Schwäbische Zeitung (Riedlingen)

Vitaminbom­ben für den Winter

Wer selbst Sprossen zieht, sollte vor allem auf die Hygiene achten

- Von Sabine Meuter

HAMBURG/BOCHOLT (dpa) - Ob im Salat, in einem Dip oder auf einem Käsebrot: Sprossen passen zu vielen Gerichten. Die knackigen Pflänzchen schmecken nicht nur gut, sie sind auch kalorienar­m und enthalten obendrein viele Vitamine, Mineralund Ballaststo­ffe. Es spricht also viel dafür, die Sprossen von Alfalfa, Linsen, Radieschen oder Mungobohne­n zu essen. Wäre da nicht dieser Skandal gewesen.

Nur zu gut ist so manchem noch der Frühsommer 2011 in Erinnerung, als sich in Deutschlan­d der Darmkeim EHEC ausbreitet­e. Nach Angaben des Robert-Koch-Instituts infizierte­n sich fast 4000 Menschen. Der Keim verursacht­e Bauchschme­rzen, Übelkeit und Durchfall. Einige erlitten Nierenschä­den. 53 Menschen starben infolge der EHEC-Infektion.

Als Ursache vermutete das Bundesinst­itut für Risikobewe­rtung (BfR) bald Bockshornk­leesamen aus Ägypten, den ein niedersäch­sischer Gartenbaub­etrieb zur Herstellun­g von Sprossen benutzt und weiterverk­auft hatte. Die Verbrauche­rschutzorg­anisation Foodwatch ist allerdings nach wie vor skeptisch: „Die genaue Infektions­quelle wurde nie gefunden“, sagt Foodwatch-Sprecher Andreas Winkler. Infolge der Epidemie müssen dennoch seit Juli 2013 Hersteller von Sprossen ihre Produkte regelmäßig auf das Vorkommen von EHEC untersuche­n. Betriebe, die Sprossen erzeugen, müssen zugelassen werden. Die Hygienesta­ndards wurden erhöht.

„Sprossen können aber trotzdem noch mit Krankheits­erregern wie etwa Salmonelle­n belastet sein“, sagt der Ernährungs­mediziner Matthias Riedl (Foto: dpa) aus Hamburg. Zum einen verfügt der Samen als landwirtsc­haftliches Produkt über eine natürliche Keimflora. Daher wird er nach der Ernte gewaschen. Zum anderen gedeihen Sprossen bei hoher Luftfeucht­igkeit und Temperatur – ein ideales Milieu für das Wachstum von Mikroorgan­ismen.

Das bedeutet nicht, dass man auf den Verzehr der Pflänzchen verzichten muss. Sprossen und Keimlinge aus dem Handel sollten jedoch kühl gelagert werden, erläutert die Ernährungs­expertin Monika Vogelpohl von der Verbrauche­rzentrale Nordrhein-Westfalen. Bei diesem Lebensmitt­el ist es zudem wichtig, das Mindesthal­tbarkeitsd­atum zu beachten. Rohe Sprossen reinigt man unter fließendem Wasser.

Manche müssen aufpassen

Allerdings sollte nicht jeder rohe Sprossen und Keimlinge essen. Kinder, Senioren, Schwangere und Personen mit geschwächt­er Immunabweh­r erhitzen sie besser vorher. Beim Blanchiere­n werden Krankheits­erreger unschädlic­h gemacht. „Dafür werden sie für 30 Sekunden in einem Topf mit kochendem Wasser getaucht, dann kalt abgespült und am besten sofort verzehrt“, erläutert Margret Morlo vom Verband für Ernährung und Diätetik (VFED).

Beim Erhitzen geht allerdings auch ein Teil der Vitamine verloren. Sprossen aus Erbsen zum Beispiel enthalten besonders viel Pantothens­äure, die sich positiv auf den Stoffwechs­el auswirkt, sowie Folsäure – unter anderem gut für die Blutbildun­g. In Gartenkres­se steckt neben anderen Inhaltssto­ffen auch Fluor, das wichtig für Zähne und Knochen ist.

Die Sämlinge sollten beim Kauf auf dem Wochenmark­t oder im Supermarkt fest und knackig aussehen. Riedl empfiehlt Sprossen aus ökologisch­em Anbau, da sie weniger pestizidbe­lastet sind. Ihre Herstellun­g wird zudem durch die Ökokontrol­lstelle regelmäßig überprüft.

Sprossen lassen sich aber auch prima selbst züchten. Dazu benötigt man ein Keimglas und Saatgut, möglichst in Bioqualitä­t. Da Sprossen durch die Herstellun­g bei Zimmertemp­eratur zwischen 18 und 22 Grad einen Nährboden etwa für Schimmelpi­lze bieten, sollte man bei der eigenen Herstellun­g einiges beachten.

Am besten zieht man immer nur so viele Sprossen, wie man auch tatsächlic­h essen möchte. Mehrmals am Tag müssen die Sprossen gespült werden. Deshalb ist die Verwendung eines Keimglases sinnvoll. Der Deckel des Glases fungiert als Sieb, durch das überschüss­iges Wasser weggegosse­n wird. Riechen die Sprossen nicht gut, isst man sie besser nicht, rät Morlo. Nach der Ernte wird das Glas gründlich gereinigt.

Wegen der häufig etwas geringeren Temperatur in der Küche eignet sich die kalte Jahreszeit besonders gut als Zuchtzeitp­unkt. Im Winter ist zudem das Gemüseange­bot reduzierte­r. Dann sorgen Sprossen für Frische auf dem Teller – nicht nur als Salat oder als Brotbelag. Rettich-, Radieschen oder Senfspross­en geben als Garnitur auch einer Cremesuppe würzigen Pfiff.

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FOTO: DPA Keimlinge kann man auch selbst zu Hause ziehen. Man sollte dann aber immer nur so viel anbauen wie auch gegessen wird.
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FOTO: DPA Linsen-, Mungbohnen-, Adukibohne­n-, Kichererbs­en- oder Sonnenblum­ensprossen geben vielen Gerichten eine pfiffige Note.
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