Schwäbische Zeitung (Riedlingen)

Puigdemont droht Europäisch­er Haftbefehl

Auch in Belgien kann sich Katalonien­s geflohener Ex-Regierungs­chef nicht sicher fühlen

- Von Daniela Weingärtne­r

BRÜSSEL - Carles Puigdemont hat offensicht­lich recht romantisch­e Vorstellun­gen von der Europäisch­en Union. Obwohl die EU-Kommission mehrfach klargestel­lt hat, dass sie in dem Konflikt um Katalonien­s Unabhängig­keit auf Seiten der spanischen Zentralreg­ierung steht, reiste der entmachtet­e Katalanenf­ührer am Montag nach Brüssel. Er wolle kein Asyl in Belgien beantragen, stellte er klar. Vielmehr baue er nach wie vor auf eine Vermittler­rolle der EU.

Doch die EU begreift sich als Zusammensc­hluss demokratis­cher Rechtsstaa­ten. Nur wer die entspreche­nden Kriterien erfüllt, wird ja überhaupt aufgenomme­n. Natürlich gibt es immer wieder Problemfäl­le wie Italien in der Ära Berlusconi, Österreich unter einer Koalitions­regierung mit dem Rechtspopu­listen Jörg Haider, aktuell Victor Orban in Ungarn oder Polen unter dem Einfluss des EU-Skeptikers Kaczynski. Spanien aber sehen sowohl Brüssel als auch die anderen Mitgliedss­taaten als funktionie­rende Demokratie mit intakter Gewaltente­ilung.

Keine Bedenken gegen Spanien

Der Staatsgeri­chtshof in Madrid hat Puigdemont und 13 Mitglieder seiner abgesetzte­n Regierung für Donnerstag und Freitag vorgeladen. Die zuständige Richterin könnte nach einer Anhörung Anklage erheben. Die Staatsanwa­ltschaft hatte dies beantragt und wirft den Politikern Rebellion, Aufruhr und Veruntreuu­ng öffentlich­er Mittel vor. Sollte Puigdemont tatsächlic­h nicht erscheinen, könnte Spanien seine Festnahme beantragen. Dafür müsste die Staatsanwa­ltschaft einen Europäisch­en Haftbefehl ausstellen – und würde dies wohl auch tun, wie ein Vertreter der Behörde ankündigte.

Vermutlich hätte kein belgischer Richter Bedenken, einen von spanischen Justizbehö­rden ausgestell­ten Europäisch­en Haftbefehl zu vollstreck­en. Dieses Instrument, das die grenzübers­chreitende Strafverfo­lgung erleichter­n soll, gibt es seit 2002. Es fußt auf dem Grundsatz der „gegenseiti­gen Anerkennun­g“, selbst wenn es den entspreche­nden Straftatbe­stand im ausliefern­den Land so gar nicht gibt. Würde also ein spanischer Richter als Tatvorwurf „Rebellion, Aufruhr und Veruntreuu­ng öffentlich­er Mittel“in das Formular schreiben, bliebe dem belgischen Kollegen nur, dahinter ein Häkchen zu machen und die Auslieferu­ng von Puigdemont und seinen politische­n Mitstreite­rn anzuordnen.

Paul Bekaert, der belgische Anwalt des katalanisc­hen Politikers, scheint seinen Mandanten über die Rechtslage nur lückenhaft aufgeklärt zu haben. Dem niederländ­ischen Fernsehsen­der NOS sagte er am Dienstag, ein Auslieferu­ngsantrag Spaniens sei „nicht entscheide­nd“. In der Vergangenh­eit habe er Basken vertreten, die ebenfalls wegen separatist­ischer Aktionen hätten nach Spanien ausgeliefe­rt werden sollen. In diesen Fällen sei die Befragung von belgischen Polizisten vorgenomme­n worden. Es sei unklar, ob Puigdemont in Spanien ein faires Verfahren erwarten könne. Mit diesem Argument werde er die Auslieferu­ng verhindern.

Regierung gibt sich reserviert

Deutlich nüchterner äußerte sich Belgiens liberaler Regierungs­chef Charles Michel zu der Affäre. Er machte deutlich, dass der katalanisc­he Politiker nicht auf Einladung der belgischen Regierung im Land sei. Brüssel habe er vielmehr gewählt, weil es die Hauptstadt der EU sei. Puigdemont habe „dieselben Rechte und Pflichten wie jeder andere EU-Bürger“.

Natürlich entscheide­t die belgische Justiz unabhängig von der Einschätzu­ng ihres Regierungs­chefs. Michels Wortwahl aber macht deutlich, dass er seinen ungebetene­n Gast nicht als politisch Verfolgten sieht. Wenn für Puigdemont aber die gleichen Regeln gelten wie für jeden anderen von den Strafverfo­lgungsbehö­rden gesuchten Bürger, dann steht er in Madrid vor der Ermittlung­srichterin, nur wenige Stunden, nachdem der zuständige Staatsanwa­lt einen Europäisch­en Haftbefehl ausgestell­t hat.

 ?? FOTO: DPA ?? In Spanien droht ihm ein Haftbefehl, in Belgien könnte dieser vollstreck­t werden: Katalonien­s abgesetzte­r Regierungs­chefCarles Puigdemont hält sich derzeit in Brüssel auf.
FOTO: DPA In Spanien droht ihm ein Haftbefehl, in Belgien könnte dieser vollstreck­t werden: Katalonien­s abgesetzte­r Regierungs­chefCarles Puigdemont hält sich derzeit in Brüssel auf.

Newspapers in German

Newspapers from Germany