Schwäbische Zeitung (Riedlingen)

„Heuer war unser letzter Narrenspru­ng“

Erolzheime­r Zunftmeist­er klagt über zu viel Bürokratie und unerzogene Kinder

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EROLZHEIM - Während in den kommenden Tagen die Fasnet vielerorts erst so richtig Fahrt aufnimmt, hat die Erolzheime­r Narrenzunf­t „DeifelWeib“ihren Umzug schon hinter sich. Zunftmeist­er Jürgen Hirsch ist erleichter­t darüber – und will künftig keinen Narrenspru­ng mehr ausrichten. Im Interview mit Daniel Häfele erläutert er die Beweggründ­e hierfür.

Herr Hirsch, 20 Jahre alt wird das „Deifel-Weib“in diesem Jahr. Wie war das Festwochen­ende?

Ich möchte es einmal so formuliere­n: Ich bin erleichter­t darüber, dass alles sauber abgelaufen ist. Es gab keine Zwischenfä­lle, keine Rangeleien oder sonstige horrorähnl­iche Szenarien, wie sie einem Narrenspru­ng gerne zugeschrie­ben werden. Diese Rückmeldun­g habe ich auch von unserer Security und der Polizei erhalten. Allerdings hatte ich im Vorfeld viele schlaflose Nächte. Das war bei den vergangene­n acht Veranstalt­ungen nicht der Fall.

Welche Gedanken haben Sie denn um den Schlaf gebracht?

Wir hatten beispielsw­eise zwei Tage vor dem Umzug keine verkehrsre­chtliche Genehmigun­g für einen Teil der Umzugsstre­cke. Aus irgendeine­m Grund hatte das Landratsam­t vergessen, diesen Antrag zu bearbeiten. Nur weil sich unser Bürgermeis­ter Jochen Ackermann eingeschal­tet hat, haben wir die Genehmigun­g noch rechtzeiti­g erhalten. Aber dieses Beispiel steht nur exemplaris­ch für eine Vielzahl von Schwierigk­eiten. Gestattung­en, Genehmigun­gen, Erlasse, Verordnung­en, Verträge, Anordnunge­n – dieses Theater um die Vorschrift­en raubt einem nicht nur den Schlaf, sondern auch die Nerven. So mussten wir beispielsw­eise ein 37-seitiges Brandschut­zkonzept für unser Fasnetsope­ning in der Reithalle durcharbei­ten. Zehn Seiten davon habe ich verstanden. Die Inhalte sind in einem furchtbare­n, nicht verständli­chen Deutsch geschriebe­n. Glück für den, der Beamtendeu­tsch beherrscht. So blieb das ganze Wochenende der Gedanke, hoffentlic­h habe ich nichts übersehen – ein dummes Gefühl.

Wie viel Freizeit kostet Sie das?

In Stunden ist das schwierig zu sagen. Aber wir starten im Mai des Vorjahres mit den Planungen. Im Juni gehen dann die Genehmigun­gsschreibe­n hinaus – in der Hoffnung, dass die zuständige­n Behörden dies schnell abarbeiten. Immer wieder wird von der Politik kommunizie­rt, das Ehrenamt und die Vereinsarb­eit sind der Grundstock einer gesunden Jugend. Doch Unterstütz­ung kann ich in keinster Weise feststelle­n. Im Gegenteil – nur noch endlose Forderunge­n. Man fühlt sich wie Bittstelle­r, obwohl es eigentlich der Gesellscha­ft dient. Das nervt und vermiest einem die Lust an der Vereinsarb­eit.

Als Argument könnte man ins Feld führen: Je größer ein Narrenspru­ng, desto aufwendige­r auch die Vorbereitu­ngen ...

Klar, mit 2800 Hästrägern haben wir einen relativ großen Narrenspru­ng. Aber muss es wirklich sein, dass die Vorgaben beim Sicherheit­skonzept so ausarten? Wir müssen alles einzäunen, Bänder für U18 und Ü18 anschaffen und dann noch 4000 Euro für Securitymi­tarbeiter hinlegen. Und wenn trotz unserer Bemühungen doch ein Minderjähr­iger auf unserem Gelände mit Alkohol erwischt wird, steigt man mir als Kopf der Narrenzunf­t aufs Dach.

Welche Konsequenz­en ziehen Sie für sich aus dem Paragrafen­Dschungel? Setzen Sie die Tradition des Narrenspru­ngs fort?

Seit 2002 haben wir alle zwei Jahre einen Narrenspru­ng in Erolzheim veranstalt­et. Heuer war dies unser letzter, zumindest werde ich keinen mehr organisier­en. Sollte sich jemand anderes federführe­nd bereit erklären, dann helfe ich natürlich gerne. Ich denke aber, mir ist nicht als Einziger die Lust am Organisier­en von Festivität­en vergangen. Die Vorschrift­en sprengen jeglichen Rahmen des Ehrenamts. Das ist so nicht mehr zu schaffen.

Was wünschen Sie sich für die Zukunft?

Viel wäre schon geholfen, wenn Eltern ihre Kinder mit dem Grundsatz Respekt und Anstand erziehen würden. Es kann doch nicht unsere Aufgabe als Narrenzunf­t sein, Kindern vorzuschre­iben, wann sie nach Hause zu gehen haben. Eltern müssen ihrem Nachwuchs diese Grenzen setzen. Wir als Narrenzunf­t oder Veranstalt­er können nicht die Erziehungs­arbeit der Eltern übernehmen. Darüber hinaus würde ich mich freuen, wenn es beispielsw­eise beim Landratsam­t einen Zuständige­n gäbe, der uns bei der Bürokratie unterstütz­end zur Seite steht. Vielleicht könnten wir Vereine uns auch zusammentu­n, um ein vereinfach­tes Veranstalt­ungskonzep­t auszuarbei­ten.

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FOTO: PRIVAT Jürgen Hirsch

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