Schwäbische Zeitung (Riedlingen)
Unheimlich unterhaltsam
Mit Heimatkundler Paul Sägmüller und seinen schaurigen Sagen wird die Bachritterburg zur Hohstube
KANZACH - Wer sagt denn, dass Freitag, der 13. immer Unglück bringen muss? Auf der Bachritterburg Kanzach zumindest konnte man am vermeintlichen Unglückstag höchst vergnüglich-glückselige Stunden verleben. Museumsleiter Simon Paintner-Frey führte die Besucher in den nächtlichen, nur von Kerzenschein erhellten Wohnturm. Davor fesselte Paul Sägmüller mit schaurigen Sagen über Hexen und Schrättala und allerhand Kursiosem rund um den Aberglauben. Unheimlich? Ja, durchaus – vor allem aber unheimlich unterhaltsam.
Draußen ist schon die herbstliche Dämmerung hereingebrochen und über das Federseemoor ziehen feine Nebelschwaden. Unter dem urigen Gebälk der Burgschenke aber ist es warm und gemütlich. Da kann man sich so ganz wie in der Hohstube von Paul Sägmüllers Großtante in Bergatreute fühlen; wenn das Seppraweib (also die Frau vom Josef) und Katzamaiers Lona (Apollonia Katzenmaier, die „net bloß Hoor auf de Zäh, sondern au Kralla an de Fiaß hot“) zum Tratschen kamen und dabei allerhand Schauriges zu berichten wussten, „von Schrättala, Hexa, Deifl – ond was so an Gschmoiß omander isch“.
Für den kleinen Paul Sägmüller muss das „Hohstuben“damals unheimlich eindrucksvoll gewesen sein. So eindrucksvoll, dass er mit der Taschenlampe vor dem Einschlafen erst einmal nachschauen musste, ob sich unterm Bett nicht doch ein Schrättale eingenistet hat. Dass es dort nichts zu sehen gab, beruhigte den Bub nicht wirklich. „Die Horrorfilme sind ja auch am besten, in denen man nichts sieht“, sagt der Heimatkundler aus Bergatreute, der früher in der Pharmazeutischen Industrie tätig war. Die Gruselgeschichten, die er seinerzeit in einem Schulheft verewigt hat, gibt Sägmüller nun in der Burgschänke der Bachritterburg so weiter, „wie ich es gehört habe, ohne Wertung“.
Pst! Die Hexen hören mit
Aber das ist nicht ganz ungefährlich, gerade an einem Freitag, den 13. Denn da können Hexen hören, wenn man über sie schwätzt. Wie gut, dass sich Sägmüller zu schützen weiß. Etwa mit Reliquien wie der obersten Sprosse der Himmelsleiter, die unlängst bei E-Bay für 690 Euro angeboten wurde, oder dem „letzten Atemzug Jesu – in einem Schächtele“. Immerhin: „Das hat keine Nebenwirkungen und kann nicht schaden, höchstens im Hirn“, meint Sägmüller trocken. Und gegen Hexen hilft es ja auch – während des Vortrags erweist sich die Burg schließlich als hexenfreie Zone.
Nach Ausführungen über die bizarren Blüten des Reliquienkults geht es nahtlos weiter zum Johanniläuten und zu den Unterschieden zwischen Hex’ und Schrättale. Sägmüller verbindet Wissen mit Witz, Geisterspuk mit geistreicher Ironie und erweist sich als wahrer Meister des mündlichen Erzählens. Um über so viel okkultes Fachwissen nicht zu stolpern, müssen ihn die Zuhörer zuweilen zu seinem roten Faden zurückführen. So kann der Bergateuter gleich überprüfen, ob sie auch wirklich aufgepasst haben. Und das haben sie – denn Langeweile kommt während dem zweistündigen Vortrag zu keiner Zeit auf.
So interessant wie stimmungsvoll erweist sich danach auch die Führung von Museumsleiter Simon PaintnerFrey in den dämmerigen, nur von Kerzenlicht erhellten Wohnturm. Zurück in eine Zeit, als die Nacht noch richtig Nacht war – und es vielleicht gar nicht so abwegig war, an Schrättala und Geisterspuk zu glauben.