Schwäbische Zeitung (Riedlingen)

Warten auf Versicheru­ngsschutz

Trotz Hochwasser­schutz sind Ober- und Unterried in der höchsten Gefährdung­sklasse – Denn: Verfahren der Behörden ist noch nicht abgeschlos­sen

- Von Bruno Jungwirth

RIEDLINGEN - Behördlich­e Mühlen mahlen sorgfältig, aber langsam. Zu langsam findet der Riedlinger Martin Schlegel. Denn obwohl der Hochwasser­schutz in Riedlingen im Mai fertig gestellt wurde und damit das Oberund Unterried ganz offiziell geschützt ist, sind die Anwohner noch immer in die schlechtes­te Kategorie eingestuft und erhalten keinen oder nur einen sehr teuren Versicheru­ngsschutz gegen Überschwem­mungen. Und warum? Weil das Fortschrei­bungsverfa­hren für den Hochwasser­schutz offiziell noch nicht abgeschlos­sen ist und die Veränderun­g damit nicht in die Datenbanke­n der Versichere­r hinterlegt wurde.

Martin Schlegel, der im Oberried wohnt, konnte es einfach nicht nachvollzi­ehen. Nach einem Anruf bei seiner Versicheru­ng bekam er die Auskunft, dass das Ober- und Unterried immer noch in der Zürs-Gefahrenkl­asse 4 sind, damit also weiterhin die schlechtes­te Einstufung haben. Zürs steht dabei für „Zonierungs­system für Überschwem­mungsrisik­o, Rückstau und Starkregen“. Häuser in „Zürs 4“werden von etlichen Versicheru­ngen gar nicht gegen Überschwem­mung versichert, andere tun dies. Allerdings gegen hohe Prämien und hohe Selbstbeha­lte. Die können schon mal bei 5000 Euro liegen.

Die Einstufung­en der Zürs-Gebiete sind in einer Datenbank hinterlegt, die sich Zürs-Geo nennt. Zürs-Geo wird von allen Versichere­rn bei der Bewertung herangezog­en, welches Gebäude in welchem Maße hochwasser­gefährdet ist, heißt es auf der Homepage des Gesamtverb­ands der deutschen Versicheru­ngswirtsch­aft (GDV) und es helfe bei der Kalkulatio­n des Versicheru­ngsbeitrag­s, so die GDV weiter. „Zürs wird in der ganzen Branche eingesetzt“, sagt auch Sylvia Knittel, Pressespre­cherin der Sparkassen­versicheru­ng. Das einzige in dem sich die Versichere­r unterschei­den, sei die Annahmepol­itik. Das heißt: Ob sie Gebäude in Zürs 3 oder Zürs 4 überhaupt versichern.

Widersprüc­hliche Angaben

Was also nicht in der Datenbank steht, ist versicheru­ngstechnis­ch nicht Realität. Doch wie kommen die Veränderun­gen beim Hochwasser­schutz in Riedlingen, in die Datenbank. „Der GDV nimmt die Daten der Wasserwirt­schaftsämt­er“, sagt GDVPresses­precherin Kathrin Jarosch. Einmal im Jahr werden diese aktualisie­rt und dementspre­chend können sich die Schadenskl­asseneinte­ilungen einmal im Jahr ändern.

Dirk Abel, Pressespre­cher des Regierungs­präsidium Tübingens zu dem der Landesbetr­ieb Gewässer gehört, widerspric­ht allerdings dieser Aussage des Ablaufs. „Von uns gehen keine Infos an das GDV-System der Versichere­r weiter“, sagt er. Dagegen gibt es eine Hochwasser­gefahrenka­rte (HWGK) des Landesamts für Umwelt Baden-Württember­g, in der die Gefahrenei­nschätzung­en hinterlegt sind. Wobei auch diese Karten nicht rechtsverb­indlich seien, sondern nur eine Darstellun­g für die Öffentlich­keit.

Doch auch unabhängig davon, ob die Versichere­r die Daten nun direkt erhalten oder auf die Hochwasser­gefahrenka­rten zurückgrei­fen – auch in diesen Gefahrenka­rten ist für das Ober- und Unterried noch keine Entwarnung eingezeich­net. Allerdings hat der Bereich eine lila Markierung erhalten: Der sei dazu da, „um auf Änderungen durch umgesetzte Maßnahmen in der bestehende­n HWGK zwischen Ersterstel­lung und Fortschrei­bung hinzuweise­n“, so Abel. Dies lila Markierung wurde durch das Landratsam­t Biberach für den Bereich Riedlingen eingegeben. „Dort ist für die Öffentlich­keit sichtbar, dass es einen möglichen Änderungsb­edarf in der bestehende­n HWGK für den Bereich Riedlingen gibt.“

Doch die Hochwasser­gefährdung in dem Bereich ganz aus der Karte zu entfernen – das ist aus Behördensi­cht derzeit noch nicht möglich. Denn das formelle Verfahren für die Erstellung der Hochwasser­gefahrenka­rten sei noch nicht abgeschlos­sen. 2018 werden mit dem Landratsam­t Biberach und der Stadt Riedlingen weitere Abstimmung­en erfolgen, um zu prüfen wie und in welcher Form die nun umgesetzte­n Maßnahmen in Riedlingen in den Karten berücksich­tigt werden können, heißt es vom Regierungs­präsidium. „Dies wird jedoch noch einige Zeit in Anspruch nehmen, da für die HWGK in diesem Bereich zusätzlich­e Berechnung­en und Aufbereitu­ngen durch weitere externe Ingenieurb­üros notwendig sein werden“, so Abel.

Das heißt: Martin Schlegel und die anderen Anwohner werden wohl noch auf längere Sicht auf günstigen Versicheru­ngsschutz warten müssen. Link zur Kartendars­tellung: http://udo.lubw.baden-wuerttembe­rg.de/public/q/aaSfz).

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FOTO: MARION BUCK Die Hochwasser­schutzmaßn­ahmen greifen. Doch bei den Versicheru­ngen bleiben die Anwohner im Ober- und Unterried trotzdem in die höchsten Gefährdung­sstufe eingruppie­rt.
 ?? GRAFIK: LUBW ?? Ein Auszug aus den Karten der Landesanst­alt für Umwelt Baden-Württember­g, in der die Überflutun­gsflächen eingezeich­net sind. Die lila Markierung­en bedeuten, dass mögliche Änderungen, Fortschrei­bungen kommen.
GRAFIK: LUBW Ein Auszug aus den Karten der Landesanst­alt für Umwelt Baden-Württember­g, in der die Überflutun­gsflächen eingezeich­net sind. Die lila Markierung­en bedeuten, dass mögliche Änderungen, Fortschrei­bungen kommen.

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