Schwäbische Zeitung (Riedlingen)
Bischöfin
Drei Jahre ist es her, dass in der Staatskirche von England erstmals eine Frau zur Bischöfin aufstieg. Sarah Mullally hat nun den nächsten Schritt geschafft: Die 55-Jährige soll im neuen Jahr Bischöfin von London werden und damit das dritthöchste Amt der anglikanischen Kirche erhalten, nach den Erzbischöfen von Canterbury und York. Verbunden ist damit nicht nur ein automatischer Sitz im Oberhaus, sondern auch eine Menge Ärger.
Ausgerechnet die multikulturelle Metropole verfügt über die größte Bandbreite der miteinander zerstrittenen Fraktionen einer Kirche. Die Fragen lauten: Sollen Frauen als Priesterinnen amtieren und in logischer Konsequenz auch geistliche Führungspositionen bekleiden dürfen? Und dürfen Schwule und Lesben mit dem Segen der Kirche rechnen? Tapfer behauptete die Frischberufene, deren neue Diözese von einer PR-Agentur beraten wird, die Kirche demonstriere „Liebe für alle“. Einflussreiche Priester in London sprechen davon, ein von Frauen ausgeteiltes Abendmahl sei „schmerzhaft“, weil es die Einheit der anglikanischen Gemeinschaft weltweit gefährde.
Fast geht unter, daß die Staatskirche eine Quereinsteigerin ins Leitungsteam berufen hat. Mullally hat eine Karriere als Krankenschwester und Managerin im Nationalen Gesundheitssystem NHS hinter sich. Mit 37 Jahren war die Spitzenbeamtin mit dem Titel Chefpflegeoffizier für die Aufsicht über die Pflegeeinrichtungen Englands zuständig. Zwei Jahre später begann die verheiratete Mutter zweier nun erwachsener Kinder mit dem zunächst nebenamtlichen Dienst als Gemeindepfarrerin.
Auf die Unterschiede zwischen Gesundheitswesen und Kirche angesprochen, antwortet die Bischöfin: Ihre Berufung sei immer die Nachfolge Jesu Christi und der Dienst am Nächsten gewesen. Solcherlei Diplomatie und Demut wird die von Queen Elizabeth in den Ritterstand erhobene Kirchenmanagerin in der neuen Aufgabe gut brauchen können. Sebastian Borger