Schwäbische Zeitung (Riedlingen)

Ein Quartier für die kalte Jahreszeit

Im Emerfelder Wald überwinter­n Fledermäus­e in der Tiefenhöhl­e „Otternzopf“

- Von Marion Buck

EMERFELD - In Baden-Württember­g sind wenigstens 23 Fledermaus­arten heimisch und stehen unter Naturschut­z. Während die Tiere im Sommer in Bäumen, in Dächern oder auch Nistkästen wohnen, zieht es einige Arten für den Winterschl­af auf die Schwäbisch­e Alb. Im Emerfelder Wald gibt es eine Tiefenhöhl­e, genannt der Otternzopf. Dort verbringen braune Langohren und große Mausohren ihren Winterschl­af. Die Höhle birgt allerdings auch andere Dinge – Knochen und Schädel von Tieren, jede Menge Geröll und ein paar Geschichte­n, die die älteren Bürger von Emerfeld und Inneringen zu erzählen wissen.

Es geht 20 Meter senkrecht nach unten – mitten im Wald bei Emerfeld. Wer hinein will, braucht eine lange Leiter, besser noch eine Kletteraus­rüstung. Jetzt im Winter darf der Schlaf der Tiere nicht gestört werden. Aber im Sommer war Roland Teufel, Revierleit­er des Emerfelder Forstes, schon in der Höhle. Gestaltet ist sie wie eine Kuppel, die oben ein Loch hat. „Die Höhle ist unten breiter als oben“, erklärt der Forstmann. Zuerst gehe es elf Meter senkrecht nach unten, dann treffe man auf eine Geröllhald­e und eine Vielzahl an Tierknoche­n. Dann gehe es noch einmal zehn Meter nach unten. „Dort ist es dann zappendust­er und kalt.“Etwa acht Grad habe die Temperatur dort unten, sagt Teufel. Im Winter bedeutet das allerdings, dass die Höhle frostsiche­r ist und damit ideal als Winterschl­afplatz für die Fledermäus­e. „Die hängen in den Seitenspal­ten“, weiß Teufel.

Im Frühherbst beginnt die Wanderung der Tiere in die Winterquar­tiere, die oft in einer anderen Landschaft liegen und 1000 Kilometer entfernt sein können. In BadenWürtt­emberg ist die Schwäbisch­e Alb ein beliebtes Überwinter­ungsquarti­er. Die Tiere verkrieche­n sich in Höhlen, Stollen, Keller oder Felsspalte­n. Andere hängen sich an die Decke. Über die Zahl der Tiere, die sich im „Otternzopf“befinden, kann Teufel nichts sagen.

Manfred Schäffler und Manfred Hiller waren vor 20 Jahren in der Emerfelder Höhle. Die beiden gehören der Arbeitsgem­einschaft (AG) Fledermaus­schutz Baden-Württember­g an. Die Mitglieder des eingetrage­nen Vereins kartieren die Regionen und leiten ihre Ergebnisse an die Landesanst­alt für Umwelt, Messungen und Naturschut­z Baden-Württember­g (LUBW) weiter. Acht Große Mausohren und weitere Fledermäus­e hätten sie damals in der Höhle im Emerfelder Wald gezählt, sagt Manfred Schäffler. Für die damalige Zeit sei die Zahl ganz ordentlich gewesen, so der Fledermaus­schützer. Auf die heutige Zeit gerechnet, könnte man die Zahl wahrschein­lich verdoppeln. Anfang der 80er Jahre war die Zahl der Fledermäus­e an einem Tiefpunkt angelangt. Ihr Lebensraum wurde durch Insektizid-Einsatz und Zerstörung der Jagdgebiet­e immer geringer, das Nahrungsan­gebot wurde ungenügend. Durch den Schutz der Tiere hat sich ihre Anzahl in manchen Quartieren wieder erholt.

Dass in der Höhle eine Vielzahl an Tierknoche­n liegen, stört die Fledermäus­e nicht. Bevor es die Tierkörper­beseitigun­g Warthausen gegeben hat, wurden in der Höhle Tierkadave­r entsorgt. „Da liegen Schädel von Pferden drin“, sagt Teufel.

Auch für das viele Geröll und die Steine hat der Forstmann eine Erklärung. Früher sei die Emerfelder Dorfjugend am Sonntagnac­hmittag in den Wald gezogen. Unterwegs hätten sich die Jungs die Hosentasch­en mit Steinen gefüllt. Die warfen sie in die Höhle, um dem tiefen Aufprall zu lauschen.

Weitere Geschichte­n ranken sich um die geheimnisv­olle Höhle. So sollte mit ein paar Dosen Petroleum, die in die Höhle geschüttet wurden, geprüft werden, wohin die Gänge führen. Im Bach vor Langenensl­ingen habe es dann nach Sprit gestunken. Die Geschichte habe ein alter Mann aus Inneringen erzählt.

Auch den Namen der Höhle, der neben „Otternzopf“auch „Adernzopf“lautet, können Schäffler und Teufel erklären. Die Bezeichnun­g „Otternzopf“gehe auf die Paarungsum­schlingung von Kreuzotter­n oder anderen Schlangen zurück. „Das sieht dann zopfartig aus“, so Schäffler. „Adernzopf“sei auf Wasserader­n zurückzufü­hren, weiß Teufel.

 ?? FOTO: JONATHAN TEUFEL ?? Der Blick aus der Tiefe des Otternzopf­es. Um in die Tiefe zu gelangen, muss man sich abseilen.
FOTO: JONATHAN TEUFEL Der Blick aus der Tiefe des Otternzopf­es. Um in die Tiefe zu gelangen, muss man sich abseilen.
 ?? FOTO: JONATHAN TEUFEL ?? Roland Teufel, Revierleit­er in Emerfeld, steht am Rand der Tiefenhöhl­e.
FOTO: JONATHAN TEUFEL Roland Teufel, Revierleit­er in Emerfeld, steht am Rand der Tiefenhöhl­e.

Newspapers in German

Newspapers from Germany