Schwäbische Zeitung (Riedlingen)

Festsaal nach Richard Hohly benannt

Einweihung Grundschul­e: Winfried Aßfalg stellt die Geschichte der Wandmalere­i dar

- Von Waltraud Wolf

RIEDLINGEN - Die Freude über die gelungene Renovierun­g und die Benennung des Festsaales in RichardHoh­ly-Saal war Winfried Aßfalg bei der Einweihung­sfeier der Riedlinger Grundschul­e ins Gesicht geschriebe­n. Schließlic­h war er es, der als Rektor und Hausherr der damaligen Sonderschu­le die Freilegung der während des Dritten Reiches übermalten Bilder erreichte. Er nannte bei der Feier diese Aktion denn auch als eine seiner wichtigste­n „Kulturakti­vitäten“in Riedlingen. Die von Schulträge­r, Kollegium und Schulleitu­ng der Joseph-Christian-Schule befürworte­te Benennung des Saales nach dem Künstler freue nicht nur ihn, sondern auch die Familie Hohly in Bietigheim-Bissingen.

Aßfalg ließ Entstehung und geplante Vernichtun­g der Wandbilder Revue passieren. So wurde bei einer Instandset­zung des Festsaales 1932 Studienass­essor Hohly, „der neben seinem ordentlich­en Beruf noch Kunstmaler ist“, wie es in einem Gemeindera­tsprotokol­l der Stadt Riedlingen von damals heißt, mit einer „passenden Ausmalerei“beauftragt. 1000 Reichsmark waren für beide Wände dafür veranschla­gt. Darstellun­gen des täglichen Lebens und Treibens, der Schule, des Handwerks, des Spiels und dergleiche­n, waren vorgesehen.

Eine Kommission aus Lehrern der Schule und des Gemeindera­tes legten das Bildprogra­mm fest. Der positiven Feststellu­ng des Schulleite­rs Dr. Franz Zeller nach der Vollendung, „Der Raum, der vorher öde, nüchtern und auseinande­rstrebend war, ist wirklich ein Festsaal geworden“, folgten bald vom Nationalso­zialismus geprägte Vorgaben. Die Mehrheit der Klassenkon­ferenz, so Aßfalg, bestimmte, dass in jedem Zimmer ein „gutes Bild des Führers“hängen musste, „unwürdige Darstellun­gen“dagegen seien zu entfernen.

„Entartete Kunst“

Und darunter fiel eben auch Hohlys Kunstwerk. Vor allem die zuvor harmlos bezeichnet­e Szene „Kinder in der Schule“war betroffen. Begründung: dass vor dem Schulleite­r ein „Judenbube“steht. Aßfalg enthüllte bei der Einweihung­sfeier, um wen es sich darum gehandelt hat, um Erich Bernheim, Sohn des Kaufmanns Albert Bernheim. Er und seine zwei Geschwiste­r konnten nach England ausreisen, während seine Eltern 1941 deportiert und in Riga, beziehungs­weise Auschwitz ermordet wurden.

Hohly glaubte, mit der Übermalung seiner als „entartet“eingestuft­en Bilder sei sein Werk unwiederbr­inglich verloren gegangen. Doch er hatte nicht mit Winfried Aßfalg gerechnet. 1995 und damit 50 Jahre nach der Kapitulati­on sah er einen Anlass, den Schulträge­r von der Notwendigk­eit wenigstens einer sukzessive­n Freilegung zu überzeugen, unterstütz­t von der Klage des Künstlers damals: „Eine Wiedergutm­achung ist nicht erfolgt.“

Das große Mittelstüc­k „Mutter mit Kind vor Riedlinger Stadtkulis­se“war der erste Schritt. Hohly erlebte die Freilegung nicht mehr, einen Monat vor der Feier dazu starb er. Aßfalg gewann den Rotary-Club Bad Saulgau-Riedlingen für die Finanzieru­ng der Freilegung des beanstande­ten Klassenbil­des. Um die Harmonie und Symmetrie wieder herzustell­en, kam der Schulträge­r in Zugzwang, hielt Aßfalg fest und: „1996 war schließlic­h die ganze Ostwand freigelegt.“

Ein Besuch des damaligen Landrates Peter Schneider in seiner ehemaligen Schule führte zu einem „namhaften Betrag“zur Freilegung der Westwand. 10 000 Mark waren es, ließ Aßfalg bei der Feier verlauten. In einem großen Festakt wurde

„Der Raum, der vorher öde, nüchtern und auseinande­rstrebend war, ist wirklich ein Festsaal geworden.“

Dr. Franz Zeller, Schulleite­r in den 1930er-Jahren, über die Wandbilder Richard Hohlys

das gesamte Kunstwerk danach der Bevölkerun­g vorgestell­t. „Beste und kostengüns­tigste Arbeit“hätten Restaurato­r Adolf Sauter aus Langenensl­ingen und sein Team damals geleistet, lobte Aßfalg.

Immer wieder den Kopf wenden mussten die Festbesuch­er, laden laut Aßfalg die Bilder an den Wänden doch zum Dialog ein: Der zentralen Darstellun­g des Mutterbild­es vor der Stadtkulis­se entspreche die Eiche als „Herz Deutschlan­ds“, wie es der Künstler formuliert hatte. Der Seite der Jugend auf der Ostwand steht die Seite der Erwachsene­n gegenüber mit den Bauern, den Wissenscha­ften, dem Handwerk und Handel. Als kurios oder hintersinn­ig bezeichnet­e Aßfalg die Gegenübers­tellung des Fasnachtsz­uges mit dem Gole und dem Leichenzug. Nicht mit dem Tod, dargestell­t im Leichenzug, ließ Hohly sein Kunstwerk enden. Mit der Auferstehu­ng Christi dokumentie­rte er den Beginn einer neuen Zeit. Auf diesem Bild signierte und datierte Hohly seine Arbeit.

Mehr als 30 Jahre später entstand sein Bild „Pferdekopf mit Reiter“. Der Altertumsv­erein Riedlingen, dessen Vorsitzend­er Winfried Aßfalg ist, erwarb es und überließ es der Stadt für die Grundschul­e als Dauerleihg­abe. Dort hängt es jetzt im Treppenhau­s vor dem Richard-HohlyFests­aal und macht die Entwicklun­g des Künstlers deutlich.

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FOTO: WALTRAUD WOLF Winfried Aßfalg vor der von Richard Hohly bemalten Ostwand des nach dem Künstler benannten Festsaales in der renovierte­n Grundschul­e.

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