Schwäbische Zeitung (Riedlingen)
Auf dem Weg zu sich selbst
„Beach Rats“: Eine Geschichte vom Erwachsenwerden, erzählt in zärtlich-sinnlichen Bildern
Tagsüber heterosexueller Macho, nachts auf der Suche nach schwulem Sex: „Beach Rats“begleitet den jungen Frankie auf dem Weg zu sich selbst. Doch es geht nicht nur um sein homosexuelles Erwachen.
Am Strand abhängen, die Muskeln trainieren, Drogen nehmen: So driftet Frankie aus dem New Yorker Stadtteil Brooklyn durch den Sommer. Die Tage verbringt er vor der Riesenrad-Kulisse des Vergnügungsparks auf Coney Island ganz im Süden Brooklyns und gibt sich ähnlich machohaft wie seine Kumpels. Unter deren Druck lässt er sich auf eine Affäre mit der hübschen Simone ein, doch nachts chattet er mit älteren Männern auf einer Schwulenplattform im Internet.
Regisseurin Eliza Hittman will ihren Film „Beach Rats“nicht als Coming-out-Film verstanden wissen, also als Geschichte allein nur über das homosexuelle Erwachen. Tatsächlich ist es auch ein zarter Film übers Erwachsenwerden unter schwierigen Bedingungen – und über Selbstverleugnung. Arbeitslosigkeit und Jugendkriminalität am äußersten Rand New Yorks spielen dabei ebenso eine Rolle wie der Krebstod von Frankies Vater.
„Frankie ist ein unsicherer 19-Jähriger, der nur ganz langsam ein Bewusstsein dafür entwickelt, wer er ist oder wer er sein könnte. Das war für mich der Knackpunkt dieser Figur: dass er es irgendwie schon weiß, aber doch noch nicht wirklich“, sagt Hittman über ihre Hauptfigur, dargestellt von dem aus London stammenden Nachwuchsschauspieler Harris Dickinson.
Frankie chattet irgendwann nicht mehr nur mit den älteren Männern, sondern trifft sie auch im echten Leben. Seine Freunde ahnen davon zunächst nichts, bis Frankie ihnen, getrieben vom Versuch, an Drogen zu kommen, eine Geschichte auftischt, die in einer Riesendummheit endet.
Als Zuschauer begleitet man Frankie bei all dem mit großer Faszination. Die Französin Hélène Louvart – sie wirkte etwa an der WimWenders-Doku „Pina“über das berühmte Tanztheater von Pina Bausch mit – ist mit ihrer Kamera und mit düster-verträumten Bildern stets dicht dran. Musikalische Untermalung wird in „Beach Rats“sparsam eingesetzt, sodass die Bilder über weite Strecken für sich sprechen, zumal es auch viele Sequenzen ganz ohne lange Dialoge gibt. Beim Sundance Festival bekam Eliza Hittman für ihren sensiblen Film den Regiepreis, beim Filmfest Hamburg gab es den NDR-Nachwuchspreis. (dpa)
Beach Rats. Eliza Hittman. Mit Harris Dickinson, Madeline Weinstein. USA 2017. 95 Minuten. FSK ab 16.