Schwäbische Zeitung (Riedlingen)
Rendezvous mit Rapunzel
Grächen im Wallis entpuppt sich als besonders familienfreundliches Skigebiet
GRÄCHEN (dpa) - Der Skiort Grächen im Wallis ist besonders bei Familien beliebt. Zu Recht: Außer herrlichem Alpenpanorama und dem größten Schneefamilienpark der Schweiz warten eine Märchengondelbahn, Familienskikurse und zwei echte Weltmeister auf die Gäste.
Die Gondel schwankt, die Türen gehen auf, auf der Hannigalp glitzert verheißungsvoll der Schnee. Endlich kann es losgehen. Aber das Kind streikt. „Noch eine Runde“, ruft es. „Hinter uns kommt Rumpelstilzchen.“Eigentlich sind wir zum Skifahren nach Grächen gereist, ein 1350-Seelen-Ort im Schweizer Kanton Wallis. Aber die Kinder sind im Märchenfieber. Denn jede fünfte Gondel der Bahn, die das Dorf mit dem Skigebiet auf der Hannigalp in 2114 Metern Höhe verbindet, ist mit Bildern von Frau Holle, dem Froschkönig oder anderen Märchenfiguren geschmückt. Wer die knapp zehnminütige Fahrt antritt, bekommt die jeweilige Geschichte über Lautsprecher vorgelesen.
„Nachher, wenn wir runterfahren, können wir ja zu Rapunzel steigen, aber jetzt schauen wir erst mal, ob wir den Berg von der Schokolade erkennen“, vertröstet mein Mann unsere Töchter. „Au ja“, ruft die Vierjährige und stürmt ins Freie. „Ich finde ihn als Erste“, glaubt ihre ältere Schwester und läuft hinterher. Vor uns breitet sich ein Alpenpanorama aus, das ebenso märchenhaft erscheint wie die Fahrt auf die Alp. Nirgendwo sonst in der Schweiz gruppieren sich so viele Viertausender wie im Wallis. Da gibt es die charakteristische Pyramide des Bietschhorns, daneben reihen sich Aletschhorn und Jungfrau auf, im Süden das Weiss- und Brunegghorn und schließlich das Matterhorn, dessen markante Silhouette die Verpackung der nicht minder berühmten dreieckigen Schokolade ziert.
Wenig Pistenkilometer
Ein paar Stückchen Schokolade oder Gummibärchen hat auch Martin Kalbermatter immer dabei. „Als Motivationshilfe“, sagt der 34-jährige Skilehrer und lacht. Wir haben bei ihm einen Familienskikurs gebucht. Der Vorteil: „Man verbringt die Ferien gemeinsam und nicht auf getrennten Pisten“, sagt Kalbermatter. Der Profi empfiehlt Familien, den Skiunterricht auf den Vormittag zu beschränken und am Rest des Tages etwas anderes zu unternehmen. „Kinder wollen schließlich auch einfach mal im Schnee spielen.“Tatsächlich gibt es rings um Grächen genug andere Aktivitäten, um den Tag auszufüllen. Dazu zählen Pistenbullifahrten, abendliche Fondue-Dinner in der Gondel, Winterwanderwege und Schneeschuh-Trails sowie ein 50 000 Quadratmeter großen Familienpark mit Iglukino, Schneekarussell und Snowtube-Bahn.
Mit 42 Kilometern Piste ist das Skigebiet von Grächen, das sich über ein sonniges Plateau im Mattertal erstreckt, zwar kleiner als das nahe gelegene Zermatt, aber besonders beliebt bei Familien. Das gilt auch für den teils autofreien Ort, der seinen dörflichen Charakter behalten konnte und mit dem Gütesiegel „Family Destination“ausgezeichnet wurde. Nachmittags können Familien an einem Pizzabackkurs oder an einer Schatzsuche teilnehmen, die einmal quer durch das Dorf führt, vorbei an Holzhäusern mit roten Fensterläden und Dutzenden Stadln – das sind traditionelle Scheunen aus Bruchsteinmauern und Holz, die auf Stelzen errichtet wurden.
Uns jedoch steht am Nachmittag der Sinn nach einem Training mit zwei Weltmeistern. Schon von Weitem sehen wir Björn Walter und seine 13-jährige Tochter Samira auf zwei merkwürdigen Geräten den Abhang heruntersausen. Es sind fahrradähnliche Konstrukte, die auf zwei hintereinander befestigten Skiern statt auf Rädern fahren: Snowbikes. „Einheimischen sind Snowbikes schon seit den 1960er-Jahren bekannt“, erzählt Walter, der auf dem Gefährt zweifacher Weltmeister wurde. Samira, Juniorenmeisterin, zeigt uns, wie es geht. Mit Mini-Skiern an den Füßen nehmen wir auf dem Sattel Platz und lenken mittels Gewichtsverlagerung. Bremsen gibt es keine, stattdessen heißt es „ausfächern“: den hinteren Ski bergaufwärts schieben, um anzuhalten.
Spaß auf dem Snowbike
„Juhu“, schreit unsere Vierjährige, während sie auf dem Schoß von Walter den Abhang hinabschießt. „Babyeierleicht“, findet ihre große Schwester, die ein eigenes Snowbike bekommen hat. Auch wir Erwachsene, die am Vormittag bei unseren Skiversuchen oft im Schnee gelandet sind, halten uns gut im Sattel. „Wer einmal gelernt hat, richtig zu stoppen“, weiß Walter, „kann jede Piste fahren.“Tatsächlich gelingt es uns, eine blaue Abfahrt zu meistern.
Der schnelle Erfolg spornt an. „Was meint ihr, schaffen wir morgen die blaue Piste auch auf Skiern?“, frage ich meine Töchter. Die Große zuckt mit den Schultern. „Kann sein“, sagt sie. „Aber du denkst daran, dass wir vorher noch eine Verabredung haben oder?“Verständnislos blicken mein Mann und ich uns an. Dann klärt uns die Kleine auf: „Na, mit Rapunzel.“
Weitere Informationen: Grächen und St. Niklaus Tourismus und Gewerbe, Tel.: 0041/27/9556060, Internet: