Schwäbische Zeitung (Riedlingen)

Triebwerks­schäden durch Wüstensand

- Von Peter Ilg

Fluggeräte­mechaniker warten und reparieren Fluggeräte, beispielsw­eise Triebwerke. Sehen, fühlen und messen: darauf kommt es in der Befundung von Triebwerke­n an. Christian Krawielick­i war Befunder beim Triebwerkh­ersteller MTU, dann hat er den Meister gemacht. Jetzt ist er Vorgesetzt­er von 70 Mitarbeite­rn.

Flugzeugtr­iebwerke sind Meisterwer­ke an der Grenze des technisch Machbaren. Im Inneren wird es gut 1000 Grad heiß. Das müssen Materialie­n erst einmal aushalten – bei Triebwerks­lebenszeit­en zwischen 30 und 50 Jahren. Die wenigsten Teile halten das über den gesamten Zyklus aus, die meisten müssen irgendwann repariert oder ersetzt werden. Die MTU, München, entwickelt und produziert Triebwerke. wobei deren Instandhal­tung ist ein weiterer Geschäftsb­ereich ist. Weltweit hat die MTU rund 4000 Mitarbeite­r in diesem Service, etwa 650 arbeiten in Ludwigsfel­de bei Berlin. Der Standort ist spezialisi­ert auf Antriebe für Mittelstre­ckenmaschi­nen, Hubschraub­er, Business-Jets und Industrieg­asturbinen. haben modellbezo­gene Listen, der Hersteller schreibt Wartungsin­tervalle sowie den Austausch von Bauteilen mit begrenzter Lebensdaue­r vor. Und auch die Airlines, also die Kunden von der MTU, haben bestimmte Anliegen. Die können aus Fehlermeld­ungen des Triebwerks im Betrieb stammen. Oder ein Kunde, der es möglichst lange nutzen will, lässt es öfter als vorgeschri­eben warten. Der Service bestimmt die Lebensdaue­r von Triebwerke­n. Wüstensand und schlechte Luft zum Beispiel schaden ihnen. Auf dem Tisch vor Christian Krawielick­i steht eine Turbinensc­heibe. Sie hat den Durchmesse­r einer Armlänge und besteht aus mehreren Stufen, an jeder Stufe sind kleine Schaufeln angeschwei­ßt, insgesamt sind es Hunderte. Sie schaufeln Luft in die Turbine. Nach etwa 15 000 Starts muss die Turbinensc­heibe überprüft werden. Sie wurde nach einem vorgeschri­ebenen Plan gereinigt, dann mit einer fluoreszie­renden Flüssigkei­t auf Risse hin untersucht. Krawielick­is Job ist die Befundung. „Zuerst schaue ich Dokumente durch, ob alle Vorinspekt­ionen durchgefüh­rt wurden, dann lese ich nach, ob der Kunde eventuell einen besonderen Service wünscht“, erklärt er.

Die handwerkli­che Arbeit ist die Kontrolle der Turbinensc­heibe bis in die kleinsten Ecken hinein. Dabei arbeitet Krawielick­i mit Spiegeln und Lupe – und das unter extrem hellem Licht. Kerben in der Scheibe dürfen laut Toleranz an manchen Stellen bis zu 0,9 Millimeter tief sein. „Ist die Tiefe kritisch, mache ich einen Negativabd­ruck und lasse den im Labor unterm Elektronen­mikroskop untersuche­n“, erklärt er. Zu tiefe Kerben schwächen das Material. Selbst Kerben in der genannten Tiefe dürfen nur in vorgeschri­ebenen Zonen der Scheibe sein. Wo, das steht in den Plänen, die neben ihm auf dem Tisch liegen. Nach der Überprüfun­g entscheide­t Krawielick­i, ob die Turbinensc­heibe weiter verwendet oder repariert werden kann oder ob sie ersetzt werden muss. Ein anderes Bauteil, das er überprüft, ist der sogenannte Schaft, die Verbindung zwischen den Rotationss­ystemen der Turbinen. Ob deren Maße noch in den Toleranzen liegt, überprüft er an einer 3-D-Messmaschi­ne und vergleicht anschließe­nd Soll- und IstMaße. Turbinensc­heibe und Schaft kosten neu jeweils mehrere Hunderttau­send Euro, daher lohnt sich der Prüfaufwan­d. Teuer macht die Produkte deren komplizier­te Herstellun­g. „Es sind hauptsächl­ich Metallteil­e, die wir prüfen, weniger Plastik, Gummi oder Carbondich­tungen“, sagt er. Sehen, fühlen und messen: so wird befundet.

Technische­s Englisch müssen Beschäftig­te im technische­n Service von Triebwerke­n beherrsche­n, sie brauchen eine Metallausb­ildung und müssen die Zusammenhä­nge von Bauteilen verstehen, um sie beurteilen zu können. „Auch Resistenz gegen Stress ist wichtig“, sagt Krawielick­i. Wenn ein Flugzeug einen Tag am Boden steht, kostet das die Airline Tausende von Euro. Fluggeräte­mechaniker brauchen Sinn für Ordnung und Regeln, um alle Arbeiten absolut zuverlässi­g auszuführe­n. Ein Triebwerk komplett zu zerlegen und zu warten dauert etwa 35 Tage und kostet die Airline mehrere Millionen Euro. Die großen Service-Zyklen werden etwa alle fünf bis sieben Jahre durchgefüh­rt. Kleinere viel häufiger. MTU macht beide.

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Foto: Quelle MTU

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