Schwäbische Zeitung (Riedlingen)
Neuer Glanz für Abt durch Müller?
Stadt Ulm sucht Kontakt zum Drogeriekönig – Was noch für ein Großprojekt spricht
ULM - Eine exponiertere Lage als das traditionsreiche Ulmer Haushaltsund Spielwarengeschäft Abt direkt gegenüber des Münsters kann eine Verkaufsstelle kaum haben. Und so ist es kein Wunder, dass, seitdem der milliardenschwere Drogeriekönig Erwin Müller die Ulmer Ikone erwarb, die Spekulationen ins Kraut schießen. Auch in Ulms Bauverwaltung sind die Gerüchte längst angekommen. „Wir haben die Firma Müller kontaktiert und auf die besondere Lage der Immobilie hingewiesen“, sagt Baubürgermeister Tim von Winning. Noch sei bei der Stadt kein Bauantrag eingegangen, doch um vorsorglich etwaige Verstimmungen zu vermeiden, habe die Stadt Müller bewusst auf eine städtebauliche Verantwortung hingewiesen. Der Baubürgermeister vermutet, dass ein ambitioniertes Unternehmen wie Müller einen solchen Standort nicht gekauft hat, um ihn dann zu lassen, wie er ist.
Zumal die Immobilie sichtbar in die Jahre gekommen ist. Das Gebäude wurde 1959 gebaut, ist äußerlich zwar gut in Schuss aber grundsätzlich nicht auf der Höhe der Zeit. Hermann Hutter, der frühere geschäftsführende Gesellschafter von Abt, steckt jüngst noch 700 000 Euro in neue Schaufensterfronten sowie Klimatechnik und ist derzeit mit seinem Schreibwarengeschäft selbst nur Mieter bei Müller. Was Müller plant, weiß auch er nicht.
Eine schriftliche Anfrage bei der Ulmer Drogeriekette bezüglich der Abt-Zukunft blieb unbeantwortet.
Ulms Citymanager Henning Krone betont, dass Abt seit Jahren einer der Ulmer Kundenmagneten sei. Er würde es aber grundsätzlich begrüßen, wenn Müller Abt zu einem „Flagship-Store“, also Vorzeigeladen, für sein Imperium mit 4,3 Milliarden Euro Umsatz, 34 000 Mitarbeitern und 756 Filialen in sieben Ländern umbauen würde. Ein Geschäft, in dem Müller etwa neue Produkte und Konzepte ausprobieren könnte, bevor er sie im großen Stil vermarktet, könnte womöglich noch mehr Kunden in die Ulmer Innenstadt locken.
Kein akuter Handlungsbedarf
Akuten Handlungsbedarf gibt es im Ulmer Traditionsgeschäft nicht. Abt galt unter Hutter-Regie schon als kerngesund: Hutter, der in Günzburg, Ulm, Memmingen, Fürstenfeldbruck und Ludwigsburg Geschäfte betreibt und Onlineshops sowie einen Verlag für Brettspiele führt, übernahm Abt nach der Insolvenz im Jahre 2004 zusammen mit einer Investorengruppe und verdoppelte seitdem den Umsatz und wurde mehrfach für sein Konzept ausgezeichnet.
Branchenkenner spekulieren auch, dass Müller unter Umständen die ganz große Lösung im Blick hat. Nämlich die Einbeziehung möglichst vieler Nachbargebäude. Selbst wenn sich der 85-jährige Wahl-Ulmer in der Öffentlichkeit nur selten äußert, macht seine Biografie klar, dass dies eher seiner Persönlichkeit entspricht als ein „weiter so“.
Architektonisch kann der Münsterplatz eigentlich nur gewinnen. Ulms gute Stube erhielt zwar nach der Bombennacht am 17. Dezember 1944 wieder seine traditionellen Giebelhäuser, doch schön findet die Häuser mit dem charakteristischen Sägezahnprofil kaum einer. Anlieger und Händler würden sich zudem über eine Tiefgarage freuen, die freilich nur bei einem Neubau zu realisieren wäre. Die Spekulationen über einen Ankauf weiterer Nachbarn befeuert auch die Tatsache, dass Juwelier Roth in der Platzgasse in Kürze wegen einer Kernsanierung angeblich „vorübergehend“geschlossen wird. Allerdings war das Projekt offenbar schon längst in Planung, bevor sich Müller Abt schnappte.
Möglicherweise hat der Drogeriekönig jetzt auch mehr Zeit, um sich um sein etwaiges „Denkmal“am Münsterplatz zu kümmern. Denn wie die „Lebensmittelzeitung“jüngst berichtete, holte sich Erwin Müller seinen langjährigen Top-Manager Carsten Weithe nach Differenzen nur sechs Wochen nach der Trennung wieder zurück.