Schwäbische Zeitung (Riedlingen)

Gericht prüft Tötungsvor­satz

Prozess gegen den 63-Jährigen, der eine Seniorin schwer misshandel­t haben soll, wird an das Landgerich­t übergeben

- Von Gabriele Pöndl

Prozess gegen 63-Jährigen wird am Landgerich­t Ravensburg fortgesetz­t.

RIEDLINGEN/BIBERACH - Der 63jährige Mann, der im Sommer eine Seniorin in Riedlingen schwer misshandel­t und vergewalti­gt haben soll, bleibt weiter in Haft. Die Frau ist rund vier Wochen später im Krankenhau­s gestorben. Unklar war lange, ob die Misshandlu­ng wirklich zum Tod der 80-Jährigen geführt hat. Der zweite Prozesstag endete abrupt nach der ersten Zeugenbefr­agung. Richter Ralf Bürglen übergibt den Fall aufgrund neuer Erkenntnis­se bezüglich der Schwere der Tat jetzt an das Landgerich­t Ravensburg.

Den Angehörige­n im Gerichtssa­al war die Erleichter­ung im Gesicht anzusehen, als der Richter dem Antrag der Staatsanwä­ltin Tanja Kraemer stattgab. Für viele war es lange Zeit unverständ­lich, warum der Prozess überhaupt beim Amtsgerich­t Biberach verhandelt wurde. Die Anklage lautete zunächst nur auf gefährlich­e Körperverl­etzung nach §224 STGB, weil die Todesursac­he zu Beginn nicht eindeutig geklärt werden konnte. Bei einer Verurteilu­ng hätte dem Angeklagte­n eine Freiheitss­trafe von maximal vier Jahren gedroht. Das Schöffenge­richt in Biberach hätte weder ein höheres Strafmaß noch die Einweisung in ein psychiatri­sches Krankenhau­s oder eine Sicherungs­verwahrung wegen weiterer Gefährdung beantragen können.

Da die Aussagen der Polizisten und Angehörige­n schon beim ersten Prozesstag so deutlich übereinsti­mmten, geht das Gericht davon aus, dass der Angeklagte am Samstag, 24. Juni, gegen 9 Uhr morgens der Seniorin in ihrem Hausflur aufgelauer­t und sie mehr als eine Stunde schwer misshandel­t hat. Die Aussage des damals 62-Jährigen, die Frau sei ganz alleine die Treppe hinunter gestürzt und er habe ihr geholfen, konnte aufgrund der schweren Verletzung­en widerlegt werden. Zudem hatte die Seniorin dem Angeklagte­n schon im März über einen Anwalt mitgeteilt, dass er sich nicht in ihrem Haus aufhalten und nicht übergriffi­g werden dürfe. Laut einem weiteren Anwaltssch­reiben ist belegt, dass der Mann ihr im Juni gedroht habe, sie umzubringe­n.

Die Aussagen des Angeklagte­n standen häufig im völligen Gegensatz zu den Berichten der Zeugen. So gab er auch falsche Zahlen bezüglich seiner Rente an, erzählte, dass er sich nicht im Haus der Seniorin aufgehalte­n habe und schwer krank sowie impotent sei. Der mehrfach vorbestraf­te Mann soll nach Zeugenauss­agen andere Menschen betrogen und (auch sexuell) bedroht haben. Aufgrund massiver Schwierigk­eiten im Umgang mit Wahrheit und Geld hat er seit 2013 eine gesetzlich­e Betreuerin bekommen, die schon früh einen Antrag auf Unterbring­ung gestellt hatte. Sie erzählte, dass der Antrag abgelehnt wurde, weil der Angeklagte sich bei der Psychiater­in von seiner besten Seite gezeigt habe.

Oft Angst gehabt

Die Betreuerin fand sehr deutliche Worte für ihn: Er könne sehr charmant sein und gebe Frauen gerne Handküssch­en. Auf der anderen Seite sei da ein Mensch, der sich immer wieder über andere beschwere und Lügengesch­ichten erzähle, um sich selbst in gutes Licht zu rücken. Sie habe oft Angst vor ihm gehabt und ihn, wenn er aggressiv war, nicht alleine in seiner Unterkunft besucht.

Für beide Verhandlun­gen hat die Justizvoll­zuganstalt (JVA) Ravensburg für den Angeklagte­n Fußfesseln sowie polizeilic­he Begleitung angeordnet – und das, obwohl dieser mit einem Gehwägelch­en im Gerichtssa­al erschien. Thomas Mönig, der Leiter der JVA, erklärte, dass die Justiz respektier­en müsse, wenn ein Mensch klagt, er könne aus gesundheit­lichen Gründen nicht gut laufen. Wenn aber die Tat gleichzeit­ig eine andere körperlich­e Voraussetz­ung erahnen lässt und Fluchtgefa­hr bestehe, müssten sie auch dafür die notwendige­n Sicherheit­smaßnahmen ergreifen.

Am zweiten Prozesstag wurde im Zeugenstan­d nochmals die Tochter der Verstorben­en über den Gesundheit­szustand ihrer Mutter befragt. Richter Bürglen las auch Details aus älteren Arztberich­ten vor aus denen hervorging, dass bei der Seniorin keine erkennbare­n Grunderkra­nkungen vorgelegen haben, die zu einem Multiorgan­versagen hätte führen können. Dies wurde auch durch das medizinisc­he Gutachten von Professor Michael Kramer bestätigt. Demnach habe der Angeklagte der Frau mehrfach in den Bauch geschlagen, sei ihr auf den Bauch gesprungen und habe sie über mehr als eine Stunde so schwer misshandel­t, dass sie mit hoher Wahrschein­lichkeit an den Folgen der Gewalteinw­irkung gestorben ist.

Bauchschlä­ge als Foltermeth­ode

Im Prozess erklärte Professor Kramer, Schläge in den Bauch würden oft als „Foltermeth­ode“benutzt, da sich auf dem weichen Gewebe des Bauches selten blaue Flecken zeigten und innere Verletzung­en leicht übersehen werden könnten. Auch die Ärzte in der Uniklinik haben erst einmal nur die sichtlich schweren Verletzung­en des Kopfes sowie der Hals- und Brustwirbe­lsäule behandelt, bevor sie auf die Bauchsympt­ome der Seniorin näher eingegange­n sind.

Anklage erweitern?

Aus Sicht des Amtsgerich­ts Biberach liegt bei dem Fall eine Körperverl­etzung mit Todesfolge nach Paragraf 227 StGB vor, über den das Landgerich­t Ravensburg weiter entscheide­n muss. Richter Bürglen erklärte, dass das Landgerich­t auch prüfen wird, ob ein Tötungsvor­satz vorliegt und die Anklage dann auf Totschlag oder sogar Mord erweitert wird.

Auch über den Vorwurf der Vergewalti­gung wird noch entscheide­n. Der Angeklagte sitzt derzeit in der JVA Ravensburg in Untersuchu­ngshaft. Die Staatsanwa­ltschaft hat einen Antrag an das Oberlandes­gericht gestellt, dass der Haftbefehl auch über die Untersuchu­ngshaft hinaus erhalten werden kann. Bis zur Verhandlun­g beim Landgerich­t können noch gut zwei bis drei Monate vergehen.

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FOTO: ARCHIV/123RF
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ARCHIVFOTO: DPA Der Prozess gegen einen mittlerwei­le 63-jährigen Mann, der in Riedlingen eine 80-Jährige Frau schwer misshandel­t haben soll, wird nun vor dem Landgerich­t Ravensburg fortgesetz­t.

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