Schwäbische Zeitung (Riedlingen)
Der Tod geht zu Maxim’s
Gärtnerplatztheater mit Léhar-Operette eröffnet
MÜNCHEN - Wenn die Kessler-Zwillinge durchs Foyer stöckeln, droht Amüsement. Darauf kann man an der Isar einen Zehner wetten, zumal in einer einschlägigen Institution wie dem Gärtnerplatztheater. Nach einer rauschenden Gala am vergangenen Wochenende hat das generalsanierte Haus nun auch den Spielbetrieb wieder aufgenommen und mit der „Lustigen Witwe“gleich sein allerkernigstes Repertoirestück auf die Bühne gebracht.
Seit der Münchner Erstaufführung vor exakt 111 Jahren ist die Inszenierung von Staatsintendant Josef Ernst Köpplinger tatsächlich schon die zwölfte. Und die bewegt sich auf launigem Terrain zwischen Schubkarren voll Schuldscheinen – der Zwergenstaat Pontevedro ist bankrott –, heiratswütigen Galanen und bärtigen Travestie-Grisetten. Zumindest bis sich Pulverdampfschwaden überm herbstlich gefärbten Palaisgarten (Bühne: Rainer Sinell) der millionenschweren Hanna Glawari ausbreiten und die stets „champagnisierten“Herren pflichtbewusst davoneilen: in den Ersten Weltkrieg. Ohne die desaströse Zutat geht’s in der Operette heute nicht mehr. Doch Franz Lehárs fulminante Schlagerkiste ist nicht auszuhebeln und beim neuen Chefdirigenten in liebevoll versierten Händen. Anthony Bramall verteilt luftige Sachertörtchen, durchzogen von melancholisch-feinherber Schokolade. Dass ihm das Stück liegt, ist gar nicht so überraschend, seine erste „Witwe“hat der Brite bereits in den späten Achtzigern einstudiert – in Augsburg. Und mit dem Gärtnerplatzorchester kann er auf eine vom Vorgänger Marco Comin wohl vorbereitete Truppe bauen. Dass die Abstimmung zwischen Bühne und Graben noch nicht perfekt funktioniert, ist sicher der Premiere geschuldet, und auch die neue Akustik will erst erobert werden.
Tanz auf dem Vulkan
Die Sänger müssen nicht mehr gegen eine Gipsgardine im Bühnenportal ansingen, dafür tänzelt ihnen der Tod ständig dazwischen. Recyclingspezialist Köpplinger hat wie schon anderenorts den agilen Knochenmann im Soldatenmantel (Kostüme: Alfred Mayerhofer) auf die Bühne geholt. Bei aller Geschmeidigkeit säbeln die Interventionen von Adam Cooper dann doch bald an den Nerven.
Womöglich hat das die eh schon spröde Witwe der Camille Schnoor auch noch stimmlich abgekühlt? Arme, fröstelnde Vilja! Das Gegenpaar Valencienne und de Rosillon (Jasmina Sakr und Lucian Krasznec) gerät jedenfalls in feuergefährliche Konkurrenz. Dabei ist Glawaris Danilo – Hausstar Daniel Prohaska – ein Liebhaber aus Fleisch und aufgewühltem Blut, den es zum opernhaften Schmettern drängt („O Vaterland“). Für den komödiantischen Sidekick Njegus braucht es ein pointensicheres Theatertier wie Sigrid Hauser. Ihr bodenständiger Botschaftskanzlist kommentiert die Geldgier der Hautevolee reichlich sozialkritisch. Ansonsten bleibt der Tanz auf dem Vulkan einigermaßen brav.
Dass der Sensenmann die Titelheldin am Ende in den Tod küsst, war zu erwarten. Aber auch ein bisschen bitter. Außer man hat sich sofort mit soliden Häppchen getröstet wie die amüsiergestählten Kessler-Schwestern.
Vorstellungen am 31. Oktober, 2., 4., 12., 17. und 22. November, Kartentelefon:
089-2185 1960