Schwäbische Zeitung (Riedlingen)
Die Startnummer 2 wird zur Nummer 1
Josef Ferstl gelingt beim Super-G von Gröden der erste Weltcup-Sieg seiner Karriere
GRÖDEN (SID/dpa) - Josef Ferstl saß auf dem Stuhl, der in der sogenannten Leader-Box für den Führenden eines Skirennens telegen bereitgestellt ist, und konnte nur warten. Ja, er lag auf Rang eins, auch die großen Favoriten waren bereits im Ziel, aber die „Saslong“im Grödnertal ist eine verflixte Strecke, auf der Läufer mit hohen Startnummern häufig alles auf den Kopf stellen. Erst gut zwei Stunden nach seinem Start war schließlich Gewissheit da: Als erster deutscher Skirennläufer seit fast 27 Jahren hat der 28-jährige Ferstl einen Super-G im Weltcup gewonnen.
Ihm gelang ein Erfolg, den Alpindirektor Wolfgang Maier hocherfreut und wenig überraschend als „historisch“bezeichnete. In der Tat: Als einziger Deutscher hatte bislang Markus Wasmeier in der zweitschnellsten Disziplin Weltcup-Rennen gewonnen – insgesamt sechs, das letzte im März 1991 in Lake Louise, gefolgt dann noch vom Olympiasieg 1994.
„Es ist echt irre, ich habe schon mitgekriegt, dass das nicht so viele geschafft haben“, sagte Ferstl. Nicht nur mit der komplizierten SaslongPiste hatte der Oberbayer gerade gekämpft, sondern auch mit seinem Knie. „Ich hab unter Schmerzmitteln fahren müssen, sonst wäre es nicht gegangen“, sagte er. Die Spätfolge seines Kreuzbandrisses vom Dezember 2015 behindert ihn seit Wochen.
Tipps zur Siegerehrung geholt
Egal, befand Ferstl, der sich, wie er zugab, erst „mal bei den Kollegen, die erfahrener sind als ich“, erkundigte, „was man jetzt da machen soll“, wenn man ein Weltcup-Rennen gewonnen hat. Es war schließlich der erste Sieg für einen Deutschen in einer der beiden Speed-Disziplinen seit dem Erfolg von Max Rauffer 2004 im Abfahrtsrennen an gleicher Stelle.
Ferstl („Weltcup-Sieg … Ich weiß gar nicht, wie man das schreibt“) war mit Startnummer 2 auf die Strecke gegangen; es gab Abschnitte, da fuhr er scheinbar zu langsam, selbst Wolfgang Maier dachte, „dass es nicht so toll war“auf der Passage namens Ciaslat-Wiese, „weil er da ein bisschen Speed weggenommen hat“. Aber: Diese Behutsamkeit war an diesem Tag der Schlüssel zum Sieg vor den Österreichern Max Franz (+0,02 Sekunden) und Matthias Mayer (+0,10). Andreas Sander (Ennepetal) wurde sehr guter Sechster. Schon wenige Starter nach Josef Ferstl setzte Schneefall ein und verlangsamte die Fahrt. Zudem zog teilweise Nebel auf, der die Sicht beeinträchtigte. „Ich habe Glück gehabt“, sagte Ferstl.
Josef Ferstl, Sohn des zweimaligen Kitzbühel-Siegers Sepp Ferstl, hatte bislang einen fünften Rang beim Super-G im Dezember 2016 im italienischen Santa Caterina als Bestplatzierung vorzuweisen. Am Freitag hatte er auch ein bisschen Glück mit den in Gröden oft schnell wechselnden äußeren Bedingungen – aber: „Das Ergebnis sagt, dass er der Schnellste war“, stellte Wolfgang Maier lapidar fest, als das Rennen wegen Nebels nach 38 Startern abgebrochen, aber den Regeln gemäß gewertet wurde.
Für den ersten Paukenschlag der aufstrebenden Speed-Fahrer hatte vor drei Wochen Thomas Dreßen (Mittelwald/diesmal 20.) mit seinem dritten Rang bei der Abfahrt in Beaver Creek gesorgt. Allmählich scheint sich zu bewahrheiten, was Cheftrainer Mathias Berthold vor seinem Amtsantritt im Sommer 2014 gesagt hatte: In Pyeongchang 2018 wolle er seine „Jungs“so weit haben, „dass sie um die Medaillen mitfahren können“.
Und? Können sie? Er habe gewusst, sagte Josef Ferstl, dass er an einem guten Tag zu den besten fünf eines Rennens gehören könne. „Jetzt weiß ich, was ich kann, jetzt kann ich noch mehr erreichen.“Alpindirektor Maier aber betonte: „Jede Position unter den ersten zehn ist noch immer ein Erfolg für uns, wir sind nicht an dem Punkt, wo wir den Abfahrtssport beherrschen.“Beherrschen nicht, aber: aufmischen. Immerhin.