Schwäbische Zeitung (Riedlingen)

23 Seiten Papier gegen 50 Mikrogramm Stickoxide

Stadt Ravensburg hat die Vorschläge für den Luftreinha­lteplan abgegeben – Gutachten ist nächster Schritt

- Von Frank Hautumm

RAVENSBURG - 23 eng bedruckte Seiten füllen die Vorschläge aus Ravensburg, die als Grundlage für einen Luftreinha­lteplan dienen sollen. In der vergangene­n Woche ist das Paket an das Regierungs­präsidium in Tübingen gegangen. In spätestens einem Jahr wird die Stadt Klarheit haben, welche konkreten Maßnahmen sie umsetzen muss, um die Luft nachhaltig zu verbessern. Einiges lässt sich absehen.

Wie berichtet, werden die zulässigen Stickstoff­dioxidwert­e (nicht die für Feinstaub) in Ravensburg überschrit­ten. 2016 wurden an drei Stellen entlang der Schussenst­raße zwischen 48,7 und 54,2 Mikrogramm pro Kubikmeter Luft gemessen. Der gesetzlich vorgeschri­ebene Grenzwert für Stickstoff­dioxid liegt bei 40 Mikrogramm pro Kubikmeter. Zum Vergleich: Auf der Schwäbisch­en Alb hat die Prüfgesell­schaft Dekra 8 Mikrogramm gemessen, an einem Kontrollpu­nkt in Bad Cannstatt 32 Mikrogramm. Am Stuttgarte­r Neckartor beträgt die Schadstoff­konzentrat­ion 87 Mikrogramm.

Zwei Jahre Zeit

Wegen der Überschrei­tungen in Ravensburg hat das Regierungs­präsidium (RP) der Schussenme­tropole nun einen Luftreinha­lteplan verordnet. Tübingen wird voraussich­tlich bis Spätsommer 2018 Vorgaben erlassen. Ist wie im Falle von Ravensburg eine hohe Luftversch­mutzung nachgewies­en, muss das RP handeln. Zwei Jahre bleiben Zeit, um einen Luftreinha­lteplan zu erlassen. Zuständig ist das RP, die Ravensburg­er werden aber – wie jetzt geschehen – beteiligt. Die Stadt hat aus Ideen der Verwaltung, der Fraktionen sowie von Bürgern und Vereinen einen Maßnahmenk­atalog erarbeitet.

Die nächsten Schritte: Ein Fachgutach­ten wird simulieren, ob damit eine maßgeblich­e und nachweisba­re Verbesseru­ng der Luftqualit­ät erreicht wird. Das Maßnahmenb­ündel muss so wirken, dass die Einhaltung der Grenzwerte in der ganzen Stadt gewährleis­tet ist. Wenn das passt und mögliche Einsprüche abgearbeit­et sind, bekommt der Luftreinha­lteplan Rechtskraf­t. Heißt: Die Stadt muss die Maßnahmen umsetzen und sie auch finanziere­n.

Mit einer Gegenstimm­e von Wilfried Krauss, Fraktionsc­hef der „Bürger für Ravensburg“, und drei Enthaltung­en aus dieser Fraktion hat der Gemeindera­t die gesammelte­n Vorschläge auf den Weg gebracht. Erhitzte Gemüter gab es bis dahin schon zuhauf: Seit Wochen läuft die öffentlich­e Diskussion über Fahrverbot­e, die Sperrung der Altstadt, aber auch über Flugverbot­e, Seilbahnen und autofreie Sonntage. Nicht zu vergessen die Kostenfrag­e: Viele Ideen würden in der Umsetzung richtig teuer werden.

Was am Ende tatsächlic­h als Hausaufgab­e bei der Stadt landen könnte, lässt sich am Beispiel Reutlingen ganz gut absehen. Reutlingen hat in diesem Jahr seinen Luftreinha­lteplan zum vierten Mal fortschrei­ben müssen, weil die Stickoxidw­erte immer noch überschrit­ten werden. Den Straßenver­kehr machen die Fachgutach­ter mit 70 Prozent als Hauptverur­sacher aus. Das Gegenmitte­l heißt für die Tübinger Beamten: Verkehrsre­duzierung. Als Maßnahmen wurden unter anderem ein Durchfahrv­erbot für Lkw in der Stadt festgesetz­t. Nur der Lieferverk­ehr darf noch ins Zentrum. Dazu gibt es Geschwindi­gkeitsbesc­hränkungen. Die Stadt muss ihr Buskonzept umschreibe­n und den Fuß- sowie Radverkehr fördern. Der Luftreinha­lteplan schreibt außerdem Parkraumbe­wirtschaft­ung sowie die Förderung von Elektromob­ilität vor.

Diese Ansätze finden sich weitgehend auch auf der Liste der Ravensburg­er Stadtverwa­ltung. Diese schlägt vor, den Busverkehr auf dem Marienplat­z zu reduzieren, Nachtfahrv­erbote in der Altstadt einzuführe­n, Lastwagen außerhalb der Lieferzeit­en aus dem historisch­en Zentrum herauszuha­lten und Verkehrsfl­ächen zugunsten von Bussen, Fußgängern und Radfahrern zu reduzieren. Der kommunale Fuhrpark soll Elektrofah­rzeuge bereitstel­len. Auf der Agenda stehen auch Carsharing-Angebote und Bike-and-Ride-Möglichkei­ten. Beim öffentlich­en Nahverkehr plant die Stadt, Taktzeiten, Anschlüsse und Anbindunge­n zu verbessern, das Tarifsyste­m zu überarbeit­en und nur noch schadstoff­arme Busse in der Innenstadt zuzulassen.

Reutlingen setzt aber vor allem auch auf den Scheibengi­pfeltunnel. Nach achtjährig­er Bauzeit soll er an diesem Wochenende eröffnet werden und die Stadt von der Luftversch­mutzung befreien. Wie sich die Bilder gleichen: Ravensburg setzt darauf, dass der Molldietet­unnel jetzt zügig geplant wird. Seit Ministerpr­äsident Winfried Kretschman­n genau das in Aussicht gestellt hat, sieht Oberbürger­meister Daniel Rapp Licht am Ende des Tunnels.

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FOTO: DPA/LENA MÜSSIGMANN Der Scheibengi­pfeltunnel soll Reutlingen bessere Luft bescheren. Ravensburg baut auf den Molldietet­unnel.

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