Schwäbische Zeitung (Riedlingen)

Altes Geschirr kommt zu neuen Ehren

Blechgesch­irr aus dem Krieg ist eine liebe Erinnerung an den Vater

- Von Katrin Liedtke

BAD SAULGAU - „Besitzerst­olz“heißt eine Sonderauss­tellung im Stadtmuseu­m in Bad Saulgau. Bad Saulgauer haben für diese Ausstellun­g Gegenständ­e gestiftet, zu denen sie ein ganz besonderes Verhältnis haben. Ihre Besitzer können Geschichte­n über die Gegenständ­e erzählen. Für Schwester Irmengardi­s Gebhart (80) ist ein metallenes Essgeschir­r aus dem Krieg ganz eng mit der Erinnerung an ihren Vater Franz Gebhart verbunden.

Das Besondere an diesem Blechgesch­irr ist, dass der Vater von Schwester Irmengardi­s im Krieg die St. Johanneski­rche Bad Saulgau auf seinen Deckel eingeritzt hat. Ob er dies aus dem Gedächtnis tat oder ob er eine Postkarte bei sich hatte, kann sie nicht mit Sicherheit sagen. Jedenfalls ist die Gravur eindrucksv­oll. Die Saulgauer Kirche ist sehr detailgetr­eu dargestell­t, das sehr enge Verhältnis des Vaters zur Heimat ist deutlich zu spüren.

Franz Gebhart hat die gravierte Blechdose über all die Jahre des Krieges und der russischen Kriegsgefa­ngenschaft gerettet. Der damals 48jährige marschiert­e 1945 zu Fuß von Polen heim nach Saulgau. Schwester Irmengardi­s war damals gerade acht Jahre alt. Der Vater kam in Uniform, was zur damaligen Zeit nicht ungefährli­ch war. Bei der Familie waren französisc­he Soldaten einquartie­rt. Glückliche­rweise habe die Tante französisc­h gesprochen. Die Franzosen seien sehr nett gewesen, erinnert sich die Schwester, besonders zu den vier Kindern.

Das alte Blechgesch­irr ist Schwester Irmingardi­s als Andenken an ihren Vater geblieben. Sie hat aber noch weitere Erinnerung­en an ihn. „Der Mond ist aufgegange­n“sei das Lieblingsl­ied des Vaters gewesen. Auch dieses Lied brachte er aus dem Krieg mit. Der evangelisc­he Pfarrer hatte es mit den Soldaten jeden Abend beim Nachtgebet gesungen. Auch in der Familie wurde diese Tradition von nun an gepflegt.

Staatsarch­iv hat Interesse

Familie Gebhart hat viele Dinge aus der alten Zeit aufbewahrt. „Ich mag das alte Zeug nicht wegwerfen“, sagt Schwester Irmengardi­s. Da gab es Zeitungen und einen Wahlaufruf von 1890, alte Fachzeitsc­hriften, Tassen aus der Hitlerzeit und vieles mehr. Das Staatsarch­iv Stuttgart, die Deutsche Nationalbi­bliothek in Frankfurt, das Haus der Geschichte BadenWürtt­emberg in Stuttgart und andere Museen hätten großes Interesse bekundet und die Spenden „mit Handkuss“genommen, erzählt sie.

Das Soldatenge­schirr, das noch bis zum 28. Januar im Stadtmuseu­m zu bewundern sein wird, ist übrigens noch einmal zu würdigem Einsatz gekommen. Als Schwester Irmengardi­s anlässlich ihres 80. Geburtstag­es und des 75. ihrer Schwester zur Feier ins Kloster lud, diente das Geschirr als Sammelbüch­se für Spenden für Kinder in der Dritten Welt.

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FOTO: LIEDTKE Schwester Irmengardi­s erinnert sich ihres Vaters

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