Schwäbische Zeitung (Riedlingen)
„Mit rechts oder links hat das nicht viel zu tun“
Niedersachsens Wahlsieger Stephan Weil über den Erneuerungsprozess der SPD
HANNOVER - Stephan Weil (SPD), Wahlsieger in Niedersachsen, sprach mit Tobias Schmidt über die Neuausrichtung der Partei und seine Haltung zu Martin Schulz.
Herr Ministerpräsident, Sie haben den Bann der SPD gebrochen, den ersten Wahlsieg nach langer Durststrecke eingefahren. Sie sind jetzt der starke Mann der Genossen, oder?
Ich freue mich über den Beitrag der niedersächsischen SPD für die Bundespartei. Das ist ein klares Zeichen der Ermutigung, das nur durch eine geschlossene Mannschaftsleistung möglich war. Wenn wir jetzt Hoffnung für die SPD im Bund geweckt haben, ist mir das herzlich willkommen.
Das Ergebnis der NiedersachsenWahl dürfe keine Beruhigungspille sein, mahnen Sie. Was muss jetzt passieren, um die SPD aufzurichten und auch im Bund wieder mehrheitsfähig zu machen?
Wir müssen uns viele schwierige Fragen stellen: Wie sind wir strategisch aufgestellt? Sind wir inhaltlich auf der Höhe der Zeit? Wie schaffen wir es, dass unsere Lösungsansätze noch besser verstanden werden und überzeugen? Und haben wir die richtigen Personen in den richtigen Funktionen? Die Beantwortung dieser und vieler anderer Fragen braucht Zeit und wird die Grundlage dafür sein, dass der SPD das Comeback tatsächlich gelingt.
Ist Martin Schulz die richtige Person in der richtigen Funktion?
Die SPD in Niedersachsen steht geschlossen hinter Martin Schulz. In dieser Phase der Erneuerung ist er der Richtige, um zu integrieren, die Partei zusammenzuhalten und neu auszurichten. Auf dieser Grundlage – da bin ich zuversichtlich – wird Martin Schulz die SPD als Vorsitzender führen.
Wie viel Zeit wird er bekommen, um die Neuausrichtung einzuleiten?
Auf dem Parteitag im Dezember werden erste Weichen gestellt werden müssen. Das ist ein markantes Datum für einen ersten Meilenstein des Erneuerungsprozesses. Insgesamt werden wir dafür mehr Zeit und Energie brauchen. Wir sollten auch darüber nachdenken, ob ein neues Grundsatzprogramm notwendig ist, um sicherzustellen, dass die SPD auf der Höhe der Zeit ist.
Es gibt Rufe nach einem Linksruck der SPD, um sich von der Union stärker abzugrenzen. Wäre das die richtige Konsequenz aus dem Wahldebakel im Bund?
Ich kann mit dem Wort Linksruck wenig anfangen. Entscheidend ist doch: Welche Wählerinnen und Wähler wollen wir in besonderer Weise überzeugen? Für mich ist klar: Für uns gehören die arbeitenden Menschen in den Mittelpunkt, diejenigen, die vor dem Eintritt in Arbeit stehen oder die eine neue Arbeit suchen und diejenigen, die ein hartes Arbeitsleben hinter sich haben. Das ist die Kerngruppe der Sozialdemokraten, um deren Perspektiven und Sorgen müssen wir uns kümmern. Mit rechts oder links hat das nicht viel zu tun.
Sie stehen vor einer komplizierten Regierungsbildung in Hannover. Wie wollen Sie die FDP von ihrer Absage an eine Ampel-Koalition abbringen?
Ich hoffe, dass sich auch bei den Liberalen die Überzeugung durchsetzt, dass aus einem solchen Wählervotum die gemeinsame Verantwortung folgt, eine handlungsfähige Regierung auf die Beine zu stellen. Alle Parteien sollten sich offen zeigen, um in Gesprächen herauszufinden, was geht und was nicht. Auch die FDP wäre gut beraten, die Tür noch nicht zuzuschlagen, bevor wir miteinander geredet haben. Ich bin überzeugt, dass die Wählerinnen und Wähler dies von den Politikern erwarten.
Die Große Koalition mit der Union ist nicht Ihr Ziel, oder?
Die Gespräche in der nächsten Zeit werden ergeben, welche Koalition möglich ist. Ich möchte schnell eine neue, handlungsfähige Regierung für Niedersachsen bilden.