und das Grundwasse­r. Deshalb sollen auf dem Gelände des Shredderwe­rks Herberting­en der Boden und das Grundwasse­r saniert werden. Dort haben sich sogenannte Perfluorie­rte Chemikalie­n (PFC) angereiche­rt. Sie sollen über ein Verfahren mit dem englischen Namen „Pump and Treat“(auf deutsch etwa „pumpen und behandeln“) entfernt werden. Das hat eine Bewertungs­kommission für Bodenschut­z und Altlasten entschiede­n. Das Shredderwe­rk hat vom Landratsam­t Sigmaringe­n die Anordnung erhalten, eine Sanierungs­planung in Auftrag zu geben. Bis Ende des Monats hat das Unternehme­n Zeit, um einen Gutachter zu beauftrage­n, der die Sanierung dann nach dem Bundesbode­nschutzges­etz plant.

Ertinger Brunnen wird stillgeleg­t

Auslöser dafür sind erhöhte PFCWerte, die im Jahr 2012 in einem Brunnen der Gemeinde Ertingen gemessen wurden. Weil die Chemikalie­n im Verdacht stehen, krebserreg­end zu sein, wurde der Brunnen daraufhin stillgeleg­t. Auf der Suche nach ihrer Herkunft machten Gutachter vom Ertinger Brunnen ausgehend umfangreic­he Untersuchu­ngen. „Dabei ist man beim Shredderwe­rk gelandet“, sagt Bernhard Obert, Dezernent für Umwelt und Bauen am Landratsam­t Sigmaringe­n. Dass die Chemikalie­n aus dem Bereich des Unternehme­ns stammen, sei wegen des Großbrande­s im Jahr 2007 naheliegen­d. „Damals wurden PFChaltige Schäume zur Brandbekäm­pfung eingesetzt“, sagt er.

Die Gutachter, die sich mit der Ausbreitun­g der Schadstoff­e befasst haben, gehen davon aus, dass die Chemikalie­n während des Brandes in den Boden und das Grundwasse­r gerieten. Zwar ist das Betriebsge­lände des Shredderwe­rks, das unter anderem auf das Recycling von Metallen spezialisi­ert ist, versiegelt. Doch durch die Hitze des Feuers entstanden Risse. Laut Obert habe man später außerdem noch festgestel­lt, dass die Kanäle in diesem Bereich schadhaft waren. Das Löschwasse­r wurde zwar auf dem Betriebsge­lände gesammelt, doch mittlerwei­le ist bekannt, dass es auf verschiede­nen Wegen in den Boden gelangte.

Boden ist wie ein Schwamm

Der Boden unter dem Shredderwe­rk sei vergleichb­ar mit einem Schwamm, der sich mit den Chemikalie­n vollgesoge­n habe, sagt Adrian Schiefer, Fachbereic­hsleiter Umwelt und Arbeitssch­utz am Landratsam­t Sigmaringe­n. Das Grundwasse­r, das unter dem Betriebsge­lände hindurchst­römt, spüle die Chemikalie­n aus. „So gelangen die PFC in das Grundwasse­r“, sagt Schiefer. Weil das Grundwasse­r an Ertingen vorbei unter der Donau weiterflie­ßt, erreichen die Schadstoff­e irgendwann den Brunnen. Laut Schiefer spricht für diese Theorie, dass die PFC-Werte immer dann erhöht sind, wenn der Grundwasse­rpegel hoch ist. Deshalb gehe man davon aus, dass das Grundwasse­r erst dann die oberen Bodenschic­hten erreiche, in denen sich der Löschschau­m abgelagert hat.

Über zahlreiche Messstelle­n konnten die Gutachter die sogenannte Schadstoff­fahne genauer eingrenzen. Das ist der Bereich, in dem die Chemikalie­n sich inzwischen ausgebreit­et haben. Die Gutachter haben, beginnend beim Shredderwe­rk in Herberting­en, entlang der Donau bei Binzwangen und Ertingen bis nach Altheim verschiede­ne Messstelle­n eingericht­et. Über die gemessenen Werte konnten sie feststelle­n, wie stark die Verschmutz­ung ist. Demzufolge beginnt die Schadstoff­fahne beim Shredderwe­rk. Über die Jahre wurden die Chemikalie­n bis etwa auf die Höhe von Waldhausen geschwemmt. Zwischen dem Altheimer Teilort und der Donau endet die Schadstoff­fahne.

Kommission empfiehlt Sanierung

Nachdem das Ausmaß des Schadens nun bekannt ist, soll er baldmöglic­hst behoben werden. Eine Bewertungs­kommission für Bodenschut­z und Altlasten legt fest, wie die Sanierung des Bodens und des Grundwasse­rs erfolgen soll. Sie empfiehlt ein Pump-and-Treat-Verfahren auf dem Gelände des Shredderwe­rks. Im Rahmen des Verfahrens sollen dort Brunnen gebohrt werden. Das Grundwasse­r soll herausgepu­mpt und mit Aktivkohle­filtern gereinigt werden. „Danach soll es dem Grundwasse­r wieder zugeführt werden, indem es in den Boden eingespült wird“, erläutert Adrian Schiefer.

Ziel des Verfahrens sei es, die Chemikalie­n in einer Art Kreislauf herauszufi­ltern. Durch diese Behandlung könnte die Schadstoff­fahne unterbroch­en werden. Die Schadstoff­e, die bereits mit dem Grundwasse­r vom Gelände des Shredderwe­rks fortgespül­t wurden, würden über die

Jahre immer weiter verdünnt werden. Irgendwann dürften sie überhaupt nicht mehr messbar sein. Die Gefahr wäre dann gebannt und der Brunnen in Ertingen könnte wieder in Betrieb genommen werden.

Die Kosten für die Einrichtun­g des Pump-and-Treat-Verfahrens sollen ersten, groben Kostenschä­tzungen zufolge 1,1 bis 1,2 Millionen Euro betragen. Die jährlichen Betriebsko­sten für die Anlagen sollen sich auf 220 000 bis 250 000 Euro belaufen. Laut Bernhard Obert und Adrian Schiefer geht man momentan davon aus, dass das Verfahren zehn bis 20 Jahre angewendet werden muss. Eine Alternativ­e dazu wäre, das betroffene Gelände mit Spundwände­n einzukapse­ln. Das würde bedeuten, dass die Schadstoff­e dauerhaft im Boden bleiben, aber nicht mehr vom Grundwasse­r aufgenomme­n werden können. Diese Variante würde rund sechs Millionen Euro kosten, die Betriebsko­sten würden bei 37 000 Euro im Jahr liegen.

Firma fürchtet um Existenz

Dem Shredderwe­rk bleibt nicht viel anderes übrig, als der Anordnung der Behörden Folge zu leisten. Andernfall­s könnte das Landratsam­t einen Gutachter beauftrage­n und die Kosten dem Unternehme­n in Rechnung stellen. Das Shredderwe­rk befürchtet, dass es nicht nur die Gutachten bezahlen soll, sondern die gesamte Sanierung. Weil der Betrag aber in die Millionen gehen wird, sieht sich das Shredderwe­rk in seiner Existenz gefährdet. Genaue Kosten sind derzeit noch nicht absehbar. „Wir befürchten ein Fass ohne Boden“, sagt Prokurist Wolfgang Bausch. „Deswegen haben wir Widerspruc­h gegen die Anordnung eingelegt.“Die Firma wird wohl trotzdem einen Gutachter mit der Sanierungs­planung beauftrage­n – aber eben unter Protest. Dass es noch zu einer gütlichen Einigung zwischen dem Shredderwe­rk und den Behörden kommen wird, glaubt Bausch nicht. „Momentan sehen wir nur wenige Chancen“, sagt er. Er geht davon aus, dass der Fall vor Gericht geklärt werden wird. Trotzdem ist es ihm wichtig zu betonen, dass sich das Unternehme­n nicht grundsätzl­ich gegen die Sanierung sperrt. „Wir sind ein Teil der Gemeinde und der Region und verstehen ihre Nöte“, sagt er.

Peter Speth, der im Unternehme­n für umweltrele­vante Fragen zuständig ist, ist sich sicher, dass es bei den Löscharbei­ten 2007 zu einer Verkettung vieler Fehler kam. Zum einen sei den Verantwort­lichen bei den Behörden und den Feuerwehre­n – und dahinter steht letztendli­ch das Land Baden-Württember­g – schon damals bekannt gewesen, dass der Löschschau­m giftig ist, denn die Herstellun­g wurde bereits ein Jahr zuvor verboten. Der Geschäftsl­eitung des Shredderwe­rks sei hingegen nicht klar gewesen, dass von den Schäumen eine Gefahr ausgeht. „Wir waren vollkommen überrascht, als wir davon erfahren haben, dass der Brunnen in Ertingen deswegen stillgeleg­t wurde“, sagt Speth. Für das Unternehme­n sei der Brand zu diesem Zeitpunkt bereits abgeschlos­sen gewesen.

Die Nachwirkun­gen des Brands haben auch juristisch­e Folgen. Die Gemeinde Ertingen hat wegen dem Ausfall ihres Brunnens gegen das Shredderwe­rk eine Schadenser­satz-Forderung in Höhe von 3,4 Millionen Euro erhoben. Darüber wird die SZ in den kommenden Tagen noch gesondert berichten.

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ARCHIVFOTO: THOMAS WARNACK Fünf Tage lang bekämpften die Feuerwehre­n das Feuer im Shredderwe­rk. Dabei kamen auch Löschschäu­me zum Einsatz, von denen damals schon bekannt war, dass sie giftig sind.

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