Schwäbische Zeitung (Riedlingen)

Der lange Abschied des Grenzgänge­rs

Bode Miller, der spektakulä­rste Skifahrer des Millennium­s, will sich auf die Familie konzentrie­ren

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LOS ANGELES (SID/dpa) - Bode Miller lag an jenem 6. Februar 2015 klar auf Siegkurs. Zweimal hatte er im Super-G-Rennen bei der Heim-WM in Vail/Beaver Creek schon die Zwischenbe­stzeit unterboten, ehe er kurz vor dem Ziel spektakulä­r stürzte und sich am Bein verletzte. Es war der letzte Auftritt des charismati­schen Amerikaner­s im alpinen SkiZirkus – und er passte irgendwie ins Bild des verrückten US-Boys, der immer seine Grenzen auslotete.

Jetzt, 998 Tage später, hat Miller auch offiziell das Ende seiner schillernd­en Karriere bekannt gegeben. „Ich bin fertig. Ich bin lange gefahren, aber ich habe kein Verlangen mehr danach“, sagte der 40-Jährige dem amerikanis­chen Sender NBC Sports. Außerdem habe er längst nicht mehr die Form, um im Weltcup mithalten zu können. Er sei „älter und fetter“geworden, scherzte er.

Die Familie habe nun klar Vorrang, ergänzte der Vater von vier Kindern. „Es wäre keine gute Idee, in meiner Situation, mit meinem Alter und all den Dingen, die in meinem Leben passieren, noch im Weltcup zu fahren. Ich könnte niemals die nötige Form erreichen und gleichzeit­ig ein guter Vater sein“, betonte Miller.

Nach vier Weltmeiste­rtiteln und sechs olympische­n Medaillen wird Miller, erfolgreic­hster amerikanis­cher Skifahrer, bei den Winterspie­len in Pyeongchan­g 2018 als Kommentato­r für den Fernsehsen­der arbeiten.

1998 hatte er in Nagano sein Olympia-Debüt gefeiert, 2010 in Vancouver holte er in der Super-Kombinatio­n seine einzige olympische Goldmedail­le. Mit Bronze in Sotschi 2014 wurde er der älteste olympische Medailleng­ewinner im alpinen Skisport.

Rebell mit riskantem Fahrstil

In Erinnerung neben all den Erfolgen und Medaillen bleibt aber auch der riskante Fahrstil von Miller. Zudem galt der Amerikaner als Exzentrike­r, als Rebell. Vor den Olympische­n Spielen 2006 hatte er etwa mit dem provokante­n Spruch „Vielleicht fahre ich nur hin, mache Party und trinke Bier“für reichlich Aufsehen gesorgt. Der „San Francisco Chronicle“ bezeichnet­e das Auftreten Millers, der in Turin dann auch ohne Medaille geblieben war, anschließe­nd als „die größte Pleite der olympische­n Geschichte“.

Überhaupt war das Verhältnis von Miller zu den US-Medien lange nicht das beste. So nannte ihn die „Chicago Tribune“einmal einen „nervtötend­en Langweiler, der zu heuchleris­ch anmutenden Aussagen neigt“. Wie auch immer: Als Skifahrer war Miller ein Ass.

Er bestritt im Laufe seiner Karriere insgesamt 438 Weltcup-Rennen, nur der Österreich­er Benjamin Raich ging häufiger an den Start (441). Seit seinem Einstand am 20. November 1997 in Park City mit Rang elf im Riesenslal­om holte Allrounder Miller 33 Weltcup-Siege und gewann 2005 sowie 2008 den Gesamtwelt­cup.

Zuletzt hatten sich die Anzeichen schon verdichtet, dass Miller, leidenscha­ftlicher Pferdezüch­ter, nicht noch einmal antreten wird. „Ich habe alles erlebt im Skifahren. Ich glaube, es macht wenig Sinn für mich, noch einmal zurückzuke­hren“, sagte er im Februar. Jetzt sei „das Business für mich meine neue Challenge. Und das Skifahren bringt mir auch geschäftli­ch nichts mehr.“Vor etwa einem Jahr hatte Miller Spekulatio­nen um ein Comeback nochmal angeheizt, weil er sich für eine neue Ski-Marke engagierte. Auch wegen eines Rechtsstre­its mit seinem alten Ausrüster kam es aber nicht mehr zu einem Start im Weltcup.

 ?? FOTOS: DPA ?? Sein letztes Rennen, sein letzter Sturz und sein ganzer Stolz: Bode Miller versucht beim Super G in Beaver Creek, das Gleichgewi­cht zu halten – umsonst. Sein inneres Gleichgewi­cht soll künftig seine Familie gewährleis­ten – rechts Söhnchen Sam.
FOTOS: DPA Sein letztes Rennen, sein letzter Sturz und sein ganzer Stolz: Bode Miller versucht beim Super G in Beaver Creek, das Gleichgewi­cht zu halten – umsonst. Sein inneres Gleichgewi­cht soll künftig seine Familie gewährleis­ten – rechts Söhnchen Sam.
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