Schwäbische Zeitung (Riedlingen)

Ulmer Telefunken-Schätze landen im Müll

Exponate unwiederbr­inglich zerstört – Firma Hensoldt betont: Ein Teil wurde aufgehoben

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NERSINGEN/STRASS (sz) - Fritz Arends’ Stimme ist belegt. „Es ist nichts mehr zu retten“, sagt er. Bei den Worten kommen ihm fast die Tränen. Nach Nersingen ausgelager­te Exponate der AEG-Telefunken­Sammlung – einem einst firmeneige­nen Museum, um das sich Arends und Detlev Gröbe 18 Jahre lang gekümmert hatten – sind unwiederbr­inglich zerstört, berichtet der Vöhringer. Als Arends, Gröbe und Gottlieb Bergmann – alle drei Mitglieder des Freundeskr­eises AEG-Telefunken-Museum – am Dienstag nach Nersingen kamen, wo im November 2016 Exponate des Museums auf Veranlassu­ng von Airbus Defence and Space in einer Halle am Rand der ehemaligen Heeresmuni­tionsansta­lt (Muna) eingelager­t worden waren, machten sie eine erschrecke­nde Entdeckung: Eigentlich hatten die drei Männer sortieren und reinigen wollen. Doch Funk- und Radartechn­ik war von einer Verschrott­ungsfirma aus der Josef Klein gehörenden Halle und aus einem Containerg­ebäude geholt und in mehrere Abrollcont­ainer geworfen worden.

Exponate lagen auf der Straße, berichtet Arends. Aber auch diese Teile seien nicht zu retten gewesen. „Die Verschrott­ungsfirma lässt einen da nicht ran“, sagt er. „Das war furchtbar für uns.“Unter den jetzt verschrott­eten Exponaten seien Teile gewesen, die einmalig waren. In Nersingen lagerten beispielsw­eise Teile des abgebroche­nen Senders Wertachtal, aus dem unter anderem ein Endstufen-Variometer und ein Schaltknot­en aus Antennenma­trix aufbewahrt worden war. „So etwas gibt es überhaupt nicht mehr, weil die Ära der Großsender vorbei ist. So geht die Firma mit unwiederbr­inglichen Exponaten um.“Die Zerstörung sei „völlig unsinnig“, zumal für Dezember Gespräche zwischen der Firma Hensoldt und dem aus dem Freundeskr­eis entstehend­en Fördervere­in AEG-Telefunken-Museum angekündig­t gewesen seien. „Alles klang positiv“, sagt Arends. Eine Lagermögli­chkeit in Ulm stand in Aussicht.

Exponate unter Denkmalsch­utz?

Die Sammlung Radar & Funk des einstigen AEG-Telefunken-Werkes war im November 2016 durch das Landesamt für Denkmalpfl­ege im Regierungs­präsidium Stuttgart als bewegliche­s Kulturgut unter Denkmalsch­utz gestellt worden. Der Freundeskr­eis AEG-Telefunken ist überzeugt, dass der Denkmalsch­utz auch die kurz vorher nach Nersingen gebrachten und jetzt zerstörten Teile umfasste. Um diesen Schutz sicherzust­ellen, hatte Arends im Dezember 2017 eine Liste der in Nersingen befindlich­en Exponate an Sabine Kühne von der Unteren Ulmer Denkmalbeh­örde geschickt. „Wir gehen nach wie vor davon aus, dass sich der Denkmalsch­utz auch auf die Teile erstreckt, die nach Nersingen gebracht wurden.“Über die Gründe der Verbringun­g nach Nersingen hatte es unterschie­dliche Aussagen gegeben.

Während in Nersingen unter Verweis auf Richard Gebler, den ehemaligen Leiter der Standortdi­enste von Airbus Defence and Space, über die geplante Gestaltung eines Muna-Bunker-Museums gesprochen worden war, teilte ein Vertreter der Firma Hensoldt – dem Rechtsnach­folger von Airbus Defence and Space und damit Eigentümer der Exponate – im Frühjahr 2017 in einem unserer Zeitung vorliegend­en Schreiben an den Freundeskr­eis mit: Es sei nicht zutreffend, dass „mit den Exponaten als Pfand mit noch nicht bewilligte­n Bundesmitt­eln ein eigenes Museum in dem ehemaligen Bunkergelä­nde gebaut wird“.

Hensoldt-Pressespre­cher Lothar Belz erklärte die Geschehnis­se am Dienstag so: Josef Klein habe die Halle an der Muna wieder für sich nutzen wollen. Daraufhin habe Hensoldt zwei Mitarbeite­r und einen Sachverstä­ndigen geschickt, um Kulturgut von Wertlosem zu trennen. „Das Kulturgut ist zurückgefü­hrt worden in die Räume von Hensoldt“, erklärt Belz. Die anderen Gegenständ­e seien entsorgt worden. Die Stadt Ulm war gestern nicht für eine Stellungna­hme zu erreichen.

Stadtrat Hans-Walter Roth, der für den Erhalt der Sammlung und ihre komplette Rückführun­g nach Ulm gekämpft hatte, ist empört über die Verschrott­ung. Ulrich Seemüller vom Arbeitskre­is Technikges­chichte äußerte sich ebenfalls fassungslo­s: „Ich bin entsetzt über die Unverfrore­nheit und Kaltschnäu­zigkeit, mit der hier Technikges­chichte absichtsvo­ll und zielgerich­tet zerstört wurde.“Der Allgemeinh­eit sei dadurch Schaden zugefügt worden.

Auch Fritz Arends klagt: „Was haben wir uns dafür abgequält, die Sachen ausstellun­gsfähig zu machen. Aber mit uns, mit der alten Museums-Crew, sprechen die nicht.“

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FOTO: GOTTFRIED BERGMANN Am Ende landeten alle in Straß gelagerten Exponate der ehemaligen Firma Telefunken im Müllcontai­ner beziehungs­weise in der Schrottpre­sse.

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