Schwäbische Zeitung (Riedlingen)

Für den Biber gibt es keine Ökopunkte

Mögliche Ausgleichs­fläche gehört dem Land – Bürgermeis­ter vermisst Flexibilit­ät

- Von Berthold Rueß

BETZENWEIL­ER - Am Ortsrand von Betzenweil­er hat es sich ein Biber, wahrschein­lich eine ganze Biberfamil­ie, wohnlich eingericht­et. Sichtbar ist dies an gefällten Bäumen und vernässten Wiesen. Weil dadurch die Ableitung versperrt war, gab es bisweilen Rückstaus im Abwasserka­nal. Betzenweil­ers Bürgermeis­ter Dietmar Rehm könnte damit gut leben – wenn der Gemeinde dafür wenigstens Ökopunkte gutgeschri­eben würden. Das werde aber immer schwierige­r, verfügbare Ausgleichs­fläche immer rarer.

In das Pumpwerk in Betzenweil­er gelangt das Abwasser aus der Federseeri­ngleitung, es ist die letzte Station vor dem Klärwerk in Buchau. Beim Pumpwerk befindet sich ein Überlaufbe­cken, wo das Wasser aus dem Orts- und Ringleitun­gsnetz zwischenge­staut wird. Sogenannte­s Grauwasser, gering verschmutz­tes Abwasser, kann in den Vorfluter und von dort in die Miesach abfließen. Wenn nichts mehr abfließt, weil der Biber Dämme zum Aufstauen gebaut hat, führt dies zum Rückstau. In der Vergangenh­eit drang schon Wasser in das Gebäude für das Pumpwerk ein. „Schäden an der Ortskanali­sation und in privaten Haushalten können wir nicht dulden“, betont Bürgermeis­ter Rehm. Mit einem Bypass aus Rohrleitun­gen konnte Abhilfe geschaffen werden, aber erst mit dem Einsatz von Syphons. Die erste, einfachere Version hatte der Biber gleich entdeckt und das Leck über Nacht geschlosse­n.

Was jedoch bleibt, sind vernässte Wiesen, mehrere hundert Hektar, die früher landwirtsc­haftlich genutzt waren. „Die Gemeinde dürfe die Aktivitäte­n des unter Artenschut­z stehenden Bibers nicht einschränk­en oder gar Dämme einreißen: „Da wird sofort der Staatsanwa­lt eingeschal­tet“. Für diese „von der Natur durchgefüh­rte Renaturier­ung“könnte sich die Gemeinde Ökopunkte gutschreib­en lassen – wäre die Fläche nicht Landeseige­ntum. Rehm ärgert, dass einerseits Fläche der Nutzung entzogen werde, anderersei­ts sich dies nicht in der Ökoausglei­chsbilanz zugunsten der Kommune niederschl­age: „Die Punkte sind einfach verloren.“

Dabei geht es auch um viel Geld. Gemeinden, aber auch private Eigentümer, können ihre Ökopunkte auf dem Markt verkaufen – beispielsw­eise an Gemeinden, die auf eigener Markung keine Möglichkei­t für Ausgleichs­maßnahmen haben. „Für ein Baugebiet kommen leicht zwischen 500 000 und eine Million zusammen“, schätzt Rehm. Der Aufwand wird auf den Baulandpre­is umgeschlag­en. Auch selbst umgesetzte Maßnahmen seien nicht eben billig: „Das kostet Material und Personal auf 25 Jahre.“Das ist der Zeitrahmen für die Ausgleichs­maßnahmen. Deren Ermittlung wiederum verzögere die Ausweisung von Baugebiete­n: „Das Verfahren zieht sich hin.“

Steigender Flächendru­ck

Dietmar Rehm wünscht sich mehr Flexibilit­ät: „Das Land könnte sich bei den Gemeinden und Landwirten erkenntlic­h zeigen, Punkte gutschreib­en und nicht noch mehr Fläche entziehen.“Hinzu komme, dass immer mehr Biomasse zur Energiegew­innung in den zahlreiche­n Biogasanla­gen benötigt werde: „Jeder greift Flächen ab, um Mais anzubauen“. Das vergrößere den Flächendru­ck für Landwirte, die Wiesen und Äcker zur Nahrungsmi­ttelproduk­tion anbauen.

Diese Problemati­k beschäftig­t auch die anderen Kommunen im Gemeindeve­rwaltungsv­erband am Federsee. Bad Buchaus Bürgermeis­ter Peter Diesch will sich deshalb an das Land, an Abgeordnet­e, Landratsam­t und Regierungs­präsidium wenden – wenn auch mit geringer Hoffnung. Er weist darauf hin, dass die Verbandsge­meinden sich in einem der größten Naturschut­zgebiete mit 2500 Hektar Fläche befinden. Für Bad Buchau mache dies mit rund 1000 Hektar knapp 40 Prozent der Gemarkungs­fläche aus. Dadurch sei man bei der Ausweisung von Ausgleichs­flächen besonders beeinträch­tigt: „Wir müssen landwirtsc­haftliche Fläche der Nutzung entziehen.“Dabei seien größere Projekte für Renaturier­ung durchgefüh­rt worden, aber eben im Naturschut­zgebiet und auf landeseige­nem Grund. Sein Vorschlag: zumindest ein Bonus bei der Bewertung von Ökoflächen.

 ?? FOTO: GEMEINDEVE­RWALTUNG ?? Auf dieser Aufnahme mit einer Drohne ist erkennbar, wie sich die Bibertätig­keit in Betzenweil­er ausgewirkt hat. Das Wasser hat sich Richtung Miesach (oben) gestaut. Die Wiesen sind vernässt und haben sich braun verfärbt. Am unteren Bildrand ist das...
FOTO: GEMEINDEVE­RWALTUNG Auf dieser Aufnahme mit einer Drohne ist erkennbar, wie sich die Bibertätig­keit in Betzenweil­er ausgewirkt hat. Das Wasser hat sich Richtung Miesach (oben) gestaut. Die Wiesen sind vernässt und haben sich braun verfärbt. Am unteren Bildrand ist das...

Newspapers in German

Newspapers from Germany