Schwäbische Zeitung (Riedlingen)
„Bekömmlich“? Nächste Runde in Karlsruhe
Bundesgerichtshof verhandelt im Mai 2018 den Fall der Leutkircher Brauerei Härle
LEUTKIRCH - Im Streit der Leutkircher Brauerei Härle um den Begriff „bekömmlich“für einzelne Biersorten steht der Termin für die nächste Runde vor Gericht fest. Am Freitag bestätigte Geschäftsführer Gottfried Härle, der Bundesgerichtshof werde am Donnerstag, 17. Mai 2018, um neun Uhr mündlich über die vom Oberlandesgericht Stuttgart zugelassene Revision verhandeln. Ort demnach laut „Terminsnachricht“: I. Zivilsenat, Herrenstraße 45a, Saal H 123. „Mehr weiß ich auch noch nicht“, sagt Härle im Gespräch mit der „Schwäbischen Zeitung“.
Die vierte Runde vor Gericht im Ringen um eine Grundsatzentscheidung darüber, was in der Werbung für ein alkoholisches Produkt erlaubt ist und was theoretisch gegen EUVorgaben verstößt, ist damit eingeläutet. Nicht nur der Werbeauftritt der Leutkircher Brauerei, die aktuell ihre Produkte nicht mehr als „bekömmlich“bezeichnet, kommt damit auf den Prüfstand. Auch andere Brauereien warten mit Spannung auf das nächste Urteil.
Verfahren läuft seit Sommer 2015
„Wenn Bier in Deutschland nicht mehr als bekömmlich bezeichnet werden darf, dann stimmt doch etwas nicht.“So hatte sich im Sommer 2015 Gottfried Härle geäußert, nachdem seinem Unternehmen am 25. Juni eine einstweilige Verfügung zugestellt worden war. Der „Verband sozialer Wettbewerb“mit Sitz in Berlin hatte diese erwirkt. Und damit war der bundesweit viel beachtete Bierstreit gestartet worden.
Erste Instanz war das Landgericht Ravensburg, das über Härles Einspruch zunächst mündlich zu beraten hatte. Nach dem zweiten Verhandlungstag und der Urteilsverkündung berichtete die „Schwäbische Zeitung“: „Eine Portion trockenen Humors ist dem Vorsitzenden Richter Peter Balensiefen nicht fremd. Seine Zivilkammer habe keine subjektive Probe aufs Exempel gemacht, also Härles Bier nicht probiert.“Ganz zum Schluss kam von Balensiefen noch der Hinweis, die Prozessparteien sollten nach schriftlicher Zusendung des Urteils in Ruhe prüfen, ob sie es für bekömmlich oder für unbekömmlich hielten.
Grundsätzlich aber wurde in Ravensburg bestätigt: „Bekömmlich“sei eine gesundheitsbezogene Werbeaussage. Und wer diese treffe, der verstößt demnach gegen EU-Recht. Eine Verordnung aus dem Jahr 2006 verbiete jede Werbung mit Gesundheitsbezug für Getränke, die mehr als 1,2 Volumenprozent Alkohol aufweisen. In trockenem Juristendeutsch fasste Richter Balensiefen, so der Bericht, noch einmal zusammen, was die Kammer zu der Entscheidung bewogen habe. Die Bezeichnung eines Lebensmittels als „bekömmlich“bringe im allgemeinen Sprachverständnis bereits in seiner Hauptbedeutung dessen Verträglichkeit für den Körper und seine Funktionen zum Ausdruck und werde dabei als Synonym für das Wort „gesund“verwendet. Doch wer zu viel konsumiere, der schade seiner Gesundheit.
Vom Trinker zum Alkoholiker? Gottfried Härle fasste nach. Aber auch vor dem Oberlandesgericht in Stuttgart hatte er in der nächsten Instanz kein Glück. Seine Berufung gegen das Ravensburger Urteil wurde abgewiesen. Auch in Stuttgart begründete Richter Gerhard Ruf sein Urteil damit, das Wort bekömmlich sei eine „gesundheitsbezogene Angabe“. Konsumenten könnten den Eindruck erhalten, Härles Bier sei ihrer Gesundheit zuträglich oder weniger schädlich als andere Produkte. Doch eine Revision wurde zugelassen. Darüber wird nun im Mai 2018 der Bundesgerichtshof verhandeln.
Auf die Entscheidung des Gerichts ist auch der Verband der Privaten Brauereien in Deutschland gespannt. Deren Geschäftsführer Roland Demleitner sagte, es gebe auch andere Betriebe, die den Begriff verwendeten. Demleitner arbeitet neben seiner Tätigkeit für den Verband als selbstständiger Anwalt und vertrat auch schon Härle.
Aber was darf Werbung dem Kunden überhaupt versprechen? Im Bereich der Lebensmittel lege das die „Health Claims“-Verordnung fest, darauf verwies Christiane Manthey von der Verbraucherzentrale BadenWürttemberg. Wenn ein Hersteller sein Produkt als „fettarm“bezeichnen möchte, müsse er diese Werbeaussage zuvor beantragen und nachweisen, dass diese auch zutrifft.
Im aktuellen Fall geht es um „bekömmlich“. Nach der ersten Verfügung hat Gottfried Härle unter anderem, um höheren Strafen zu entgehen, im Sommer 2015 auf schon fertigen Etiketts den Begriff „bekömmlich“ausradieren lassen. Eine Prognose, wie der Spruch des Bundesgerichtshofs lauten könnte, gibt er am Freitag nicht ab.