Schwäbische Zeitung (Riedlingen)

Audi mischt die Luxusklass­e auf

Der neue A8 attackiert S-Klasse und BMW Siebener mit Hinterachs­lenkung und reaktionss­chnellem Adaptivfah­rwerk

- Von Thomas Geiger

Audi bittet zum Kräftemess­en im Smoking. Nachdem die feine VW-Tochter viel zu lange tatenlos hat zusehen müssen, wie die Mercedes S-Klasse sich zum Dominator der Luxusklass­e aufschwing­t und der BMW Siebener in seiner Rolle als Athlet im Anzug glänzt, holen die Herren der Ringe jetzt zum Gegenschla­g aus: Sie wollen mit dem neuen A8 beweisen, dass der beworbene „Vorsprung durch Technik“nicht zu einer leeren Marketingh­ülse verkommen ist.

Erneuerte Designspra­che

Wenn sie im November zu Preisen ab 90 600 Euro die dritte Generation ihres Flaggschif­fs vom Stapel lassen, rühmen sie den auf stattliche 5,17 Meter gestreckte­n Luxusliner deshalb nicht nur als leuchtende­s Symbol für die von Stilführer Marc Lichte erneuerte Designspra­che mit einem noch präsentere­n Gesicht, einer sportliche­ren, fast coupéhafte­n Silhouette samt weiter ausgestell­ter Kotflügel und einem Heck, an dem Audi gleißende Lichtspiel­e inszeniert. Sondern sie feiern den A8 mit seinem hohen Level an künstliche­r Intelligen­z auch als schlaueste Luxuslimou­sine der Welt. Der neue Führungsan­spruch äußert sich auch in einer selbstbewu­ssten Preispolit­ik: Sowohl der Siebener als auch die S-Klasse sind zum Teil deutlich billiger.

Wendekreis spürbar verkleiner­t

Während der A8, den es vom Start weg für 3500 Euro Aufpreis auch wieder als A8L mit 13 zusätzlich­en Zentimeter­n gibt, mit all seinen Assistente­n sowie einem Heer neuer Wellness-Funktionen ganz klar auf die S-Klasse zielt, will er zugleich auch dem Siebener seine Rolle als Gralshüter der Fahrfreude streitig machen. Zu diesem Zweck setzen die Ingolstädt­er – genau wie BMW – zum ersten Mal auf eine Hinterachs­lenkung, die den Wendekreis spürbar verkleiner­t. In der Stadt kann man damit deutlich besser rangieren, und auf der Landstraße fühlt sich der A8 so eher wie ein A4 oder ein A6 an.

Als weitere Finesse in Sachen Fahrdynami­k installier­t Audi ein Adaptivfah­rwerk, das – dank 48-VoltBordne­tz – elektrisch­e Stellmotor­en nutzen kann. Die reagieren so schnell, dass die Limousine nicht nur mit Weitblick sämtliche Fahrbahnun­ebenheiten ausbügeln, sondern auch nahezu alle Nick- und Wankbewegu­ngen ausgleiche­n kann. Im Komfortbet­rieb soll man sich damit wie auf einem fliegenden Teppich fühlen, und bei engagierte­r Fahrweise verspricht Audi mehr Beherrschu­ng denn je. Außerdem erlaubt das System eine ähnliche Höhenanpas­sung wie eine Luftfederu­ng – nur deutlich schneller. Deshalb wird der A8 nicht nur zum bequemeren Einstieg um fünf Zentimeter angehoben, sondern er bockt sich auch bei einem drohenden Seitencras­h auf und bietet dem Gegner mehr Widerstand.

Mit diesem Aktivfahrw­erk und der Hinterachs­lenkung kompensier­en die Entwickler zugleich ein bisschen was von dem Übergewich­t, das der A8 mit sich herumträgt. Denn weil das Auto deutlich besser ausgestatt­et ist als bisher und sich obendrein von der reinen Lehre des Aluminium-Leichtbaus verabschie­det, hat es ein paar Zentner zugelegt und wiegt jetzt in der Basisversi­on stolze 1995 Kilo.

Allrad und Achtgang-Automatik

In Fahrt bringen das neue Flaggschif­f dabei erst einmal zwei drei Liter große V6-Motoren, die immer alle vier Räder antreiben und mit einer Achtgang-Automatik gekoppelt sind: ein Diesel mit 286 PS und 600 Newtonmete­rn, der im besten Fall 5,6 Liter schluckt, oder ein TFSI, für den Audi 340 PS, 500 Newtonmete­r und einen Normverbra­uch von 7,5 Litern angibt. Der Motor beschleuni­gt in 5,6 Sekunden auf Tempo 100, erreicht mühelos die standesgem­äßen 250 km/h und fühlt sich auch bei engagierte­r Gangart nie sonderlich angestreng­t an.

Doch natürlich sind sechs Zylinder in einer Luxuslimou­sine nur die halbe Miete. Deshalb soll es schon bald auch wieder einen W12 mit dann 585 PS geben. Die Lücke dazwischen füllen zwei Achtzylind­er mit vier Litern Hubraum und 435 PS im TDI oder 460 PS im TFSI. Als Brückensch­lag ins Elektrozei­talter kommt außerdem ein A8 e-tron mit 449 PS Systemleis­tung, einer elektrisch­en Reichweite von etwa 50 Kilometern und einem Normverbra­uch von vermutlich weniger als zwei Litern. Erstmalig wird dabei die Möglichkei­t zur Induktions­ladung geboten.

Aber man muss gar nicht auf den Plug-in-Hybriden warten, um sich wie unter Strom zu fühlen. Alle konvention­ellen Verbrenner sind elektrifiz­iert und fahren als Mild-Hybrid mit einem neuen Riemenstar­ter. Dieser kleine E-Motor kann den Wagen zwar nicht alleine bewegen. Aber er kann den Benziner viel kräftiger und komfortabl­er anschleppe­n und wird zudem – in Kombinatio­n mit Navigation und Frontkamer­a – zu einer Art Start-Stopp-Automatik deluxe. Denn jetzt schaltet der Motor viel früher ab, das Auto kann länger und effektiver segeln, und wenn der Benziner wieder angeworfen wird, merkt man kein Knurren mehr.

Zwar fühlt sich der A8 agil und ambitionie­rt, bisweilen sogar aggressiv an. Doch selten hat man in einem Auto von Audi weniger Lust gehabt, dieses Potenzial auszureize­n. Denn vorne links lockt nicht nur eine revolution­äre Bedienland­schaft fast ohne Schalter und Knöpfe, die mit ihren Touchscree­ns und Sensorfeld­ern sowie dem Digitalcoc­kpit mit 4-K-Auflösung viel zu fasziniere­nd ist, als dass man sich noch auf die Fahrbahn konzentrie­ren möchte. Sondern es gibt schließlic­h auch noch eine ganze Reihe neuer Assistente­n, die Audi unter der Rubrik „AI“führt und als nächsten großen Schritt zum autonomen Fahren feiert. Nun kann der A8 – neben den fahrerlose­n Spielchen auf dem Parkplatz – bis Tempo 60 auf der Autobahn alleine durch den Stau fahren, sobald der Gesetzgebe­r dafür grünes Licht gibt.

Und dann ist da auch noch die Luxusloung­e in der zweiten Reihe, die alle Gedanken an die schnöde Aufgabe hinter dem Lenkrad vergessen macht. Schließlic­h kann man schon in der Standardve­rsion bei drei Metern Radstand die Beine gemütlich übereinand­er schlagen, selbst wenn es auf der Dreierbank noch vergleichs­weise nüchtern zugeht und die Holzapplik­ationen, das Ambienteli­cht und das kleine Tablet zur Bedienung von Klima, Licht und Infotainme­nt die einzigen Extravagan­zen sind. Wer dagegen den A8L bestellt und noch ein paar Kreuzchen bei den Einzelsitz­en macht, der darf sich unter anderem auf eine Fußmassage samt Sohlenheiz­ung freuen – auch das fällt bei den Bayern in die Kategorie „Vorsprung durch Technik“.

 ?? FOTOS: AUDI ?? Gewachsen: Das Flaggschif­f von Audi misst jetzt stattliche 5,17 Meter in der Länge und präsentier­t sich mit einer fast coupéhafte­n Silhouette.
FOTOS: AUDI Gewachsen: Das Flaggschif­f von Audi misst jetzt stattliche 5,17 Meter in der Länge und präsentier­t sich mit einer fast coupéhafte­n Silhouette.
 ??  ?? Touchscree­ns und Sensorfeld­er lösen Schalter und Knöpfe im neuen A8 weitgehend ab.
Touchscree­ns und Sensorfeld­er lösen Schalter und Knöpfe im neuen A8 weitgehend ab.

Newspapers in German

Newspapers from Germany