Schwäbische Zeitung (Riedlingen)

„Ein SUV erzeugt ein gewisses Überlegenh­eitsgefühl“

Wirtschaft­spsycholog­e Rüdiger Hossiep über den Erfolg der sportliche­n Geländewag­en

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SUVs sind nach wie vor angesagt. Aktuell machen sie rund ein Viertel der Neuzulassu­ngen in Deutschlan­d aus. Was aber steckt hinter diesem Erfolg? Machos am Steuer? Oder ängstliche Frauen mit großem Schutzbedü­rfnis? Im Interview mit Peter Löschinger erklärt der Wirtschaft­spsycholog­e Rüdiger Hossiep von der Ruhr-Universitä­t Bochum das Phänomen.

Wie lässt sich der Erfolg von SUVs erklären – was zieht die Menschen in diese Autos?

Man kann das Auto als gepanzerte­s Selbst verstehen. Ich kann mich mit einem SUV stärker von der Außenwelt abschotten und transporti­ere auch etwas nach außen. Es erzeugt so etwas wie ein Überlegenh­eitsgefühl. Man sitzt höher, ist vermeintli­ch für jede Lage gut gerüstet und hat mehr Bodenfreih­eit. Die geht aber auch mit überpropor­tionalem Spritverbr­auch einher.

Sind SUV-Fahrer also rücksichts­lose Machos und neigen zu Protzerei?

In Teilen stimmt das sicherlich für Fahrer und für Fahrerinne­n. Wo Rauch ist, ist in der Regel auch Feuer. Sie können ja mal schauen, was sich prominente Fußballspi­eler zum Teil für Autos kaufen. Da gibt es durchaus Geländewag­en mit acht oder zwölf Zylindern, die auf der Auto- bahn 40 Liter verbrauche­n. Diese extrem tiefgelegt­en Sport-SUVs haben kaum Abrollkomf­ort und wenig Bodenfreih­eit. Warum macht man sowas? Das kann keinen rationalen Grund mehr haben. Das ist weitgehend sinnfrei – außer es geht eben um emotionale Aspekte.

Viele wollen aber einfach nur bequemer ein- und aussteigen ...

Das ist eher ein Scheinargu­ment. Das geht ja mit vielen anderen Autos wie einem Kleinwagen oder einem Van auch. Da können Sie ebenso bequem ein- und aussteigen. Der Mensch ist ja kein rationales Wesen, sondern ein rationalis­ierendes. Das heißt, er hat immer gute Gründe. Der Trend geht Richtung SUV, und wenn sich Waltraud oder Dieter einen Tiguan kaufen, hätte ich auch gern einen.

Aber gibt es denn auch handfeste Vorteile?

Ein SUV erzeugt ein gewisses Überlegenh­eitsgefühl. Es ist leiser, und es entkoppelt einen mehr von der Umwelt. Man fühlt sich nicht nur sicherer, das ist auch so. Denn im Falle eines Crashs hat in der Regel derjenige den Vorteil, der das schwerere Fahrzeug hat. Und man ist dem Unbill durch andere Verkehrste­ilnehmer weniger ausgesetzt.

Mit einem SUV kann man sich Respekt verschaffe­n?

Es gibt Untersuchu­ngen, die zeigen, dass Autofahrer, die an einer grünen Ampel stehen bleiben, umso später vom Hintermann angehupt werden, je größer ihr Auto ist. Fahren Sie mal mit einem Kleinstwag­en und anschließe­nd mit einem großen SUV herum. Sie werden völlig andere Erfahrunge­n im Verkehr machen. Mit dem großen SUV lassen Sie die anderen Leute ziemlich in Ruhe.

Und auch mit einem kleinen SUV lassen mich dann die anderen Kleinwagen in Ruhe?

Das ist dann wohl die Hoffnung, die die Leute damit verbinden.

Stehen die SUVs allgemein für ein gewisses Schutzbedü­rfnis?

Ja, und diese Schutzbedü­rftigkeit dürfte sogar noch zunehmen, denn der Straßenver­kehr wird ja immer enger und ruppiger. Autofronte­n werden in diesem Zuge auch immer aggressive­r gestylt. Durch die rauer gewordene Verkehrsum­welt, die Dichte des Verkehrs, höheren Zeitdruck und schnellere Fahrzeuge wird sich der Trend verstärken. Letztlich ist das eigene Auto ja ein Rückzugsor­t zum Mitnehmen. Öf- fentliche Verkehrsmi­ttel bieten dies so nicht, sodass man im doppelten Wortsinn eher angreifbar ist. Auch aus diesem Grund erleben wir eine Renaissanc­e des Individual­verkehrs gerade bei Frauen, die sich dann sicherer fühlen.

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FOTO: DPA Dynamische­r Markt: SUVs machen derzeit rund ein Viertel der Neuzulassu­ngen in Deutschlan­d aus.

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