Schwäbische Zeitung (Riedlingen)
Eine Geschichte von der buckligen Verwandtschaft
Marcia Zuckermann liest auf Einladung der Werner-Dürrson-Stiftung aus ihrem Roman „Mischpoke!“
RIEDLINGEN (sz) - Die WernerDürrson-Stiftung lädt zu einer Lesung ins Kapuzinerkloster Riedlingen ein. Autorin Marcia Zuckermann stellt am Donnerstag, 9. November, ab 19.30 Uhr ihren Roman „Mischpoke!“vor, der sich frei auf die authentische Familienchronik stützt, auf 300 Jahre deutsch-jüdische, gelebte Geschichte.
„Es gibt im Hebräischen das Wort Mischpoche, das mit kehligem „Ch“ausgesprochen wird und ganz einfach ,Familie’ bedeutet“, erklärt Marcia Zuckermann. „Ich verwende Mischpoke mit „K“, das eher boshaft im Sinne von „buckliger Verwandtschaft“gebraucht wird. Es besagt, dass Familie meist keine Idylle, sondern schlimmstenfalls eine Leidensgemeinschaft ist.“
Nun spielt sich das Leben der Familie im Roman meist in Opposition zum herrschenden Zeitgeist ab: als Republikaner unter lauter kaisertreuen Untertanen, aber auch als Rebellen gegen jüdische Traditionen. Später geht es gegen den Militarismus, der zum Ersten Weltkrieg führte, gegen den Faschismus, wo dann der jüdische und der nicht-jüdische Teil der Familie im gemeinsamen Kampf zusammenfinden. Folgerichtig standen die Protagonisten auch gegen den „real existierenden Sozialismus“der DDR auf. Bindeglied ist die Erzählerin, die laut Zuckermann durchaus autobiographische Züge trägt.
Aber dieses Buch ist nicht nur eine jüdische Familiensaga der Familie Kohanim und der nichtjüdischen, adligen Familie von Güldner-Hanke, sondern macht auch 150 Jahre deutsche Geschichte aus der Perspektive der Opposition bis in die Jetztzeit erlebbar. Sie beginnt im Dorf Osche in Westpreußen und führt die Familienteile nach 1919, als Westpreußen nach dem Ersten Weltkrieg polnisch wurde, nach Berlin. Die Rahmengeschichte verweist nicht nur auf das Erbe des notorischen Widerspruchsgeistes dieser Familie, sondern schildert eindringlich auch die Verfasstheit der Nachfolgegeneration der Schoa-Überlebenden. Das alles schildert Marcia Zuckermann unsentimental in dem ihr ureigenen Stil ganz in jüdischer Erzähltradition, der Witz mit Dramatik und Tragik spannend vereint, in der kühnen Geisteshaltung der Familie: „Wir lachen dem Tod ins Gesicht!“
Verfilmung geplant
Das Buch hat inzwischen eine begeisterte Leserschaft gefunden und steht zwölf Monate nach Erscheinen vor seiner vierten Auflage. Im Mai 2018 wird ein Hörbuch in voller Länge vom Schweizer Hörbuchverlag „Hörkultur“produziert und die Schauspielerin Gesine Cukrowski wird das Buch einlesen. Eine hochwertige Verfilmung als Mehrteiler für das Fernsehen ist in Vorbereitung.
Marcia Zuckermann wurde 1947 geboren und wuchs als Tochter einer Familie aus traditionell oppositionellem, deutsch-jüdischem Milieu auf. Der Vater hat als politischer Gefangener die Haft von 1933 bis 1945 den Holocaust im KZ Buchenwald überlebt, die nicht-jüdische revolutionäre Mutter blieb im aktiven Berliner Widerstand unentdeckt. 1958 musste die Familie als kommunistische Dissidenten von Ost- nach West-Berlin fliehen.
In West-Berlin absolvierte Zuckermann das Gymnasium, arbeitete als Werbewirtin im Verlagswesen, später als Texterin. 1976/77 war sie Mitbegründerin und Geschäftsführerin der bis heute erfolgreichen Berliner Zeitschrift „Zitty“. 1978 begann sie als freie Autorin/Journalistin für TV, Funk und Presse zu arbeiten. Ihr Debüt als Schriftstellerin hatte sie 1999 mit dem Buch „Das vereinigte Paradies“, einem Wenderoman, der zeigte, dass sie Zeitgeschehen sehr literarisch mit sarkastischem Witz fesselnd verbinden kann. Der Eintritt ist frei. Anmeldung in der Ulrich’schen Buchhandlung in Riedlingen unter Telefon 07371/ 8843 oder per E-Mail an ulrichsche@t-online.de.