Schwäbische Zeitung (Riedlingen)
„Super-Martin“am Boden
Für die Demoskopen ist es ein ganz und gar rätselhaftes Phänomen. Erst gab es den Hype um den SPD-Chef und Kanzlerkandidaten Martin Schulz, den rasanten, steilen Aufstieg, der die Sozialdemokraten in den Meinungsumfragen schnell auf Augenhöhe mit der Union brachte und sie kurze Zeit vom Erfolg bei der Bundestagswahl träumen ließ. Dann aber erlebten sie und ihr Vorsitzender schließlich einen tiefen Absturz.
Ende 2017 ist der einstige Hoffnungsträger der deutschen Sozialdemokratie, Mister 100 Prozent und „Super-Martin“, nun wieder auf dem Boden und in den Augen von zwei Dritteln der Deutschen der „Verlierer des Jahres“. Da ist es nur ein schwacher Trost, dass gleich auf den Plätzen zwei und drei dieser Umfrage CSU-Chef Horst Seehofer und die CDU-Vorsitzende Angela Merkel folgen und sich das Votum offenkundig vor allem auch gegen die Volksparteien und großen Wahlverlierer richtet.
Mögen die Delegierten des SPDParteitages Martin Schulz gerade erst im Amt des Vorsitzenden bestätigt und Rivalen wie Vizechef Olaf Scholz abgestraft haben – wie ein Mann der Zukunft wirkt Schulz längst nicht mehr. Nach der Wahlschlappe hat der SPD-Chef seiner Partei mit seiner voreiligen Festlegung auf den direkten Gang in die Opposition einen schlechten Dienst erwiesen und Geister gerufen, die er jetzt womöglich nicht mehr los wird. Die Genossen sind tief gespalten zwischen Regieren und Opponieren. Und ausgerechnet jetzt fehlt es in der Partei an klarer und entschlossener Führung.
Längst nicht alle in der SPD-Spitze trauen es Schulz offenbar noch zu, die Sozialdemokraten aus dem tiefen Tal herauszuführen. Der frühere SPD-Chef und geschäftsführende Bundesaußenminister Sigmar Gabriel lässt jedenfalls keine Gelegenheit aus, um zu zeigen, dass er sich noch immer für den besseren Parteivorsitzenden und nichts von Schulz’ Zick-Zack-Manövern hält.
Auf den „Verlierer des Jahres“2017 und seine Partei wartet ein stürmischer Start ins Jahr 2018.