Schwäbische Zeitung (Riedlingen)
Neues System, gute Ansätze
England und Deutschland trennen sich 0:0 in Wembley – Sané verpasst Premierentor knapp
LONDON (SID) - Gut angefangen, stark nachgelassen – in einem Länderspiel-Klassiker der Experimente haben Joachim Löw und die deutschen Weltmeister in Wembley dennoch wichtige Erkenntnisse für die WM gewonnen. Mit neuem System und guten Ansätzen reichte es gegen den verletzungsgeplagten Erzrivalen England im legendären Londoner Stadion trotz hochkarätiger Möglichkeiten, vor allem in der ersten Halbzeit, aber nur zu einem 0:0.
Obwohl die DFB-Elf zum Auftakt der heißen Vorbereitungsphase den siebten Sieg in Folge in England verpasste, kann der Bundestrainer zufrieden sein: Der Test der 3-4-3-Taktik verlief ungeachtet einiger Abstimmungsprobleme ordentlich, Ilkay Gündogan kehrte mit einer ansprechenden Leistung zurück, Debütant Marcel Halstenberg fügte sich gut ein. Zudem blieb der Weltmeister zum 20. Mal in Folge ohne Niederlage – längere Erfolgsserien gab es in der DFB-Geschichte nur zweimal.
„Beide Mannschaften haben versucht, in der Defensive sehr diszipliniert zu stehen“, so Bundestrainer Joachim Löw im ZDF, der mit seinen Rückkehrern und Debütant Marcel Halstenberg sehr zufrieden war. Doch vor allem das schnelle Umschaltspiel hätte sich Löw ausgeprägter gewünscht. Zudem seien viele Automatismen aus verschiedenen Gründen ausbaufähig.
Kuriose Dreifach-Chance
Nur mit dem Siegtor klappte es nicht: Leroy Sané traf die Querlatte (20.), einen weiteren Sané-Schuss klärte Phil Jones bei einer kuriosen Dreifach-Chance mit dem Kopf auf der Torlinie (23.), Timo Werner scheiterte alleine denkbar knapp an Torhüter Jordan Pickford (39.).
Löw hatte den 95. Debütanten seiner Amtszeit auf den Rasen geschickt: Halstenberg von RB Leipzig spielte im linken Mittelfeld – an der Seite von Gündogan, der nach einjähriger Zwangspause gleich wieder in der Startelf stand. Etwas überraschend verteidigte Matthias Ginter rechts in der Dreierkette.
Löw war also schon experimentierfreudig, doch Englands Trainer Gareth Southgate übertraf ihn bei weitem. Drei Debütanten stellte der frühere Nationalspieler auf, teils notgedrungen, weil ihm zahlreiche Stars fehlten – darunter Harry Kane, Dele Alli und Raheem Sterling. So kamen Pickford, Ruben Loftus-Cheek im Mittelfeld und Tammy Abraham im Sturm zum ersten „cap“. Die englische Startelf brachte es insgesamt auf 101 Länderspiele, nur 15 mehr als Mesut Özil alleine.
Nach einer Gedenkminute für die Kriegstoten am „Remembrance Day“wirbelten die Engländer zunächst los, bald bestimmte aber die deutsche Mannschaft das Spiel. Sicherheit ging vor Risiko, bis der auffällige Sané aus 17 Metern den Ball an die Unterkante der Latte schlenzte. Der Ball prallte deutlich vor der Linie auf. Der Video-Assistent musste nicht eingreifen. Deutschland drückte, die Rädchen besonders im Mittelfeld griffen gut ineinander.
Im deutschen Spiel gab es in Hälfte zwei einen unerklärlichen Bruch. England war die bessere Mannschaft, ohne sich entscheidend durchsetzen zu können. Auf deutscher Seite lief offensiv nicht mehr viel zusammen. „Mit einem Unentschieden können wir zufrieden sein und mit der letzten Chance der Engländer hatten wir dann auch Glück“, so Debütant Marcel Halstenberg, der seinen Einstand als „gar nicht schlecht“einstufte. Sané blieb bei seiner Auswertung nüchtern und pragmatisch: „Wenn wir die drei Tore machen, dann ist das Spiel ruhiger für uns.“
Das dürfte dann auch beim zweiten Spiel der „Woche der Klassiker“am Dienstag (20.45 Uhr/ARD) in Köln gegen Frankreich so sein.