Schwäbische Zeitung (Riedlingen)

Zwischen Traumpreis und Mondpreis

Den Wert einer Immobilie realistisc­h einzuschät­zen, ist nicht einfach – Onlinetool­s geben grobe Orientieru­ng

- Von Monika Hillemache­r

Lage, Zustand und gegebenenf­alls Mieteinnah­men – das sind die Faktoren, die beim Verkauf einer Immobilie zählen. Bereits bei der Lage gibt es allerdings deutliche Unterschie­de und damit die Möglichkei­t, beider Preis einschätzu­ng gründlich daneben zu liegen–nach oben wie nach unten.

„Die Dynamik eines Immobilien­markts in der Großstadt kann sich stark vom weiteren Umfeld der Stadt unterschei­den “, erklärt derBew er tungs sachverstä­ndige Helge Ludwig aus Augsburg die Situation. Will heißen: Für ein Einfamilie­nhaus in Mecklenbur­g-Vorpommern etwa ist längst nicht erzielbar, was Interessen­ten in Berlin hinblätter­n würden.

Während die einen Eigentümer vielleicht zu viel verlangen, rufen andere zu niedrige Preise auf. Um das zu vermeiden, empfiehlt Ludwig die Einzelfall betrachtun­g: das Objekt in seiner Umgebung betrachten und mit ähnlichen zum Verkauf stehenden Immobilien aus der Gegend vergleiche­n.

Anzeigen in Zeitung und Internet geben erste Anhaltspun­kte

Eine erste Einschätzu­ng kann der Blick in die Schaufenst­er von Maklern, in Zeitungsan­zeigen und ins Internet geben. So bekommen Eigentümer zum einen ein Gefühl dafür, welche Objekte gerade gesucht und beliebt sind, zum anderen ein Gefühl für Preisspann­en.

Verschiede­ne Portale bieten Bewertunge­n online an. Dazu gibt der Nutzer Daten zu seiner Immobilie ein, das Programm ermittelt anhand von Vergleichs­angaben einen Preis.

Nach einem ähnlichen Prinzip funktionie­ren Handy-Apps: Potenziell­e Verkäufer laden ein Foto von Haus oder Wohnung hoch, ergänzen Baujahr und Größe, die Apps erkennen das Objekt, vergleiche­n es und spucken einen Preis aus.

Online-Schätzunge­n funktionie­ren schnell und bequem. „Die Ergebnisse geben aber nur eine grobe Orientieru­ng“, sagt Sebastian Drießen. Er arbeitet für Sprengnett­er, einen Dienstleis­ter für Immobilien­bewertunge­n aus Bad Neuenahr. Das Netz liefere Anhaltspun­kte für Standardim­mobilien, etwa klassische Einfamilie­nhäuser und Eigentumsw­ohnungen. Besonderhe­iten wie Sauna, Wintergart­en oder Sanierungs­stau, für die Zu- oder Abschläge veranschla­gt werden können, trage es keine Rechnung.

Zum Einstieg in den Verkaufspr­ozess sind Onlinetool­s dennoch hilfreich. „Sie blenden individuel­le Vorlieben aus“, sagt Hans-Joachim Beck vom Immobilien­verband Deutschlan­d (IVD). Denn Vorlieben führen seiner Erfahrung nach häufig zu Fehleinsch­ätzungen.

Viele Leute gehen zu hoch, weil sie an ihrem Haus hängen: Sie haben es „liebgewohn­t“, viel Zeit und Geld investiert und vergessen, dass das dem Erwerber egal ist und er dafür keinen Cent mehr bezahlen will. „Das ist wie beim Gebrauchtw­agen, da bekommt man auch nichts für die Sonderauss­tattung.“

Anderersei­ts drücken fällige Sanierungs­arbeiten den Preis weniger nach unten, als manche Eigentümer vermuten. Das gilt vor allem für Ballungsze­ntren, in denen die Nachfrage groß und das Angebot knapp ist. „Außerdem renovieren Selbstnutz­er die Immobilie sowieso nach ihren Vorstellun­gen“, sagt Beck.

Bei einer präziseren Schätzung können auch Makler helfen. Sie haben einen guten Überblick über den Markt, der sich insbesonde­re in den Boomregion­en rasant entwickelt – mit Preissteig­erungen von fünf bis zehn Prozent innerhalb kurzer Zeit. Makler verlangen dem IVD zufolge mindestens um die 300, 400 Euro für eine Expertise, kostenlos sei oft unseriös. Häufig kommen die Vermittler mit der Hoffnung ins Haus, später mit dessen Verkauf betraut zu werden.

Gerichtsfe­ste Verkehrswe­rtgutachte­n

Profis arbeiten mit dem Markt- oder Verkehrswe­rt. Das ist der Preis, der relativ sicher zu erzielen wäre. Der Wert kann auf verschiede­nen Wegen ermittelt werden. Sie hängen ab von Art und Nutzung der Immobilie. Die Fachleute gucken meist auf mehrere Ansätze. Aber auch Laien können sich an Hinweisen entlanghan­geln, denen Zahlen der regionalen Gutachtera­usschüsse zugrunde liegen. Diese unabhängig­en Gremien sammeln Kaufpreise aus den Kommunen und leiten daraus die Preistende­nz für Häuser, Eigentumsw­ohnungen und Grundstück­e ab. In der Regel veröffentl­ichen sie einmal jährlich einen Bericht. Viele Städte und Gemeinden stellen ihn online. Detaillier­te Auskünfte kosten meistens Geld. Die neutralen Gutachtera­usschüsse erstellen zudem gebührenpf­lichtige Verkehrswe­rtgutachte­n. Diese sind im Unterschie­d zu einer Maklerexpe­rtise gerichtsfe­st.

Die Marktanaly­sen der Ausschüsse enthalten zum Beispiel Angaben zum Bodenricht­wert. An seinem Niveau ist ablesbar, ob eine Gegend angesagt ist. Was Verkaufswi­llige mit den Zahlen anfangen können, erläutert Reinhard Mundt, Leiter der Geschäftss­telle des Oberen Gutachtera­usschusses in Sachsen: „Das eigene Grundstück ist 500 Quadratmet­er groß, in der Gegend kostet der Quadratmet­er 300 Euro. Multiplizi­ert ergibt das eine erste Hausnummer.“

Erfahrungs­gemäß weisen hohe Bodenricht­werte innerhalb einer Gemeinde auf hochwertig­e Immobilien hin. „In einer teuren Gegend steht keine Bruchbude“, sagt Mundt. Über Jahresreih­en lässt sich die Wertentwic­klung nach oben oder unten verfolgen. Steigende Bodenricht­werte sind ein Indiz für erhöhte Nachfrage. Zum Beispiel infolge einer Aufwertung des Quartiers oder von wachsendem Zuzug.

Für Eigentumsw­ohnungen enthalten die Gutachterb­erichte Vergleichs­preise. Sie basieren auf Preisen, die für ähnliche Wohnungen je Quadratmet­er in einem bestimmten Quartier bezahlt wurden. Danach richten sich auch Profis bei ihrer Kalkulatio­n. Einen Nachteil gibt es freilich dabei: Gutachterz­ahlen erfassen Preise der Vergangenh­eit. Weil Immobilien­markt und -preise galoppiere­n, rechnen clevere Eigentümer in guten Lagen einen Zuschlag hinzu: Mit zehn Prozent Spielraum kann man es ja mal versuchen. (dpa)

Infos unter www.gutachtera­usschuesse-online.de, Handy-App zur Wertermitt­lung: dpaq.de/c1bZL,

 ?? FOTO: DPA ?? Der Preis einer Immobilie wird von vielen Faktoren bestimmt – unter anderem vom baulichen Zustand. Anderersei­ts hat nicht jede Investitio­n automatisc­h einen höheren Verkaufspr­eis zur Folge.
FOTO: DPA Der Preis einer Immobilie wird von vielen Faktoren bestimmt – unter anderem vom baulichen Zustand. Anderersei­ts hat nicht jede Investitio­n automatisc­h einen höheren Verkaufspr­eis zur Folge.

Newspapers in German

Newspapers from Germany