Schwäbische Zeitung (Riedlingen)
Anschläge vor Papst-Besuch
Kirchen in Chile beschädigt – Drohung gegen Franziskus
SANTIAGO DE CHILE (dpa) - Kurz vor dem heute beginnenden Besuch von Papst Franziskus in Chile ist erneut ein Brandanschlag auf eine Kirche in dem südamerikanischen Land verübt worden. Bei dem Anschlag am Sonntag auf die Kirche San Agustín in Melipilla 70 Kilometer östlich von der Hauptstadt Santiago de Chile entstand nur geringer Sachschaden. Am Samstag waren bereits vier Brandanschläge auf Kirchen in der Hauptstadt verübt worden. In zwei weiteren Fällen hätten die Zünder der Brandsätze versagt.
Bei den Anschlägen gab es Hinweise auf die Ureinwohner der Mapuche, die sich gegen Landvertreibungen im Süden Chiles wehren. Die Täter hinterließen bei zwei der beschädigten Kirchen Flugblätter, die sich auf den Besuch von Franziskus bezogen. „Papst Franziskus, die nächsten Bomben gehen gegen deine Soutane“, hieß es auf dem Pamphlet ohne Unterschrift.
MEXIKO-STADT - Nach Brandanschlägen und Bombendrohungen auf Kirchen kurz vor der Ankunft von Papst Franziskus in Chile hat die Regierung die Sicherheitsmaßnahmen deutlich verstärkt. Große Polizeiaufgebote sichern die drei Städte Santiago, Temuco und Iquique, die der Papst zwischen heute und Donnerstag besuchen wird, bevor er weiter nach Peru reist. Vor allem die Messe am Dienstagvormittag im O’HigginsPark in der Hauptstadt Santiago gilt als Risikoveranstaltung, da dort 400 000 Menschen erwartet werden. Darunter auch Tausende Argentinier, die aus der Heimat des Pontifex’ über die Anden nach Chile kommen.
Präsidentin Michelle Bachelet bezeichnete die Attacken auf die Gotteshäuser als „seltsam“. In einer Demokratie könne jeder seine Meinung äußern, solange es friedlich und angemessen sei. Ihr gewählter Nachfolger Sebastián Piñera sagte: „Hass und Intoleranz dürfen den Rechtstaat nicht besiegen. Begrüßen wir den Papst mit Freude und in Frieden.“Innenminister Mario Fernández versicherte am Wochenende, der Papst „geht kein Risiko“ein in Chile. „Die Urheber der Gewalttaten sind keine wirklich gefährlichen Gruppen“.
Ureinwohner im Verdacht
In der Nacht zu Freitag hatten Unbekannte an drei Gotteshäusern im Zentrum von Santiago Feuer gelegt und die Gebäude mit kirchenfeindlichen Graffitis versehen. Zudem wurden in zwei weiteren Kirchen Sprengsätze sichergestellt und ein Schreiben, in dem es unter Bezugnahme auf den Papst hieß: „Die nächsten Bomben werden in Deiner Soutane sein.“Hinter den Anschlägen vermuten die Behörden radikale Kreise der Mapuche-Ureinwohner oder linke Gruppierungen. Die Behörden veröffentlichten ein Bekennerschreiben, in dem es heißt, man werde sich niemals fremder Dominanz beugen und sich „gegen jede Religion und Prediger“wehren. Unterzeichnet ist das Schreiben mit der Parole „Wallmapu libre“– Freiheit für das Land der Mapuche.
Die chilenischen Ureinwohner kämpfen im Süden des Landes seit Langem für Autonomie und die Rückgabe historischer Gebiete. Franziskus reist am Mittwoch für rund drei Stunden in die Araucanía, 700 Kilometer südlich von Santiago. Der Kurztrip in das Mapuche-Kernland ist in Chile sehr umstritten. Nicht alle Ureinwohner heißen den Papst willkommen. Auch die konservativen Kreise der katholischen Kirche und Teile der Bevölkerung lehnen die Geste gegenüber den als rebellisch angesehenen Indigenen ab. Zum anderen wird der Drei-TagesTrip auch wegen der Kosten kritisiert. Viele Chilenen verstehen nicht, warum die Visite, die den Papst auch in den extremen Norden Chiles führen wird, insgesamt 14 Millionen Dollar kosten und warum einen Großteil davon die Staatskasse zahlen muss.
In dem südamerikanischen Land hat die katholische Kirche in den vergangenen Jahren viel Ansehen verloren. Nach einer am Freitag veröffentlichten Studie des Umfrageinstituts „Latinobarómetro“ist Chile das Land Lateinamerikas mit dem geringsten Vertrauen in die katholische Kirche. Auch genießt Jorge Bergoglio nirgends in der Region weniger Ansehen als in dem Andenstaat. Das war vor rund 30 Jahren noch anders. In Zeiten der Pinochet-Diktatur (1973 bis 1990) war die Kirche ein wichtiger Unterstützer der Opposition und der Opfer der Gewaltherrschaft. Aus dieser Zeit datiert auch der letzte Besuch eines Pontifex. Papst Johannes Paul II. besuchte den schmalen und langen Andenstaat im Jahr 1987.
In Peru dürfte es einfacher werden
Die zweite Station der Pastoral-Reise ist Peru. Hier kann Franziskus mit einem herzlicheren Empfang rechnen als in Chile. Im nördlichen Nachbarland bezeichnen sich rund 77 Prozent der knapp 32 Millionen Einwohner als katholisch. Auch in Peru nimmt ein Treffen des Papstes mit Ureinwohnern einen wichtigen Platz im Programm ein. Am Freitag wird er im Amazonasgebiet mit Angehörigen indianischer Völker zusammentreffen. Da die Stadt Puerto Maldonado im Grenzgebiet zwischen Bolivien und Brasilien liegt, werden auch Ureinwohner der Nachbarstaaten erwartet.