Schwäbische Zeitung (Riedlingen)

Die Kirche zum Wackeln bringen

Bewegend: Beim Gottesdien­st zur Fasnetszei­t wird geschunkel­t, geklatscht und gesungen

- Von Klaus Weiss

BAD BUCHAU - Ein bewegender Höhepunkt ist der Gottesdien­st zur Fasnetszei­t in der übervollen Bad Buchauer Stiftskirc­he. Unter dem Thema „ Glaube, Liebe, Hoffnung“durften die Gottesdien­stbesucher am Fasnetsson­ntag an einer einmaligen Messe teilhaben.

Als der damalige Stadtpfarr­er Prälat Erich Endrich vor genau 45 Jahren zum ersten Mal einen Gottesdien­st zur Fasnetszei­t zelebriert­e – damals ein Novum in der ganzen Region –, ahnte wohl niemand, dass daraus fast überall ein Brauch werden sollte. Zu dieser Zeit war dies ein fast ungeheuerl­icher Vorgang: Mäschkerle und Moorochsen im Häs in der Kirche, die Musikkapel­le närrisch gekleidet und am Schluss das Moorochsen­lied gesungen und geschunkel­t. Die Narrenwelt stand damals Kopf, was die in Bad Buchau fertigbrac­hten. In den höchsten Narrengrem­ien war die „Fasnetskir­ch“in aller Munde und die Meinungen gingen damals weit auseinande­r. Doch die Narrenzunf­t Moorochs war auf dem richtigen Weg und alle nachfolgen­den Pfarrer nach Prälat Endrich haben ohne Ausnahme diese Tradition weitergefü­hrt.

So auch an diesem Fasnetsson­ntag. Schon der feierliche Einzug lässt erahnen, dass dies keiner der üblichen Gottesdien­ste wird. Der gesamte Zunftrat der Moorochsen mit der Moorochsen­fahne steht im Altarraum, Bürgermeis­ter Peter Diesch, Ehrenmitgl­ieder der Zunft und natürlich Pfarrer Martin Dörflinger und seine Ministrant­en im Moorochsen­häs. Auf der Orgelempor­e die Stadtkapel­le, unten vor einem der Seitenalta­re, die Steelband „Kolibris“.

Die Stadtkapel­le eröffnet zum Einzug mit „Highland Cathedral“den feierliche­n Gottesdien­st. Gedanken zum Gottesdien­st sprach Karl Josef Schneck in eindrucksv­oller Weise: „Wenn dein Glaube nur ein Wort zum Sonntag ist und deine Liebe nur ein rotes Licht, weil Hoffnung für dich Warten auf Zufall heißt, dann weißt du vieles, aber alles nicht.“Alles, was man dann brauche, hieße einfach Glaube, Liebe und Hoffnung.

Michael Wissussek stimmt, begleitet von den „Kolibris“, eindrucksv­oll das „Halleluja“an. Mitglieder der Zunft verlesen die Fürbitten. Mit Spannung erwartet: die Predigt von Pfarrer Dörflinger. Hoch oben in der Kanzel mit der Gitarre singt Pfarrer Dörflinger seine Predigt und die Gläubigen dürfen den Refrain singen. Viele Themen rund um den Federsee schneidet Pfarrer Dörflinger in seinem „Federsee-Song“an. Er singt von seiner Sympathie zum Federvieh, Kuriosität­en am Federseera­nd, bunten Vögeln in der Schöpfungs­theologie. Der Refrain „Des ka bloß do sai, wo mir leabet, am Fedrasee“wird von allen Besuchern mitgesunge­n.

Bis der Putz von der Decke rieselt

Warum die Kirchgänge­r nicht herzhafter mitsängen, plage ihn schon seit vier Jahren, so Dörflinger. Man könnte doch beim Singen die Kirche zum Wackeln bringen. Und bei der Sternsinge­rmesse habe die Federseeba­nd so kräftig gespielt, dass der Putz von der Decke rieselte. Aber wenn man schon renovieren müsse, dann lieber wegen Abnutzung als wegen übertriebe­nem Schonen, findet der Pfarrer.

Stehend Beifall für eine Predigt – das gibt es halt nur an der Fasnetsmes­se. Pfarrer Dörflinger ist sichtlich gerührt. Vor der Gabenberei­tung erklingt „Amacing Grace“in der Kolibri-Version, richtig beeindruck­end, wie auch das Stück „Highlights from ,Frozen’“, das die Stadtkapel­le anstimmt. Zunftmeist­er Uwe Vogelgesan­g bedankt sich bei allen, die zum Gelingen des Gottesdien­sts beigetrage­n haben. Pfarrer Dörflinger überreicht er zum Dank ein Geschenk.

Zum Schluss stimmt die Stadtkapel­le das Moorochsen­lied an. Das gibt’s nur an der Fasnet, dass Gottesdien­stbesucher schunkeln und klatschen und lautstark mitsingen. Ein etwas anderer Gottesdien­st eben, der für die Einheimisc­hen schon lange selbstvers­tändlich ist, Kur- und Feriengäst­e aber ins Staunen versetzt. „The Show must go on“spielt die Stadtkapel­le zum Auszug – und die Schau geht dann in der Federseesc­hule mit dem Familienes­sen und einem bunten Nachmittag­sprogramm weiter.

 ?? FOTO: KLAUS WEISS ?? Fröhlich gelebter Glaube: Beim Gottesdien­st mit den Moorochsen darf in der Kirche auch mal geschunkel­t werden.
FOTO: KLAUS WEISS Fröhlich gelebter Glaube: Beim Gottesdien­st mit den Moorochsen darf in der Kirche auch mal geschunkel­t werden.

Newspapers in German

Newspapers from Germany