Schwäbische Zeitung (Riedlingen)
In „Daiberstetten“regieren jetzt die Narren
Schüler wurden befreit, der Vogel abgeschossen und der Bürgermeister entmachtet
ERTINGEN - Ein großes Arbeitspensum hatten die Narren der Ertinger Gloggasägerzunft am Gompiga Donnschtig zu absolvieren. Zuerst wurden die Kinder von ihrem schweren Joch befreit und danach hieß es „Anlegen – zielen – schießen“, denn das Fasnetsvogelschießen gehört zur Ertinger Ortsfasnet und ist einmalig in der Region. Anders sieht es alljährlich bei der Bürgermeisterabsetzung aus. Er, Jürgen Köhler, sowie all seine Kollegen haben ab dem Gompiga Donnschtig einfach nichts mehr auf dem Rathaus zu sagen. Er wurde abgesetzt und der Rathausschlüssel ging in die Hände von Zunftmeister Klaus Diesch.
Doch zuvor die erste Überraschung: Das Fasnetsvogelschießen nahm heuer einen ungeahnten Verlauf. Waren es jahrelang die Schüler und Lehrer, die „abräumten“, kamen sie heuer ins Hintertreffen. Diesmal waren es die Narren, die genug „Zielwasser“getrunken hatten und den Vogel abschossen. Ihnen folgten die Lehrersleut und am Schluß die Schüler sowie die Rathausmannschaft. „Koi Wonder, mir hond au d'Gmoindrät drbeighet, dia treffet doch nichts“, so ein Rathausteufel, der zu seiner Verteidigung die armen Räte vorschob.
Wenn das nicht schon genug wäre, traf es Bürgermeister Jürgen Köhler ein zweites Mal. Das ganze Narrenvolk hatte sich vor dem Rathaus versammelt, wobei sich der Schultes „höllische Helfer“zulegte. Das Rathausteam präsentierte sich als Teufel mit Dreispitz. Half aber alles nichts, es kam, wie es kommen musste. „Jetzt sind wir am Rathaus angekomma, dia Macht wird nun von eis Narra übernommen“, tönte es lauthals von Zunftmeister Klaus Diesch, der sich am Rathaus samt närrischem Gefolge, der Jugendkapelle und den Kindern postiert hatte. „Kommad Hexa, setzet a ond brengad mir da Schlüssel mitsamt dem Ma“. Das war das Startzeichen für die Hexen, die den Schultes aus dem Büro zerrten, um ihn dann zu entmachten. Noch zeigte der Bürgermeister eine gewisse Gegenwehr: „Wa denkat ihr Narra au für Sacha, i sott doch noh soviel schaffa“. Angesichts der großen Übermacht gab er dann klein bei und der Rathausschlüssel ging in die Hände des Zunftmeisters. „Ihr kennat mi noch Aschermittwoch wieder spanna vor den Schultes-Karra“. Diesem Wunsch werden die Narren sicher wieder nachkommen.
Nicht nur als Zeichen der Macht, nein, auch um zu zeigen, dass im Ort Frohsinn und Heiterkeit regieren, wurde dann wieder unterhalb des Rathauses der Narrenbaum gestellt. „Ihr liebe Narra, alt und jung, ihr Mäschkerla, die ihr mit Schwung da Narrabaum hand begleitet, jetzt wird dia Fasnet vobereitet“, so freute sich Zunftmeister Klaus Diesch mit der großen Narrenschar, die sich zu diesem Akt eingefunden hatte. „Hau - ruck, hau - ruck“, so feuerte der Narrenchef die Hexen an, die in gekonnter Manier den schmucken Baum erstellten, an dem sämtliche Ertinger Masken verewigt sind. „Drom Hexa, gebet acht und richtet mit Verstand bedacht, den Narrenbaum sacht in die Höh’, damit man weit und breit schon seh, dass Daiberstetters Bürgersleut erfüllet sind mit Heiterkeit“.
Nach dem Karpatschenknallen und einem dreifachen „Heini – Hano“, zog der Tross dann weiter in die Kulturhalle, wo ein gemeinsame Essen auf die Narrenschar wartete.