Schwäbische Zeitung (Riedlingen)
Analog fotografieren im digitalen Zeitalter?
Die analoge Fotografie unterscheidet sich von der digitalen im Herstellungsprozess in zwei wesentlichen Punkten: Erstens, die geschossenen
Bilder sind nicht umgehend sichtbar, sondern benötigen einen langen Entwicklungsprozess. Zweitens, ein Bild kostet bereits dann Geld, wenn es belichtet wird – nicht erst dann, wenn es gedruckt wird. Ja, das sind aus digitaler
Sicht zwei unsinnige Einschränkungen.
Aber wie so oft, sind die beschränkten Dinge wertvoller als die unerschöpflichen. Der digitale Fotograf kann unmittelbar nach dem Belichten das Ergebnis bewerten und solange wiederholen, bis ihm der Zufall ein brauchbares Ergebnis durch die Linse stolpern lässt. Der analoge Fotograf muss dagegen sein Handwerk verstehen, sonst wird er sehr schnell pleite gehen. Der Geldfaktor unterdrückt den Impuls, einfach nur so auszulösen. Das steigert den Anspruch an das Motiv und fördert Qualität.
Der Unterschied zwischen der digitalen und analogen Technik spiegelt sich am stärksten im Charakter des Fotografen wider: Der eine ein Knipser, ein „Immerdraufhalter“, der den perfekten Moment lediglich aus einer digitalen Datenflut destilliert. Der andere ein geduldiger Beobachter, der den perfekten Moment antizipiert und darauf wartet, ihn mit einem präzisen Schuss festzuhalten.
m.scheyer@schwaebische.de
Vor ein paar Jahren musste jeder, der hip und cool sein wollte, eine haben – die Lomo. Die russische Kompaktknipse lieferte schön verwaschene Bilder, die genau dem modischen Idealbild entsprachen, was dann Fotofiltertricksereien der Marke Hipstamatic und Instag- ram digital nachahmten. Die Lomografie war eine nette Spielerei, genau wie das derzeitige Polaroid-Revival. Doch sie hatte eben auch ihre unsympathische Seite: Vieles sah künstlerisch aus, war aber fotografisch eigentlich Mittelmaß. Der coole Look war ideal zum Kaschieren und Blenden, und plötzlich hielten sich blutige Amateure für den nächsten Ansel Adams.
Natürlich kann man diese Kompetenzsimulation auch Nutzern von Fotoplattformen wie Instagram vorwerfen, und dann ist da auch noch die Frage, inwiefern speziell dieser Internetdienst nicht nur Bildsprache, sondern auch unseren Blick für die Welt verändert.
Für mich gibt es trotzdem keine Alternative zur digitalen Fotografie. Wenn Bilder gestochen scharf und Farben brillant sein sollen, führt für mich kein Weg an Spiegelreflex & Co. vorbei, ob beruflich oder privat. Allein schon, weil es viel praktischer ist. Und wer seine digitalen Fotos unbedingt auf Papier haben will, kann sie sich ja einfach ausdrucken – sofort und ohne Wartezeit wie früher beim Filme entwickeln.
Analog geschossene Fotos sind einfach wertvoller.
Von Michael Scheyer
Das Analog-Revival ist etwas für Hipster und Blender.
Von Daniel Drescher
d.drescher@schwaebische.de