Schwäbische Zeitung (Riedlingen)
Biber, Bauern-Bashing, Flächenfraß
Bauernverband Biberach-Sigmaringen spricht Probleme und Herausforderungen an
BAD BUCHAU - Zu viel Bürokratie, der hohe Flächenverbrauch, aber auch zu wenig Wertschätzung in der Bevölkerung: Mit diesen Problemen haben die Landwirte in der Region zunehmend zu kämpfen. Bei der Versammlung des Bauernverbands Biberach-Sigmaringen im proppenvollen großen Saal des Bad Buchauer Kurzentrums nahmen die Redner die Herausforderungen der Landwirtschaft in den Blick. Für den Tübinger Regierungspräsidenten Klaus Tappeser ist die Landwirtschaft „unverzichtbar im ländlichen Raum“; er rief die Landwirte zu mehr Zusammenarbeit auf, prangerte einen modernen „Ablasshandel“in der Gesellschaft an und machte sich dafür stark, Hauswirtschaft als Schulfach einzuführen.
Mariä Lichtmess ist ein wichtiger Tag im bäuerlichen Jahreskreis: Am 2. Februar wurde in früheren Zeiten den Mägden und Knechten der Lohn ausbezahlt und ein neues Bauernjahr begann. Auch der Bauernverband Biberach-Sigmaringen richtete bei seiner Versammlung an Lichtmess den Blick in die Zukunft. Eine Zukunft mit vielen Herausforderungen, waren sich die Redner im Buchauer Kurzentrum einig. Die Liste ist lang: ob Düngeverordnung oder unterirdische Weizenpreise, Biber und Wolf oder neue Verordnungen zum Tierwohl.
Ein „Sauigeln mit Agrarfläche“
Ein Thema aber klang während der gut dreistündigen Veranstaltung immer wieder an: der Flächenschwund. „Im Landkreis Biberach ist in den letzten 30 Jahren doppelt so viel Fläche verbraucht worden wie im Landesdurchschnitt“, brachte Landwirt Josef Weber bei der Diskussionsrunde als Kritik am umstrittenen Industriegebiet Rißtal vor. 5,3 Hektar würden in Baden-Württemberg versiegelt – täglich!
Auch Vorsitzender Gerhard Glaser hatte in seiner Begrüßungsrede das „Sauigeln mit Agrarflächen“scharf verurteilt. Geschäftsführer Niklas Kreeb und der Erste stellvertretende Vorsitzende Hubert Hopp schlugen in dieselbe Kerbe. „Es kann nicht sein, dass sich jeder Bürgermeister nur damit präsentiert, wie viel Hektar Bauund Gewerbegebiet er hat“, brachte es Hopp auf den Punkt. Regierungpräsident Klaus Tappeser, Hauptredner der Veranstaltung, stellte das Thema dagegen in einen größeren Zusammenhang: „Ein der großen Herausforderungen ist die Tatsache, dass es dem ländlichen Raum so gut geht.“Der Flächenverbrauch – Tappeser bevorzugte den Begriff „Flächengebrauch“– sei das „Problem einer prosperierenden Region“. „2,8 Prozent Arbeitslosigkeit im Landkreis und volle Auftragsbücher schreien nach neuen Gewerbeflächen, nach neuer Wohnbaufläche“, so Tappeser weiter. Zudem verfüge die Region seit jeher über „zu wenig leistungsfähigen Straßen“. Die Konsequenz: „Das braucht unterm Strich mehr Fläche.“
Die weitere Umsetzung der FloraFauna-Habitat-Richtlinie werde dagegen nicht zu Lasten der landwirtschaftlichen Fläche gehen, versprach der Regierungspräsident. Und auch sonst bot er den Landwirten seine Unterstützung an. „Unsere Landwirtschaft im Fokus – unverzichtbar im ländlichen Raum“, war seine Rede überschrieben. Darin äußerte er sich kritisch gegenüber einer „geänderten Verbrauchereinstellung“. „Die Welt ist etwas schizophren. Wir erleichtern heute unser Gewissen mit Ersatzhandlungen“, prangerte Tappeser einen modernen Ablasshandel an, den auch Glaser zuvor angesprochen hatte: Reden über den Klimaschutz und selbst einen SUV fahren, das passe nicht zusammen.
Zudem entfernten sich weite Teile der Gesellschaft immer stärker von der Landwirtschaft. Wenn die junge Generation keinen Braten mehr richtig zubereiten könne, stehe es schlecht um die Direktvermarkter, findet Tappeser, der sich deshalb für Hauswirtschaft als Schulfach aussprach. Neben der Rolle des Produzenten qualitätsvoller Nahrungsmittel erfüllten die Landwirte aber auch die Aufgabe, die Kulturlandschaft zu erhalten. „Viele Leute wissen eigentlich gar nicht, was die Landwirtschaft wirklich bei uns leistet.“
„Wir müssen selber über uns reden, bevor es andere tun“, riet deshalb Walter Holderried, Erster Landesbeamter des Landkreises Biberach, den Landwirten zu mehr Öffentlichkeitsarbeit. Durch die Debatte um mehr Tierwohl, Glyphosat oder Nitrat sei die „Landwirtschaft in der Defensive“: „Für eine bessere Akzeptanz müssen wir da Anpassungen vornehmen, wo die Kritik gerechtfertigt ist – und dort, wo sie nicht gerechtfertigt ist, Produktionsmethoden und -vorgehen transparent gestalten.“
Mangelnde Wertschätzung in der Bevölkerung, zuweilen ein regelrechtes „Bauern-Bashing“, hatten auch der Vorsitzende Glaser, Geschäftsführer Kreeb und einige Teilnehmer der Diskussionsrunde beklagt. Landwirtschaftsmeisterin Simone Lederer, die für die Landjugend sprach, wünscht sich hier mehr Unterstützung von der Politik. Auch, was den Abbau der Bürokratie betreffe, die der Erste stellvetretende Vorsitzende Hopp ebenfalls mit deutlichen Worten beklagte: „Wir ersaufen in unserer Bürokratie, wir stehen uns selber im Weg.“
WEITERE BERICHTE FOLGEN.
„Wir ersaufen in unserer Bürokratie, wir stehen uns selber im Weg.“Hubert Hopp, stellvertretender Kreisobmann des Bauernverbands Biberach-Sigmaringen