Schwäbische Zeitung (Riedlingen)
Ein Volksaufstand und die erste Sitzblockade
Am Ende des Reformationsjahres: ein Blick auf die beiden Riedlinger Reformatoren Zwick und Feihelmaier
RIEDLINGEN - Vor 500 Jahren hat Martin Luther seine 95 Thesen veröffentlicht, woran in diesem „Reformationsjahr“erinnert wurde. Mit der Reformation zu Anfang des 16. Jahrhunderts geriet eine festgefügte Weltanschauung ins Wanken. So war es auch für kurze Zeit in Riedlingen, wo sie von zwei Männern getragen wurde: dem Prediger Johannes Feihelmaier und Pfarrer Dr. Johannes Zwick.
Feihelmaier (um 1469 - 1538), gebürtiger Riedlinger, bekam als etwa 50-Jähriger die Prädikaturkaplanei übertragen. Seine religiöse Wahrheit fand er jedoch in Luthers Schriften, die er stets bei sich trug und die er überall, wo er konnte, verkündete. Mit seiner Kritik an Papsttum, Feudalherrschaft, Messopfer und anderem (siehe Hintergrund) gewann er bald zahlreiche Anhänger. Seine bisherige Tätigkeit empfand er als Sinnlosigkeit und Lüge.
Als es in der Schranne zwischen Feihelmaier und dem Bürgermeister Weinschenk am 8. Mai 1523 zu einer scharfen Auseinandersetzung kam, ließ ihn der Truchsess im Einvernehmen mit dem Bischof wegen Aufruhrs verhaften. Die Folge war ein Aufstand von Feihelmaiers Anhängerschaft, die sogar ins Rathaus eindrang. Am nächsten Tag wurde er dennoch nach Konstanz abgeführt, wo ihn nach sechzehn Wochen Haft Schweizer Glaubensbrüder aus dem bischöflichen Schloss befreiten. Trotz flehentlicher Bittbriefe an den Truchsessen, der sein Landesherr war, und an die Reichsregierung erhielt er jedoch nie seine Predigtpfründe zurück. In Pegnitz bei Nürnberg wurde er schließlich 1531 evangelischer Pfarrer.
Johannes Zwick (1496 - 1542) entstammte einem reichen Konstanzer Patriziergeschlecht. Zunächst studierte er Jura in Freiburg, Basel und Bologna, bevor er 1520 zum Dr. jur. promovierte. Bereits 1518 war er zum Priester geweiht worden. Es war die Zeit des Humanismus, und auch Zwick übte sich als Dichter und hatte persönlichen Kontakt zu Erasmus von Rotterdam sowie anderen Humanisten. Der Kontakt zum evangelischen Glauben erst brachte ihn zum Theologiestudium: „Nachdem ich vorher meine besten Jahre sinnlos bei den Juristen verbracht habe, hat mich Christus ins Predigeramt zurückgerufen“schreibt er in seiner Rechtfertigungsschrift nach seiner Vertreibung aus Riedlingen.
1521 starb Zwicks Onkel, Domkapitular zu Konstanz und Pfarrherr zu Riedlingen, der die Stadt selbst jedoch nie betreten hatte. Er vererbte die Stelle an seinen Neffen Johannes, der sie auf Zwinglis Rat hin Ende 1522 antrat. Kurz zuvor hatte er geheiratet – Riedlingen und Altheim hatten nun einen verheirateten Pfarrer!
Gerede und Verdachtsmomente seitens der Bevölkerung waren vorprogrammiert. Innerhalb von drei Jahren sah sich Zwick zunehmender Einschränkungen gegenüber: Dem „Ehepriester“wurden alle kirchlichen und pfarrerlichen Amtshandlungen sakramentaler Art verboten, die Besoldung durch den Zehnten wurde gestrichen, nur das Predigen ließ man ihm. Hinzu kam, dass er eine Mitgliedschaft in der Priesterbruderschaft, einer privaten Vereinigung der Riedlinger Geistlichkeit, verweigerte. Besonders übel nahm ihm der Truch- sess die Teilnahme an einem Streitgespräch in Zürich – nur der Einsatz von Gemeindemitgliedern bewahrte ihn vor der Verhaftung.
Zur Kurie gerufen
Als er ein junges Paar ohne Gebühren traute und seine Kollegen aufforderte, es ihm gleich zu tun, musste er sogar vor der römischen Kurie erscheinen. Im Spätherbst 1525 entsetzte ihn schließlich ein kaiserliches Dekret seines Pfarramtes und er ging in seine Heimatstadt zurück. Aus Protest über seinen Weggang setzten sich dreihundert Riedlinger Bürger zwei Tage lang vor das Rathaus (1. Sitzblockade).
1526 richtete er eine Schrift an seine „Untertanen in Riedlingen und Altheim“. Er starb 1542 an der Pest. Bekannt ist Zwick bis heute durch seine Kirchenlieder, zum Beispiel. „All Morgen ist ganz frisch und neu“.