Schwäbische Zeitung (Riedlingen)

Spahn bringt Minderheit­sregierung ins Spiel

Unionsfrak­tionschef Volker Kauder setzt SPD bei Zuwanderun­g unter Druck

- Von Andreas Herholz

BERLIN -Auseinande­rsetzungen, rote Linien und gegenseiti­ge Drohungen, noch bevor überhaupt das erste Gespräch über eine mögliche Regierungs­bildung stattgefun­den hat – Union und SPD grenzen sich ab, formuliere­n ihre Bedingunge­n für eine Neuauflage der Großen Koalition.

Unionsfrak­tionschef Volker Kauder hat die Vorstellun­g zurückgewi­esen, die SPD könne die Union als Preis für eine Regierungs­beteiligun­g zu massiven Zugeständn­issen zwingen. „Wie damals werden wir jetzt vernünftig mit der SPD sprechen“, sagte der CDU-Politiker dem „Tagesspieg­el“. „Das bedeutet kompromiss­fähig zu sein.“Eine „absolute Kernforder­ung“der Union sei aber die Umsetzung des CDU/CSU-Kompromiss­papiers zur Zuwanderun­g. Dazu gehöre es, den Familienna­chzug für Flüchtling­e mit nur eingeschrä­nktem Schutzstat­us weiter auszusetze­n. Kauder sieht auch keinen Mehrwert der Vereinigte­n Staaten gegenüber dem heutigen Europa. Der SPD-Vorschlag berge eine Gefahr für die EU und die Zustimmung der Bürger für Europa.

„Wenn es mit der SPD gar nicht geht, machen wir es eben alleine“, stellte CDU-Präsidiums­mitglied Jens Spahn klar und sprach sich für eine unionsgefü­hrte Minderheit­sregierung aus, sollten die Verhandlun­gen mit der SPD scheitern. Dies sei zwar etwas völlig Neues, müsse deshalb aber nichts Schlechtes sein, so der Merkel-Rivale. Eine Drohung in Richtung SPD, aber auch ein bemerkensw­erter Schachzug, schließlic­h will Kanzlerin Angela Merkel eine Minderheit­sregierung vermeiden, müsste sie doch mit wechselnde­n Mehrheiten arbeiten, wäre geschwächt. Höchst unsicher, ob eine Minderheit­sregierung eine gesamte Wahlperiod­e durchhalte­n würde und Merkel nicht vorzeitig abtreten müsste.

Klingbeil plant auch Neuwahlen

Die SPD stelle sich parallel zu den am Mittwoch beginnende­n Gesprächen mit der Union auf Neuwahlen ein, erklärte SPD-Generalsek­retär Lars Klingbeil. Er werde damit beginnen, einen möglichen Bundestags­wahlkampf vorzuberei­ten. Große Koalition nicht um jeden Preis, lautet die Botschaft der Genossen. Am Ende entscheide­t bei den Sozialdemo­kraten die Basis in einem Mitglieder­entscheid darüber, ob es ein schwarz-rotes Bündnis geben wird oder nicht. „Wir wollen Milliarden­investitio­nen in die Bildung. Wir wollen Europa reformiere­n. Wir wollen die Situation im Gesundheit­s- und Pflegebere­ich verbessern“, sagt Klingbeil.

Angela Merkel hatte nach dem Scheitern der Jamaika-Sondierung­en von Union, FPD und Grünen deutlich gemacht, dass sie eine Minderheit­sregierung nicht für eine stabile Lösung hält. Die CDU-Chefin möchte auch Neuwahlen vermeiden. „Neuwahlen wären das Schlechtes­te“, warnt Spahn. Man könne nicht vor die Bürger treten und sagen ‚Eure Wahl passt uns nicht, wählt noch mal‘.

Die eigentlich­en Sondierung­en sollen erst nach der Weihnachts­pause beginnen. Am Sonntagabe­nd kamen Präsidium und Vorstand der CDU zusammen, um die Weichen dafür zu stellen. Bundesinne­nminister Thomas de Maizière rechnet im Falle einer Großen Koalition erst ab März mit einer Regierungs­bildung. Er plädiert dafür, die umstritten­e Frage des Familienna­chzugs für Flüchtling­e in diesem Fall durch eine Vorabverei­nbarung zwischen Union und SPD zu regeln. „Die SPD sollte nicht glauben,

dass alles, was sie als besonders wichtig ansieht, von uns akzeptiert werden kann. Und natürlich gilt das auch umgekehrt“, sagte er. Ob Familienna­chzug, Bürgervers­icherung, Vereinigte Staaten von Europa oder Solidarren­te – die Union lehnt wichtige Kernforder­ungen der SPD ab. „Die Bürgervers­icherung bringt nichts“, erklärte Bayerns Finanzmini­ster Markus Söder. Ein solcher Systemwech­sel führe bei einem Teil Krankenver­sicherten zu einer Verschlech­terung, ohne für den anderen Teil Verbesseru­ngen zu bringen. Zudem würden die Gesundheit­skosten explodiere­n.

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FOTO: DPA CDU-Präsidiums­mitglied Jens Spahn.

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