Schwäbische Zeitung (Riedlingen)

Selbstbewu­sst Gefühl aufbauen

Richard Freitag und Andreas Wellinger gehen die 66. Tournee aus einer starken Position an

- Von Joachim Lindinger

OBERSTDORF - Vielleicht ist es ja wirklich diese Lockerheit, die trägt. Der Eindruck zumindest verdichtet­e sich am Donnerstag­nachmittag im „Oberstdorf Haus“. Auftakt-Pressekonf­erenz war zur 66. Vierschanz­entournee, traditione­ll ein Pflichtter­min für Vorjahress­ieger und aktuell Weltcup-Vordere. Kamil Stoch allerdings reiste samt polnischer Delegation erst spät in der Marktgemei­nde an, Norwegens Daniel-André Tande war von der Dauerbesch­neiung zwischen Münchner Flughafen und Ort des Geschehens ausgebrems­t worden (um so sympathisc­her dann sein frühabendl­icher Solo-Auskunftsa­uftritt). Blieben - und kamen: Richard Freitag, der bislang beste Skispringe­r des Winters, und Andreas Wellinger, sein Mannschaft­skollege und hartnäckig­ster Verfolger. Fokussiert beide, selbstbewu­sst beide, freudig erwartend beide. Nicht von ungefähr. „Kann losgehen!“, vermeldete Richard Freitag pointiertk­napp. „Wir haben alles dafür getan, dass wir in einem Zustand sind, um die Tournee gut bestreiten zu können.“

Man nahm es dem Sachsen ab, der als Neu-Oberstdorf­er „jetzt hier zu Fuß hergegange­n“war, der auch die neuerdings offenbar unvermeidl­iche Frage nach dem Schnurrbar­t lässig nahm. Die Freunde, die es ihm bei der „Movember“-Aktion für einen guten Zweck gleichgeta­n hatten, habe er jetzt über Weihnachte­n wieder gesehen. Gemeinsame­r Vorsatz: Der Bart bleibt. „Wie lang wir das dann aushalten jedesmal vor dem Spiegel, das werden wir sehen.“

Ein Herangehen­smuster durchaus für noch haarigere Themen. Da gibt es den Druck, den das Tandem Freitag/ Wellinger ja wohl empfinden müsse vor den neun Tagen mit summa summarum 24 Sprüngen. Als Gejagte, als Hoffnungst­räger einer Skisprung-Öffentlich­keit, die 16 Jahre wartet seit Sven Hannawald auf einen deutschen Tourneesie­ger. Druck? Der sei, die Antwort folgt einmütig, nicht größer geworden. „Wir sind in einer besseren Position als die letzten Jahre.“Alles andere „sieht man in den Ergebnisli­sten“. Ach ja, den Freitag’schen Konter auf ein Nachkarten begleitete ein Grinsen: „Was definitiv anders laufen wird: Wir werden in der Qualifikat­ion als Letzte springen, das steht mal fest.“

Fest steht auch, dass schon das Training am heutigen Freitag auf der Großen Schattenbe­rgschanze richtig wichtig ist. „Gefühl aufbauen und die Sprünge nutzen“will Andreas Wellinger da. Beiläufig verriet der 22-Jährige, dass er „alle vier Schanzen extrem gern“mag, sein Favorit aber sei Bischofsho­fen. Auch wegen der 144,5 Meter vom 5. Januar, auch weil die An- lage „vom Anlauf einen so ganz anderen Charakter“habe. „Das Beste kommt zum Schluss.“

Oberstdorf kommt am Anfang. Launig umriss Richard Freitag, der vier Jahre Ältere, seine Beziehung zu den deutschen Tournee-Bakken. „Sehr gut springen“könne er dort; „ich kann aber auch ’nen richtigen Dreck zusammensp­ringen, das Trai- ning hat schon alles gezeigt“. Beruhigend da das „Ich bin in einer guten, stabilen Form“, mit Bedacht einordnend die Einschätzu­ng der Konkurrenz: „Es sind sehr, sehr viele internatio­nale Skispringe­r sehr, sehr gut unterwegs zurzeit.“

Was all das heißt? Vierschanz­entournee ist. Unwägbarke­iten, Überraschu­ngen gehören da dazu. Richard Freitag und Andreas Wellinger muss das keiner sagen. Werner Schuster auch nicht. Die zehnte Tournee ist es für den Kleinwalse­rtaler als Bundestrai­ner. Sein Wort zum Jubiläum? „Ich fühl’ mich vorbereite­t als Leiter dieses Teams und hab’ Vertrauen in meine Mannschaft.“

Auch in die Lockerheit, die tragen könnte.

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FOTO: DPA Deutsches Duo im Kommen: Richard Freitag ( li.) und Andreas Wellinger nach dem Doppelsieg in Titisee.

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