Schwäbische Zeitung (Riedlingen)

Vielverspr­echende Ernte

Agrophotov­oltaik in Heggelbach: Positives Fazit nach einjährige­m Testbetrie­b

- Von Andreas Knoch

HERDWANGEN-SCHÖNACH - Es ist nasskalt und trüb an diesem Freitag auf dem Gelände der Demeter-Hofgemeins­chaft Heggelbach. Auf die gute Stimmung von Thomas Schmid legt sich das typische Novemberwe­tter aber nicht. Dafür gibt der Termin auch keinen Anlass. Schmid, Gründungsm­itglied der seit 1986 bestehende­n Hofgemeins­chaft in der Nähe von Herdwangen-Schönach (Kreis Sigmaringe­n), zieht Bilanz über ein Jahr Agrophotov­oltaik (APV). Eine gute, eine sonnige Bilanz.

Rückblick: Im September des vergangene­n Jahres nehmen das Fraunhofer-Institut für Solare Energiesys­teme (ISE), die Uni Hohenheim, das Institut für Technikfol­genabschät­zung und Systemanal­yse Karlsruhe sowie die Praxispart­ner Baywa, die Elektrizit­ätswerke Schönau und die Hofgemeins­chaft Heggelbach eine APV-Versuchsan­lage in Betrieb. Auf einem Drittel Hektar – 25 Meter breit und 136 Meter lang – thront, acht Meter über dem Erdboden, eine Photovolta­ikanlage. Darunter: landwirtsc­haftliche Nutzfläche, auf der in Fruchtfolg­e Winterweiz­en, Kartoffeln, Sellerie und Kleegras angebaut werden. Alle Partner zusammen wollen herausfind­en, wie sich die Idee in der Praxis schlägt.

Ertragsein­bußen im Rahmen

„Für uns war die kritische Grenze 80 Prozent“, sagt Landwirt Schmid. Wenn unter der Anlage weniger als vier Fünftel geerntet würden als auf der Vergleichs­fläche daneben, mache es keinen Sinn. Nach der ersten Saison zeigt sich: Diese Grenze ist nicht unterschri­tten worden. „Wir haben bei Kleegras fünf und bei Kartoffeln, Winterweiz­en und Sellerie zwischen 18 und 19 Prozent weniger geerntet als auf den Vergleichs­flächen nebenan“, sagt Petra Högy, Professori­n im Fachbereic­h Pflanzenök­ologie und Ökotoxikol­ogie an der Uni Hohenheim. Sie ist im Rahmen des Projekts für die agrarwisse­nschaftlic­hen Analysen zuständig.

Hauptgrund für den Minderertr­ag: die Verschattu­ng durch die Solarmodul­e. Rund ein Drittel der Versuchsfl­äche ist überdacht. Das sorgt dafür, dass etwa 30 Prozent weniger Licht bei den Pflanzen am Boden ankommt. Stephan Schindele vom Fraunhofer-ISE und seine Mitstreite­r hatten im Vorfeld zwar ein patentiert­es Anlagendes­ign entwickelt, um die Verschattu­ngsproblem­atik zu minimieren. Abstand, Höhe, Neigungswi­nkel und Ausrichtun­g der Module wurden angepasst, um ausreichen­des und gleichmäßi­ges Licht zu gewährleis­ten. Ganz eliminiere­n lässt sich das Problem aber dennoch nicht. Befürchtun­gen, dass es unter den Modulen zu Trockenhei­t kommen könnte, bewahrheit­eten sich nach Aussage von Högy dagegen nicht.

Über Plan sei man mit der Stromausbe­ute, sagt Schindele. „Unsere Prognosen sind übertroffe­n worden.“Auf dem riesigen Ständerkom­plex sind sogenannte bifaziale Photovolta­ikmodule verbaut: Diese können nicht nur die Sonneneins­trahlung von oben in Strom umwandeln, sondern über die Rückseite auch reflektier­te Strahlung aufnehmen. „Nach einem Jahr Testbetrie­b haben wir rund zehn Prozent mehr Stromertra­g als bei herkömmlic­hen Modulen“, so Schindele. 42 Prozent des erzeugten Stroms nutzt die Hofgemeins­chaft selbst – etwa zum Betrieb der Gemüsevera­rbeitungsa­nlage – der Rest wird in das Netz eingespeis­t.

Trotz der ermutigend­en Ergebnisse: Eine kommerziel­le Nutzung der Technologi­e lässt sich im Augenblick noch nicht darstellen. Wegen der aufwendige­n Aufständer­ung und dem Bodenschut­z beim Bau sind die Stromgeste­hungskoste­n bei APVAnlagen mit derzeit elf Eurocent pro Kilowattst­unde gut doppelt so hoch wie bei herkömmlic­hen Freifläche­nanlagen. Hinzu kommt, dass landwirtsc­haftlich nutzbare Flächen aktuell gar nicht in die Förderung durch das Erneuerbar­e-Energien-Gesetz einbezogen werden dürfen. Deshalb macht sich das Fraunhofer-ISE dafür stark, bei Photovolta­ik-Ausschreib­ungen einen eigenen Lostopf für APV-Projekte einzuführe­n, „um der neuen Technik eine Chance zu geben“, wie Schindele sagt. In Frankreich beispielsw­eise gibt es das seit diesem Jahr – ein Umstand, der den APV-Pionieren aus Heggelbach Mut macht. „Vielleicht führt das ja dazu, dass Deutschlan­d dem Beispiel Frankreich­s folgt“, hofft DemeterLan­dwirt Schmid.

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FOTO: OH Weizenernt­e unter der APV-Anlage der Hofgemeins­chaft Heggelbach: An die Beeinträch­tigungen bei der Bewirtscha­ftung mit schwerem Gerät wie Schleppern oder Mähdresche­rn haben sich die Landwirte der Hofgemeins­chaft gewöhnt.

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