Schwäbische Zeitung (Riedlingen)
Jamaika-Unterhändler schieben Streitthemen vor sich her
Klima- und Flüchtlingspolitik werden zunächst einmal ausgeklammert – Auch bei Agrar und Verkehr keine Annäherung
BERLIN - Eigentlich sollte der Durchbruch kommen, wollten Union, FDP und Grüne bei den Sondierungsgesprächen über ein Jamaika-Bündnis nach Kompromissmöglichkeiten bei den Streitthemen Flüchtlingspolitik und Klimaschutz suchen. Doch jetzt sind die Knackpunkte erst einmal vertagt und zur Chefsache erklärt, sollen zunächst weiter „im kleinen Kreis“beraten werden, hieß es am Mittwoch. Darauf haben sich offenbar die Chefunterhändler am Dienstagabend bei einem vertraulichen Gespräch im Kanzleramt verständigt.
Das Thema Zuwanderung wurde kurzerhand von der Tagesordnung für heute genommen, über Klimaschutz soll nur kurz in einer Fachgruppe beraten werden. Jetzt werde in kleiner Runde an möglichen Lösungen gearbeitet, berichteten Verhandlungsteilnehmer. Doch nach Einigkeit sieht es weiter nicht aus. FDP-Chef Christian Lindner attackierte am Mittwoch die Grünen und warf ihnen vor, mit ihrer Flüchtlingspolitik in der Bevölkerung nicht mehrheitsfähig zu sein.
Ihre Positionen in diesem Bereich seien „ein Konjunkturprogramm für die AfD“, kritisierte der Liberale und forderte, den Familiennachzug von Flüchtlingen mit eingeschränktem Schutz auch weiterhin auszusetzen. Die Grünen lehnen dies weiter ab. Klare Absagen erteilte der FDP-Chef auch den Plänen der Ökopartei für eine Verkehrswende und Fahrverbote für Dieselautos und der Forderung nach einem Kohleausstieg in Deutschland. Hier stellen sich auch die Unterhändler der Union quer. Das von den Grünen geforderte Ende von Verbrennungsmotoren bis 2030 sei mit ihnen nicht zu machen, stellten CDU und CSU klar.
Auch in der Agrarpolitik liegen vor allem Union und Grüne weit auseinander. „Hier sind die Differenzen ähnlich wie bei Klima- und Energiepolitik groß“, betont Grünen-Fraktionschef Anton Hofreiter. Es gebe „viele krasse Gegensätze“beim Thema Landwirtschaft und „dicke Brocken“, bestätigt Grünen-Unterhändler Robert Habeck. Auch er rechnet mit schwierigen Verhandlungen.
Tierschützer in Küken-Kostümen
Begleitet wurden die Sondierungen am Mittwoch von Protesten gegen die Massentierhaltung in der Landwirtschaft. „CDU/CSU: Lasst die Sau raus!“, forderten Tierschützer in Hühner- und Kükenkostümen und Greenpeace-Aktivisten am Mittag draußen im Regen vor der Tür eine Wende in der Agrarpolitik. Doch die Vertreter der Unionsparteien drinnen am Jamaika-Verhandlungstisch im alten Palais der Parlamentarischen Gesellschaft bleiben hart, wollen anders als die Grünen keinen radikalen Kurswechsel. „Wir wollen konventionelle Landwirtschaft, die nachhaltig sein muss“, sagt Agrarminister Christian Schmidt (CSU). Gemeinsam mit den Bauern müsse man jetzt zu einer neuen Art der Landwirtschaft kommen, fordert dagegen Grünen-Fraktionschefin Katrin Göring-Eckardt. „Unsere Art der Landwirtschaft ist ein Riesenproblem“, kritisiert sie.
Mehr Geld für Wohnungsbau
Immerhin: Die Atmosphäre sei „gut und konstruktiv“, lobte Baden-Württembergs grüner Ministerpräsident Winfried Kretschmann. Die Fortschritte dagegen wirken eher bescheiden.
Trippelschritte auf dem Weg nach Jamaika – mehr Unterstützung für die Kommunen und ländliche Regionen, mehr Geld für Wohnungsbau, darüber sei die schwarz-gelb-grüne Runde einig. Über konkrete Details jedoch müsse noch beraten werden.