Schwäbische Zeitung (Riedlingen)
Eine CDU-Frau auf dem Weg nach oben
Kultusministerin Susanne Eisenmann könnte der Streit zwischen Strobl und Reinhart nutzen
STUTTGART - Derzeit Kultusministerin, demnächst vielleicht Ministerpräsidentin? Es mehren sich bei CDU wie bei Grünen die Stimmen, dass Susanne Eisenmann als lachende Dritte aus dem Konflikt zwischen dem CDU-Parteichef und stellvertretenden Ministerpräsidenten Thomas Strobl und Fraktionschef Wolfgang Reinhart hervorgehen könnte. Dass Strobl und Eisenmann nicht nur politische Freunde sind, macht die Frage nach der Spitzenkandidatur für die Landtagswahl 2021 umso pikanter.
Die Reform des Landtagswahlrechts war der Anlass für die jüngste Machtprobe von Reinhart gegen Strobl. Für Beobachter ist schon lange klar, dass Reinhart sich als neuen starken Mann der CDU in Stellung bringt. Aus der Rivalität der beiden Spitzenmänner könnte Susanne Eisenmann Profit schlagen. Denn, so sagt ein CDU-Kenner, der Strobl nahesteht: „Genügend Potenzial haben die beiden, um sich gegenseitig als Spitzenkandidat zu verhindern.“
Eisenmann ist durch und durch ein politischer Mensch. 1964 im Stuttgarter Stadtteil Cannstatt geboren, trat sie mit 16 Jahren der Jungen Union bei. In Stuttgart studierte sie unter anderem Politikwissenschaften und promovierte in Germanistik. Von 1991 bis 2005 leitete sie das Büro von Günther Oettinger, der damals Vorsitzender der CDU-Fraktion war und später Ministerpräsident wurde. Dessen früheren Sprecher Christoph Dahl, der heute die Baden-Württemberg-Stiftung leitet, hat sie geheiratet.
Klar, dass Eisenmann also im sogenannten Oettinger-Lager der Landes-CDU zu verorten ist – so wie auch Strobl. Es ist der Teil der Partei, der versucht, die CDU zu modernisieren. Teile der Landtagsfraktion sehen darin eine Aufgabe konservativer Werten – was Eisenmanns Stand bei den Abgeordneten erschwert, zumal sie nicht Teil der Fraktion ist.
Ganztagsschulen gefördert
Dass sie pragmatisch denkt und handelt, hat Eisenmann von 2005 bis 2016 als Schulbürgermeisterin von Stuttgart bewiesen. Sie förderte die Ganztagsschule, wo sie gewünscht war, und beantragte acht Gemeinschaftsschulen – eigentlich eher Projekte, für die Grüne und SPD stehen.
Eisenmann hatte keinen leichten Einstieg als Ministerin. Sie war erst wenige Monate im Amt, als sie verkünden musste, wie massiv die Leistungen baden-württembergischer Schüler laut einer Studie abgesackt waren. Eisenmann erklärte dies nicht – wie viele ihrer Parteifreunde – exklusiv mit Verfehlungen der grün-roten Vorgängerregierung, sondern nahm auch die schwarz-gelbe Landesregierung davor in die Pflicht. Sie ging in die Offensive. Seitdem hat sie die Stärkung der Qualität an den Schulen zu ihrem Motto gemacht.
Was das bedeutet, bezeichnen manche als brutales Durchregieren. Im Kampf gegen den Lehrermangel schickt sie etwa Lehrer, die in Behörden abgeordnet sind, in Scharen zurück in die Klassenzimmer. Als Kultusministerin des früheren Bildungsmusterländles holt sie sich Rat in Hamburg und Schleswig-Holstein – zwei Länder, die in den Bildungsstudien massiv zulegten. Sie benennt Probleme im eigenen Haus unverblümt und sucht nach pragmatischen Lösungen. Sie trifft Entscheidungen und trotzt jeder Kritik daran. Das hat ihr auch viel Unmut eingebracht – etwa vom Landeselternbeirat, der im Dezember eine Petition startete. „Wir Eltern in Baden-Württemberg sind beunruhigt und verärgert über Inhalt und Stil der Diskussion um gute Schule und Bildungsqualität in unserem Land“, heißt es darin.
Lange schon brodelt es auch beim grünen Koalitionspartner. Dass Eisenmann das „Schreiben nach Gehör“abgeschafft hat, stieß schon auf offenes Grummeln. Zum verhaltenen Aufstand kam es aber erst jüngst, als sie den Schulversuch „Grundschule ohne Noten“per Federstrich beendete. „Die Kultusministerin argumentiert nicht sachlich“, sagt die GrünenBildungsexpertin Sandra Boser.
Was Anhänger wie Kritiker Eisenmanns ihr gleichermaßen bescheinigen, ist Durchsetzungskraft. Also das, was Strobl im Umgang mit Reinhart und der Fraktion vermissen lässt. So sorgte sie etwa für einen Paukenschlag, als der Landeshaushalt für 2017 verhandelt wurde. Eisenmann sah zu wenig Geld für ihr Ressort – und kündigte öffentlich an, Inklusion und Informatikunterricht zu stoppen. Sie bekam zwar einen Rüffel von Ministerpräsident Winfried Kretschmann (Grüne), aber auch deutlich mehr Geld.
Als eitel gilt sie nicht
Eltern und Lehrer berichten, dass sie mitunter barsch auf Kritik reagiert, persönliche Eitelkeit hat ihr aber noch niemand vorgeworfen. Damit unterscheidet sie sich von Reinhart, denn dies gilt Beobachtern als die größte Schwäche des Fraktionschefs. Dass sie als potenzielle CDU-Spitzenkandidatin gehandelt wird, dürfte Eisenmann dennoch schmeicheln, auch wenn sie sich an solchen Gedankenspielen nicht beteiligt.
Eisenmanns Spitzenkandidatur wäre ein kluger Schachzug der CDU. Sie wäre der Beweis, dass Frauen in der Partei etwas werden können, vielleicht sogar die erste Ministerpräsidentin in der Geschichte des Landes. Das könnte auch die Grünen ins Schwitzen bringen, selbst wenn der beliebte Ministerpräsident Kretschmann nochmal antreten sollte. Die Freundschaft zwischen Strobl und „Nanni“wäre dann wohl erledigt.