Schwäbische Zeitung (Riedlingen)
23 Seiten Papier gegen 50 Mikrogramm Stickoxide
Stadt Ravensburg hat die Vorschläge für den Luftreinhalteplan abgegeben – Gutachten ist nächster Schritt
RAVENSBURG - 23 eng bedruckte Seiten füllen die Vorschläge aus Ravensburg, die als Grundlage für einen Luftreinhalteplan dienen sollen. In der vergangenen Woche ist das Paket an das Regierungspräsidium in Tübingen gegangen. In spätestens einem Jahr wird die Stadt Klarheit haben, welche konkreten Maßnahmen sie umsetzen muss, um die Luft nachhaltig zu verbessern. Einiges lässt sich absehen.
Wie berichtet, werden die zulässigen Stickstoffdioxidwerte (nicht die für Feinstaub) in Ravensburg überschritten. 2016 wurden an drei Stellen entlang der Schussenstraße zwischen 48,7 und 54,2 Mikrogramm pro Kubikmeter Luft gemessen. Der gesetzlich vorgeschriebene Grenzwert für Stickstoffdioxid liegt bei 40 Mikrogramm pro Kubikmeter. Zum Vergleich: Auf der Schwäbischen Alb hat die Prüfgesellschaft Dekra 8 Mikrogramm gemessen, an einem Kontrollpunkt in Bad Cannstatt 32 Mikrogramm. Am Stuttgarter Neckartor beträgt die Schadstoffkonzentration 87 Mikrogramm.
Zwei Jahre Zeit
Wegen der Überschreitungen in Ravensburg hat das Regierungspräsidium (RP) der Schussenmetropole nun einen Luftreinhalteplan verordnet. Tübingen wird voraussichtlich bis Spätsommer 2018 Vorgaben erlassen. Ist wie im Falle von Ravensburg eine hohe Luftverschmutzung nachgewiesen, muss das RP handeln. Zwei Jahre bleiben Zeit, um einen Luftreinhalteplan zu erlassen. Zuständig ist das RP, die Ravensburger werden aber – wie jetzt geschehen – beteiligt. Die Stadt hat aus Ideen der Verwaltung, der Fraktionen sowie von Bürgern und Vereinen einen Maßnahmenkatalog erarbeitet.
Die nächsten Schritte: Ein Fachgutachten wird simulieren, ob damit eine maßgebliche und nachweisbare Verbesserung der Luftqualität erreicht wird. Das Maßnahmenbündel muss so wirken, dass die Einhaltung der Grenzwerte in der ganzen Stadt gewährleistet ist. Wenn das passt und mögliche Einsprüche abgearbeitet sind, bekommt der Luftreinhalteplan Rechtskraft. Heißt: Die Stadt muss die Maßnahmen umsetzen und sie auch finanzieren.
Mit einer Gegenstimme von Wilfried Krauss, Fraktionschef der „Bürger für Ravensburg“, und drei Enthaltungen aus dieser Fraktion hat der Gemeinderat die gesammelten Vorschläge auf den Weg gebracht. Erhitzte Gemüter gab es bis dahin schon zuhauf: Seit Wochen läuft die öffentliche Diskussion über Fahrverbote, die Sperrung der Altstadt, aber auch über Flugverbote, Seilbahnen und autofreie Sonntage. Nicht zu vergessen die Kostenfrage: Viele Ideen würden in der Umsetzung richtig teuer werden.
Was am Ende tatsächlich als Hausaufgabe bei der Stadt landen könnte, lässt sich am Beispiel Reutlingen ganz gut absehen. Reutlingen hat in diesem Jahr seinen Luftreinhalteplan zum vierten Mal fortschreiben müssen, weil die Stickoxidwerte immer noch überschritten werden. Den Straßenverkehr machen die Fachgutachter mit 70 Prozent als Hauptverursacher aus. Das Gegenmittel heißt für die Tübinger Beamten: Verkehrsreduzierung. Als Maßnahmen wurden unter anderem ein Durchfahrverbot für Lkw in der Stadt festgesetzt. Nur der Lieferverkehr darf noch ins Zentrum. Dazu gibt es Geschwindigkeitsbeschränkungen. Die Stadt muss ihr Buskonzept umschreiben und den Fuß- sowie Radverkehr fördern. Der Luftreinhalteplan schreibt außerdem Parkraumbewirtschaftung sowie die Förderung von Elektromobilität vor.
Diese Ansätze finden sich weitgehend auch auf der Liste der Ravensburger Stadtverwaltung. Diese schlägt vor, den Busverkehr auf dem Marienplatz zu reduzieren, Nachtfahrverbote in der Altstadt einzuführen, Lastwagen außerhalb der Lieferzeiten aus dem historischen Zentrum herauszuhalten und Verkehrsflächen zugunsten von Bussen, Fußgängern und Radfahrern zu reduzieren. Der kommunale Fuhrpark soll Elektrofahrzeuge bereitstellen. Auf der Agenda stehen auch Carsharing-Angebote und Bike-and-Ride-Möglichkeiten. Beim öffentlichen Nahverkehr plant die Stadt, Taktzeiten, Anschlüsse und Anbindungen zu verbessern, das Tarifsystem zu überarbeiten und nur noch schadstoffarme Busse in der Innenstadt zuzulassen.
Reutlingen setzt aber vor allem auch auf den Scheibengipfeltunnel. Nach achtjähriger Bauzeit soll er an diesem Wochenende eröffnet werden und die Stadt von der Luftverschmutzung befreien. Wie sich die Bilder gleichen: Ravensburg setzt darauf, dass der Molldietetunnel jetzt zügig geplant wird. Seit Ministerpräsident Winfried Kretschmann genau das in Aussicht gestellt hat, sieht Oberbürgermeister Daniel Rapp Licht am Ende des Tunnels.