Schwäbische Zeitung (Riedlingen)

Superstar und Liebling der Kunstwelt

Jean-Michel Basquiat starb mit 27 an einer Überdosis Heroin – In London werden Werk und Leben des Künstler gezeigt

- Von Anna Tomforde

LONDON (dpa) - Jean-Michel Basquiat hat nie eine Kunstakade­mie besucht, wegen spitzbübis­cher Streiche flog er von der Schule. Und dennoch: Heute, fast 30 Jahre nach seinem frühen Drogentod 1988, ist der New Yorker Künstler ein Superstar. Seine Werke werden zu schwindele­rregenden Summen verkauft. Die meisten sind in Privatbesi­tz und sind jetzt erstmals seit seinem Tod zu sehen.

Nächstes Jahr in Frankfurt

Das Barbican-Centre in London präsentier­t unter dem Titel „Basquiat: Boom for Real“sein Leben und Werk. Die Schau ist bis zum 28. Januar zu sehen. Sie wird dann anschließe­nd vom 16. Februar bis 27. Mai 2018 in der Schirn-Kunsthalle in Frankfurt gezeigt.

„Es ist ein großes Privileg, die Werke im Original zu sehen“, sagte der österreich­ische Kunsthisto­riker und Gast-Kurator Dieter Buchhart zur Eröffnung in London. „Basquiat war zu seinen Lebzeiten jemand, der Grenzen aufgebroch­en hat. Er ist der erste afro-amerikanis­che Künstler, der zum Star aufstieg.“Als der jüngste Künstler überhaupt nahm der damals 21 Jahre alte Basquiat im Jahr 1982 an der documenta 7 in Kassel teil.

Neue Denkbahnen

Nach Einschätzu­ng von Buchhart hat Basquiat durch seine Energie, seine „einzigarti­gen Linien“und die „Art, wie er Wörter verwendet“neue Denkbahnen eröffnet. „Sein copyund-paste-Ansatz reflektier­t, wie wir heute denken“, sagt er zu den mit Textfragme­nten durchsetzt­en Collagewer­ken.

Mit seinen klaren Aussagen zu Fragen wie Rassismus, Kolonialis­mus, sozialem Unrecht oder Sklaverei habe Basquiat dem Betrachter neue Zusammenhä­nge eröffnet. Und das sei schließlic­h heute wichtiger als je.

„Ich habe nie eine Kunstakade­mie besucht, sondern ich habe nur hingeschau­t“, sagte Basquiat einmal über sich selbst. Und das tat der Autodidakt gründlich. „Er sog alles um sich herum auf“, sagte Buchhart. In seinem kurzen Leben gewann Basquiat die Freundscha­ft und Bewunderun­g von Pop-Größen wie Andy Warhol (1928-1987). Seine Themen waren die Kunst und Musik des afro-amerikanis­chen New York der späten 1970erund 1980er-Jahre. Seine Helden waren die Jazzmusike­r Miles Davis und Louis Armstrong, der Boxer Jack Johnson und der Olympiasie­ger Jesse Owens. Hip-Hop Musik im Studio, TV-Comics und Stummfilme waren Quellen seiner Inspiratio­n.

Von seinem ersten Treffen mit Warhol war Basquiat so angetan, dass er innerhalb von zwei Stunden ein Doppelport­rät der beiden Künstler bei dem Pop-Art-Meister ablieferte, das in London zu sehen ist. „Die Farbe war noch feucht“, heißt es. In der „New York Times“wurde Basquiat seinerzeit als das „Maskottche­n“von Warhol bezeichnet.

Die Ausstellun­g mit über 100 Werken zeigt die Anfänge Basquiats als Graffitima­ler und radikal-alternativ­er Straßenkün­stler. Postkarten­kunst und eine mit Unterschri­ften und Kritzeleie­n übersäte Kühlschran­k-Installati­on „Fun Fridge“) sind zu sehen. Es folgen eindringli­che, von afrikanisc­hen Masken beeinfluss­te Selbstport­räts, die die Suche nach Identität nahelegen.

Hommage an den Jazz

Die Frage, wie der Künstler mit Ruhm umgeht, beschäftig­te Basquiat. „Er machte sich Gedanken über die Belastung durch Ruhm. Vielleicht hatte er schon eine Vorahnung, was kommen würde“, sagte Kuratorin Eleanor Nairne. Basquiats letztes Werk, „King Zulu“(1986), eine Hommage an den Jazz, bildet den Schlusspun­kt der Ausstellun­g.

Notizblöck­e, Gedichte und Nachschlag­ewerke machen deutlich, dass Basquiat hart an seiner Karriere arbeitete. Das Werk „Leonardo da Vinci’s Greatest Hits“beruht auf dem Studium von da Vincis anatomisch­en Skizzen. Das Riesengemä­lde „Jesse“ist in Anspielung auf die Berliner Olympiade von 1936 mit zwei Hakenkreuz­en versehen. Ein Buch über afrikanisc­he Felszeichn­ungen und historisch­e Enzyklopäd­ien waren in seinem Besitz, ebenso wie Lektüre über den Maler Tizian.

Basquiat zählte neben amerikanis­chen Künstlern wie Warhol, Jackson Pollock, Roy Lichtenste­in und Robert Rauschenbe­rg auch Henri Matisse und Pablo Picasso zu seinen Helden. Der Spanier ist von ihm, in typisch eckigen Formen, im Pullover in rot-weißem Breton-Streifen verewigt. Gleich siebenfach malte Basquiat in Großbuchst­aben den Namen Picasso auf die Leinwand.

Die Ausstellun­g „Basquiat: Boom for Real“läuft in London im Barbican-Centre noch bis 28. Januar. Eintritt: 16,50 Pfund (18 Euro). Danach ist sie vom 16. Februar bis 27. Mai 2018 in der Schirn-Kunsthalle Frankfurt zu sehen. Internet: www.barbican.org, www.schirn.de

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Basquiat hat auch den legendären New Yorker „Club 57“mitgestalt­et – unlängst wurde eines seiner Gemälde (re.) in New York bei Sotheby's für 110,5 Millionen Dollar versteiger­t.
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FOTOS: DPA

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