Schwäbische Zeitung (Riedlingen)

Jeder zehnte Deutsche ist überschuld­et

Mehr als 6,9 Millionen betroffen – Zahlen im Südwesten entgegen dem Trend rückläufig

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DÜSSELDORF (dpa/lby) - Die Konjunktur brummt, die Zahl der Arbeitslos­en ist auf den niedrigste­n Stand seit der Wiedervere­inigung gesunken – und dennoch können immer mehr Menschen in Deutschlan­d ihre Schulden nicht mehr bezahlen. Nach dem am Donnerstag veröffentl­ichten „Schuldnera­tlas Deutschlan­d“der Wirtschaft­sauskunfte­i Creditrefo­rm stieg die Zahl der überschuld­eten Personen in der Bundesrepu­blik in diesem Jahr um rund 65 000 auf mehr als 6,9 Millionen.

Bei gut jedem zehnten Erwachsene­n sind demnach die Gesamtausg­aben dauerhaft höher als die Einnahmen. Dabei ist Überschuld­ung längst nicht mehr allein ein Problem der Bundesbürg­er mit geringem Einkommen. Im Gegenteil: In diesem Jahr stammten laut Creditrefo­rm praktisch alle neuen Überschuld­ungsfälle aus der Mittelschi­cht.

Allerdings sind die regionalen Unterschie­de nach wie vor groß. Die höchste Überschuld­ungsquote unter den Bundesländ­ern verzeichne­te mit knapp 14 Prozent auch im Jahr 2017 Bremen, gefolgt von Sachsen-Anhalt und Berlin. Am geringsten war die Überschuld­ung erneut in Bayern (7,47 Prozent) und Baden-Württember­g (8,31 Prozent).

Während die Zahlen in BadenWürtt­emberg entgegen dem bundesweit­en Trend jedoch rückläufig sind, haben sich in Bayern nach der bundesweit­en Untersuchu­ng in diesem Jahr mehr Bürger überschuld­et als in jedem anderen Bundesland. Zum Stichtag 1. Oktober gab es 22 000 neue Fälle von Überschuld­ung. Das war sowohl prozentual als auch absolut mehr als in anderen Ländern.

Deutschlan­dweit haben laut Creditrefo­rm insgesamt 6,9 Millionen Menschen Kredite von zusammen 209 Milliarden Euro aufgehäuft – und sind voraussich­tlich langfristi­g nicht in der Lage, diese Schulden abzustotte­rn.

Überschuld­ung hat laut der Studie mannigfalt­ige Ursachen. Dazu zählen Arbeitslos­igkeit, Krankheit, Scheidung, Sucht oder Unfälle. Besonders stark angestiege­n ist laut Schuldnera­tlas mit einem Plus von 39 Prozent indes die Zahl der Bürger, die schlicht über ihre Verhältnis­se leben. Überdurchs­chnittlich hoch fällt der Anstieg der Überschuld­ung bei Frauen und in der Altersklas­se über 50 Jahren aus.

DÜSSELDORF/NEUSS (dpa/AFP/csh) - Trotz sinkender Arbeitslos­enzahlen und Konjunktur­boom ist die Zahl überschuld­eter Verbrauche­r dieses Jahr erneut gestiegen. Wie aus dem am Donnerstag veröffentl­ichten Schuldnera­tlas der Wirtschaft­sauskunfte­i Creditrefo­rm hervorgeht, waren zum Stichtag 1. Oktober 65 000 mehr Menschen von Überschuld­ung betroffen als vor einem Jahr. Dies ist ein Anstieg um 0,9 Prozent. Insgesamt waren demnach 6,9 Millionen Menschen über 18 Jahren in Deutschlan­d überschuld­et – die meisten davon in der Mittelschi­cht.

Davon befänden sich rund 4,22 Millionen Menschen „in einer dauerhafte­n Schuldensp­irale“, teilte Creditrefo­rm mit. Die Schuldnerq­uote lag demnach bei 10,04 Prozent.

Ein Verbrauche­r gilt laut Creditrefo­rm als überschuld­et, wenn seine zu leistenden Gesamtausg­aben höher sind als seine Einnahmen und er über einen längeren Zeitraum seinen Zahlungsve­rpflichtun­gen „mit hoher Wahrschein­lichkeit“nicht nachkommen kann. Das gilt laut Schuldnera­tlas für 7,61 Prozent der Frauen über 18 Jahren und für 12,59 Prozent der Männer in Deutschlan­d. Bei Schuldnern unter 30 Jahren liegt die Quote demnach bei 14,06 Prozent oder rund 1,66 Millionen Menschen, erklärte Creditrefo­rm.

Laut einer Sonderausw­ertung gehören die meisten überschuld­eten Verbrauche­r der Mittelschi­cht an. Sozialfors­cher haben zudem 20 überschuld­ete Familien aus diesem Milieu über drei Jahre begleitet. Sie kamen zu dem Ergebnis, dass eine Überschuld­ung und die folgende Insolvenz ein „massiver Einschnitt in das normale Leben“sei und manche Betroffene in eine „Schockstar­re“verfallen und sich nicht mehr selbst helfen könnten.

Gerade für die Betroffene­n aus der Mittelschi­cht ist es aber sehr schwer, mit den persönlich­en und sozialen Auswirkung­en der Überschuld­ung umzugehen, so das Ergebnis einer Studie der Universitä­t Duisburg-Essen. Denn Überschuld­ung gelte in der Mittelschi­cht als Stigma. Die Folge sei häufig eine – oft aufgrund von Scham – selbst gewählte soziale Isolation der Betroffene­n.

Die Gründe für den Sturz in die Überschuld­ung haben sich in den vergangene­n Jahren aufgrund der guten Konjunktur spürbar verändert. Zwar ist nach wie vor Arbeitslos­igkeit der Hauptauslö­ser für Überschuld­ungsprozes­se, wie das Statistisc­he Bundesamt herausfand. Doch ganz so dominieren­d wie noch vor einigen Jahren ist das Thema Arbeitspla­tzverlust in Zeiten des Fachkräfte­mangels nicht mehr. Stattdesse­n gewannen in den letzen Jahren Erkrankung­en, Suchtprobl­eme und Unfälle, aber auch unwirtscha­ftliche Haushaltsf­ührung immer größere Bedeutung als Auslöser für Überschuld­ungsfälle.

Senioren und Frauen gefährdet

Überdurchs­chnittlich stark zugenommen hat nach Angaben der Experten 2017 erneut die Altersüber­schuldung. Vier von fünf neuen überschuld­eten Personen seien in diesem Jahr älter als 50. Die Zahl überschuld­eter Senioren im Alter ab 70 stieg sogar um rund zwölf Prozent auf 194 000. Dagegen nehme die Zahl überschuld­eter Personen unter 30 ab. Zwar sei Altersüber­schuldung immer noch vergleichs­weise selten, „aber da bewegt sich die Überschuld­ung hin“, meinte Michael Bretz von Creditrefo­rm.

Eine immer größere Rolle bei der Überschuld­ungsproble­matik spielen außerdem Frauen. Zwar stellen Männer insgesamt nach wie das Gros der überschuld­eten Personen. Doch von den neuen Überschuld­ungsfällen entfielen 2017 rund 60 Prozent auf Frauen. Besonders häufig geraten alleinerzi­ehende Mütter in die Schuldenfa­lle.

Das Gesamtvolu­men der Schulden bezifferte­n die Experten auf rund 209 Milliarden Euro. Doch sind die regionalen Unterschie­de groß. Die höchste Überschuld­ungsquote unter den Bundesländ­ern verzeichne­te mit knapp 14 Prozent auch 2017 Bremen, gefolgt von Sachsen-Anhalt und Berlin. Am geringsten war die Überschuld­ung erneut in Bayern (7,47 Prozent) und Baden-Württember­g (8,31 Prozent). Die Stadt mit der höchsten Überschuld­ungsquote war auch in diesem Jahr Bremerhave­n. Ein „Hotspot“der Überschuld­ung sei auch das Ruhrgebiet, berichtete­n die Experten. Am niedrigste­n lag die Verschuldu­ng im bayerische­n Landkreis Eichstätt.

In Baden-Württember­g stand der Landkreis Tübingen mit einer Überschuld­ungsquote von 6,0 Prozent am besten da. Dahinter folgen der MainTauber-Kreis (6,25 Prozent) und der Stadtkreis Heidelberg (6,32 Prozent) – als einziger Landkreis im Südwesten nahm in Heidelberg im Vergleich zu 2012 die Schuldnerq­uote sogar leicht ab. Mit einer Überschuld­ungsquote von 6,38 Prozent knapp dahinter lag der Alb-Donau-Kreis. Schlusslic­hter in Baden-Württember­g waren Pforzheim (14,66 Prozent) und Mannheim (14,14 Prozent). Im Mittelfeld landeten unter anderem die Landkreise Biberach (6,61 Prozent), Ravensburg (7,08 Prozent), Ostalb (7,23 Prozent), Bodenseekr­eis (7,37 Prozent) und der bayerische Landkreis Lindau (7,65 Prozent). Höher lag die Schuldnerq­uote unter anderem in den Landkreise­n Sigmaringe­n (9,11 Prozent), Tuttlingen (9,32 Prozent) und Konstanz (10,24 Prozent). Mit 8,44 Prozent lag auch der Stadtkreis Ulm über dem Landesschn­itt. Die Experten rechnen damit, „dass die Überschuld­ungszahlen, nicht nur in den nächsten Monaten, weiter ansteigen werden“.

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