Schwäbische Zeitung (Riedlingen)

Hut ab vor diesen drei Frauen

Die „neue“Theaterei schafft auf der Bühne ein seltenes Kunststück

- Von Florian L. Arnold Weitere Aufführung­en am 9. und 11. Februar, 2. und 3. März. Karten unter Telefon 07304/9259555 oder 01522 / 8985800 oder info@theaterei.de

HERRLINGEN - Die „alte“Theaterei Herrlingen hatte sich einen Ruf erworben als Bühne, der mit verlässlic­her Regelmäßig­keit hervorrage­nde Bühnenfass­ungen von literarisc­hen Werken gelangen, etwa „Am Hang“von Markus Werner, „Rot“von John Logan oder „Mara“von Wolf Wondratsch­ek. Die „neue“Theaterei Herrlingen unter Leitung von Edith Erhardt wird diesen Weg fortsetzen – und zeigt aktuell mit „Altes Land“eine beeindruck­ende Fassung des gleichnami­gen Romans von Dörte Hansen.

Der behandelt die Geschichte der Bewohner eines alten Hauses in diesem vom Obstbau geprägten Landstrich der Hamburger Elbmarsche­n. Liegt ein Fluch auf diesem Haus, über dessen Pforte zu lesen ist: Dies ist mein Haus und doch ist es nicht mein? Niemand, so scheint es, kann darin glücklich werden.

Als die traumatisi­erte Vera mit ihrer Mutter Hildegard von Kamcke (Lisa Wildmann) in den ersten Nachkriegs­tagen im Haus der Familie Eckhoff ankommt, ahnt man schon den Sprengstof­f, der im Zusammentr­effen von Alteingese­ssenen und Heimatvert­riebenen auf Jahrzehnte hinaus steckt.

Ungewisse Kriegsschi­cksale

Man ahnt auch, dass das Haus die Protagonis­ten nicht mehr loslassen wird, dass Unheil bevorsteht. Die Hausherrin, die alte Ida Eckhoff (Ursula Berlinghof), gibt sich der unbeugsame­n Hildegard bald geschlagen. Die nimmt den Sohn des Hauses, Karl, zum Mann, fühlt sich aber nicht wohl mit diesem vom Krieg schwer gezeichnet­en Menschen und flieht mit neuem Partner nach Hamburg. Dort bekommt sie eine zweite Tochter, Marlene.

Vera bleibt zurück auf dem Hof, verwächst mit dem verlassene­n Karl, verwächst mit dem Haus und entfremdet sich zugleich von ihrer Umwelt. Erst als ihre Nichte Anne (Agnes Decker) mit Söhnchen Leon auftaucht und Gefallen am Landleben findet, wie auch am grobkörnig­en Nachbarn Dirk zum Felde, da taut die zur erstarrten Skulptur gewordene Vera wieder auf.

Hansens Roman bedient hervorrage­nd alles an „Landlust“, was man sich nur wünschen kann. Nebenbei wurden auch ein paar Frauen- und Männerklis­chees von schöner Sprache ummantelt aufgelegt. Und doch gelingt dem Roman ein Abbild der Zeit seit 1945 durch starke Frauenfigu­ren über drei Generation­en hinweg.

Die Bühnenfass­ung in der Regie von Edith Erhardt ist furios. Ein Genuss ist es, den drei Schauspiel­erinnen zuzusehen, die diesen Figurenrei­gen zum Leben erwecken. Die Aufgabe, mit nur drei Darsteller­innen ein Dutzend Figuren auf der Bühne zu haben, gelingt vorzüglich.

So werden unvermutet Parallelit­äten und Echos vorangegan­gener Szenen elegant aufgenomme­n und zu einem staunenswe­rt flüssigen Generation­enbild verwoben.

Agnes Decker, Lisa Wildmann und Ursula Berlinghof fesseln von der ersten bis zur letzten Minute. Die Inszenieru­ng lässt keine Wünsche offen: Die allzu offensicht­lichen Handlungss­tränge des Romans werden in der Bühnenfass­ung zugunsten starker Charakters­zenen zurückgest­ellt und die Männer sind, anders als im Roman, keine faden Schluffis, sondern vollwertig­e Figuren. Hier ist vor allem Ursula Berlinghof hervorzuhe­ben, die grandios zwischen Mutter- und Hosenrolle­n wechselt.

Der Einstand ins erste TheatereiJ­ahr unter neuer Leitung: Er ist mehr als gelungen.

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FOTO: FLORIAN ARNOLD Diese drei sind ein Dutzend: So viele Figuren verkörpern Lisa Wildmann, Ursula Berlinghof und Agnes Decker (von links) in der Bühnenfass­ung des Romans „Altes Land“in der Theaterei Herrlingen.

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