Schwäbische Zeitung (Riedlingen)
„Wir sind richtige Weicheier geworden“
Beatsteaks-Drummer Thomas Götz spricht über eine Bandbeziehung, die seit über 20 Jahren hält
Vor mehr als 20 Jahren fingen die Beatsteaks aus Berlin an, gemeinsam Musik zu machen. Die Zeit hat aus den harten, lauten Punkrockern heute ruhigere Rockmusiker mit gefälligeren Melodien gemacht. Im April setzen die fünf Künstler ihre Tour fort und gastieren am 11. April im Zenith in München. Eva-Maria Peter hat mit Schlagzeuger Thomas Götz über die vergangene Zeit, Vorbilder und Veränderungen gesprochen.
Thomas, die Beatsteaks stehen schon mehr als 20 Jahre gemeinsam auf der Bühne. Wie hat sich das Musikbusiness im Laufe der Zeit verändert?
Das Internet kam auf. So hat sich das Musikbusiness grundlegend verändert. Spezielle Musik zu finden ist viel einfacher geworden. Früher gab es nur den Plattenhändler und ein paar Kumpels. Das gibt es alles zum Glück immer noch, aber im Internet kann heute jeder alles bekommen. Das Internet macht die Welt zu einem Dorf. Schallplattenverkäufe interessieren nicht mehr. Für Streamingdienste werden Künstler nicht adäquat oder gar nicht entlohnt. Wir verdienen unser Geld mittlerweile mit Live-Konzerten. Nicht nur das ganze Business hat sich gewandelt, sondern auch die Produktion und unsere Musik.
Inwiefern hat sich eure Musik verändert?
Uns wird nachgesagt, dass wir zu massentauglichen Entertainern geworden sind. Mal ernsthaft: Wir sind mit dem Alter schon etwas ruhiger geworden als damals in unserer Jugend. Mit steigendem Alter wird unsere Musik immer eingängiger. Man könnte sagen: Wir sind richtige Weicheier geworden.
Seht ihr das Internet als Chance?
Für die Vernetzung und das Networking ist das Internet sicher eine Chance. Schwierig wird es, sobald es kapitalistischen Gesetzen unterworfen wird. Es ist total schrecklich, dass miese Zukunftsvisionen von George Orwell Wirklichkeit geworden sind. Jeder weiß über jeden Bescheid und allen ist es irgendwie egal. Selbst Regierungen sind gegen die großen Internetkonzerne machtlos.
Wenn du zurückblickst auf die 20 Jahre in der Band, was würdest du heute anders machen?
Im Großen und Ganzen lief es echt cool. So viel Mist haben wir nicht gemacht. Junge Beatsteaks wollen keine Ratschläge hören. Ratschläge sind komisch. Sie sind gut gemeint, aber aus meiner Sicht nicht zielführend. Jeder muss seine Erfahrungen selbst machen. Nur so findet jeder seinen Weg.
Was seht ihr als größten Erfolg eurer Bandgeschichte?
Ich kann mich nicht an Preise erinnern oder an ganz besondere Konzerte. Der Zusammenhalt unserer Band an sich, das ist unser größter Erfolg.
Und wie läuft so eine Bandbeziehung, die schon so lange hält?
Wir sind fünf große, starke Egos. Je älter wir werden, desto dickköpfiger werden wir. Das Geheimnis ist: viel reden, viel diskutieren und vor allem einander zuhören. Und wir treffen uns auf gar keinen Fall in unserer Freizeit.
Gibt es nach so langer Zeit überhaupt noch Vorbilder?
Als ich jung war, waren Vorbilder tatsächlich noch ausgeprägter. Den meisten bin ich bis heute treu geblieben. Musikalisch sind das The Clash oder Nick Cave. Ansonsten sind viele wichtige Vorbilder im Alltag um mich herum. Jeder für eine bestimmte Sache. Meine Bandkollegen oder auch mein Papa. Und meine ethischmoralischen Vorbilder sind Muhammed Ali und Gandhi.
Ihr positioniert euch auch für Kampagnen gegen rechts. Wie wichtig ist es, sich für die Gesellschaft einzusetzen?
Dass die Rechten so auf dem Vormarsch sind, ist ziemlich übel. Gerade wir müssten es besser wissen. So Typen wie die in der AfD gab es 1933 auch und das ist einfach das Letzte. Als Band im Rampenlicht könnte man sich schon einmischen. Wenn man Helene Fischer heißt, müsste man sogar. Die Beatsteaks waren noch nie eine politische Band, es geht bei uns einfach um gute Musik und so stehen wir eigentlich nicht in der Verantwortung. Wir sind kein Gemeinschaftskundeunterricht.
Was sagst du zur GroKo?
Im Moment bin ich über alles froh, was nicht rechts ist. Ich finde Angela Merkel zwar nicht so prickelnd, aber sie hat immerhin einen Punkt gesetzt im Flüchtlingssommer. Ich hätte grundsätzlich viel lieber eine viel linkere Regierung.
Ihr setzt demnächst eure Tour fort. Spielt ihr lieber in kleinen Hallen oder auf großen Festivals?
Das Bankkonto sagt auf jeden Fall große Festivals. Aber je kleiner, desto intimer ist Musik. Festivals können aber auch richtig viel Charme haben. Das Southside-Festival war immer großartig. Wir sollten dringend mal wieder dort spielen.
Über euren Bandnamen wird oft gescherzt, von Beatbulleten über Beatschnitzel. Würdet ihr euch heute anders nennen?
Ich kam ja leider erst drei Jahre später zur Band, somit hatte ich kein Mitspracherecht. Es gibt sicher schönere Bandnamen. Besser gesagt, es gibt wenige, die noch dämlicher sind. Wenn ich an die Plakate denke und da steht Beatsteaks drauf und es gäbe so viele schöne Namen, die so viel besser klingen, zum Beispiel Fehlfarben, die goldenen Zitronen, Stunde X oder Rolling Stones. Beatsteaks klingt ehrlich gesagt ziemlich uncool. Aber jetzt ist es so wie es ist und wir füllen den sinnlosen Namen mit sinnvollen Inhalten. VERLOSUNG