Schwäbische Zeitung (Riedlingen)
Riedlinger hat „Megabock, Musik zu machen“
Der Riedlinger Marcel Baur und seine Band „Pranx“feiern auf Youtube beachtliche Erfolge
RIEDLINGEN (sz) - 10 108 Mal haben Youtube-Nutzer schon den Song „Top“aufgerufen – das ist in etwa so, als ob fast die ganze Einwohnerschaft Riedlingens das einfallsreiche Musikvideo der Band „Pranx“gesehen hätte. Was aber wohl die wenigsten wissen dürften: Gedreht haben es die Musiker in der EdithStein-Schule in Heudorf. Marcel Baur, Schlagzeuger von „Pranx“, stammt nämlich aus Riedlingen. Und selbst wenn seine Songs mittlerweile auch in Dubai und Mexiko gehört werden, legt der 29-Jährige wert darauf, die Bodenhaftung nicht zu verlieren.
RIEDLINGEN - 10 108 Mal haben Youtube-Nutzer schon den Song „Top“aufgerufen – das ist in etwa so, als ob fast die ganze Einwohnerschaft Riedlingens das einfallsreiche Musikvideo der Band „Pranx“gesehen hätte. Was aber wohl die wenigsten wissen dürften: Gedreht haben es die Musiker in der Edith-Stein-Schule in Heudorf. Marcel Baur, Schlagzeuger von „Pranx“, stammt nämlich aus Riedlingen. Und selbst wenn seine Songs mittlerweile auch in Dubai und Mexiko gehört werden, legt der 29-Jährige wert darauf, die Bodenhaftung nicht zu verlieren.
Marcel Baur kann weder Noten lesen noch hatte er die Möglichkeit, Musikschulunterricht zu besuchen. Seine Schlagzeugkünste hat sich der Psychiatriepfleger, der im ZfP Zwiefalten arbeitet, mit Hilfe von Unterrichtsvideos aus dem Internet selbst beigebracht. Und vor allem habe er in seiner Jugend in Riedlingen geübt, geübt, geübt – stundenlang. Seine Motivation: die Liebe zur Musik, die Faszination für sein Instrument.
Beides treibt ihn auch heute noch an. Mit Bassist Rouven Schuhmacher und Gitarrist Boris Hofmann hat Baur zwei Gleichgesinnte gefunden und 2014 die Band „Pranx“gegründet, die sich stilistisch im Bereich des Pop-Punk ansiedeln lässt. Der ganz große Durchbruch ist bislang zwar ausgeblieben. Doch viel wichtiger sei dem Trio ohnehin die Leidenschaft für ihre Musik, so Baur. „Wir sind gerade dabei, mit einem Label zu verhandeln, aber das ist schwieriger als gedacht.“Die Konditionen der Plattenfirmen seien hart. „Man verkauft da seine Seele – und das wollen wir nicht. Es geht uns nicht um die Selbstverwirklichung. Es geht einfach darum, dass wir Megabock darauf haben, Musik zu machen.“
Und dafür nimmt Baur, der mittlerweile in Bad Saulgau lebt, einiges in Kauf. Von seinen Bandkollegen im Raum Heilbronn, wo sich auch die meisten Auftritte konzentrieren, trennen ihn knapp zweieinhalb Stunden Fahrzeit. Deshalb verdichten sich die Bandproben auf die Wochenenden. Beim Schreiben neuer Songs nutzen die Bandmitglieder den Austausch übers Internet.
Auf diese Weise ist auch der Youtube-Hit „Top“entstanden, einer von sechs Songs der neuen EP „This Mess I Call My Home“. Nach „Things On Your Mind“ist dies bereits die zweite Veröffentlichung von „Pranx“. Auch ihre neue Scheibe haben die Musiker in Sinsheim im Tonstudio von Tim Eiermann aufgenommen, Mitglied der Band „Liquido“, die Ende der 90er mit „Narcotic“einen europaweiten Hit landeten. „Er hat uns gute Tipps gegeben, aber nur Nuancen“, beschreibt Baur die Zusammenarbeit. Zusammen genommen etwa zwei Wochen nahmen die Arbeiten im Studio in Anspruch, bis die Tonspuren schließlich zum Mastering – also zur künstlerischen Endbearbeitung – nach Las Vegas gesendet wurden. Eiermann lasse den Musikern ihren eigenen Stil, dies schätze er, sagt Baur.
Der Schlagzeuger selbst beschreibt die neuen Songs im Vergleich zur Vorgänger-CD als „eingängiger, poppiger, mehr cheesy und catchy. Jeder kann sich gleich reinhören.“Die Texte sind oft sehr viel ernster wie der launige Sound vermuten lässt. „Es klingt, wie wenn es einem schlecht geht und man trotzdem die Faust hochhebt und die Welt erobern möchte“, beschreibt Baur das Grundgefühl, das die Musiker in ihren Songs transportieren wollen.
Wegen der CD-Produktion sei im vergangenen Jahr wenig Raum für Auftritte geblieben. Fans der Bands, etwa die gut gut 1800 Abonnenten auf Facebook, mussten in dieser Zeit jedoch nicht auf „Pranx“verzichten. Statt auf eine Plattenfirma setzen die Musiker bei der Verbreitung ihrer Songs auf neue Medien. „Der schwerste Job ist es, den Leuten beizubringen: He, hört uns an!“, findet Baur. Ein gutes Mittel, die Bekanntheit zu steigern: spritzige, sehr professionell wirkende Musikvideos im Netz, die von den Nutzern geteilt und so immer weitere Kreise ziehen.
Hier kommt der Band zugute, dass Bassist Rouven Schuhmacher an der Hochschule der Bildenden Künste Saarbrücken das Fach „Media Art und Design“studiert und sich die hochwertige Ausrüstung der Hochschule ausleihen kann. Doch auch Baur hat seine Verbindungen: Für den Videodreh zu „Top“in der EdithStein-Schule in Heudorf hat die Riedlinger Tanzlehrerin Omrit Kaleck einige Tänzerinnen vermittelt, die eine mitreißende Choreografie einstudiert haben. Und neben Baurs Bruder René, der einen Hausmeister mimt, spielt mit seiner Arbeitskollegin Olja Illic auch eine gelernte Schauspielerin mit. Sie ist in der Rolle einer alten Dame im Rollstuhl zu sehen, die bei einem „Pranx“-Konzert so ihre eigenen Fantasien entwickelt.
Binzwanger Open-Air wäre super
Zusammen mit anderen Youtube-Videos hätten „Pranx“immerhin bereits 140 000 Leute erreicht, rechnet Baur vor. Eine Popularität, die mitunter auch bizarre Auswüchse annimmt. So bekämen die Musiker in letzter Zeit immer wieder Konzertanfragen aus Mexiko, erzählt Baur und lacht. Warum „Pranx“gerade dort so beliebt ist, könne er sich selbst nicht erklären. Dass einige „Pranx“-Hits in die Playlist des HardRock-Cafés in Dubai aufgenommen wurden, daran hat der Schlagzeuger aber selbst Anteil: In seinem Urlaub hat er nebenbei ein wenig die Werbetrommel für seine Band gerührt. „Es ist einfach irreal“, kommentiert Baur schmunzelnd. Trotz dieser internationalen Erfolge würde der Saulgauer aber auch gerne mal wieder in seiner Heimat auftreten: „Mal wieder beim Binzwanger Open-Air auftreten, das wäre schon super.“