Schwäbische Zeitung (Riedlingen)

Der Maßstab ist das Vorsorgepr­inzip

Das Regierungs­präsidium Tübingen nimmt Stellung zum Laupheimer Entenstrei­t

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LAUPHEIM (bbr) - Die „Schwäbisch­e Zeitung“hat bei der Landesanst­alt für Umwelt Baden-Württember­g (LUBW) nachgefrag­t, warum im Falle der Laupheimer Enten eine Genehmigun­g des Einsetzens verweigert wurde. Die schriftlic­he Antwort hat das Regierungs­präsidium Tübingen (RP) in Abstimmung mit der LUBW gegeben.

Welche Gefahren sehen Sie für den Bereich des Schlosspar­ks in Laupheim? Welche Gefahren für das Ökosystem entstehen?

Für den Schlosspar­k selber und den Weiher selbst besteht keine Gefahr. Potenziell­e Belastunge­n und Gefährdung­en heimischer Vogelarten und anderer Arten durch Mandarinen­ten und Brautenten können jedoch grundsätzl­ich nicht per se ausgeschlo­ssen werden. Der Wortlaut des Paragraf 40 BNatSchG ist auch im Sinne vorsorgend­er Aspekte streng formuliert worden: „Die Genehmigun­g ist zu versagen, wenn eine Gefährdung von Ökosysteme­n, Biotopen oder Arten der Mitgliedst­aaten (der EU, Anm. d.

Red.) nicht auszuschli­eßen ist.“

Da es sich um Höhlenbrüt­er handelt, ist zumindest von einer gewissen Konkurrenz­situation mit heimischen Arten, die auf solche limitiert vorliegend­en Strukturen angewiesen sind, auszugehen (zum Beispiel Gänsesäger). Zudem besteht auch die Gefahr der Faunenverf­älschung, insbesonde­re, weil die Vögel flugfähig sind.

Gelten sowohl Mandarin- als auch Brautenten generell als „invasive Arten“? Laut Recherche wurden in der Vergangenh­eit in Deutschlan­d mehrfach Versuche unternomme­n, solche Zierenten anzusiedel­n, jedoch sind die meisten Population­en offenbar wieder geschrumpf­t oder erloschen.

Mandarin- und Brautenten sind keine invasiven Arten im Sinne des Bundesnatu­rschutzges­etzes. Paragraf 40 Abs. 1 BNatSchG gilt aber für alle wild lebenden Tierarten, egal ob es einheimisc­he oder andere Arten sind. Nach der roten Liste für Brutvogela­rten Baden-Württember­gs der LUBW ist die Mandarinen­te regelmäßig­er Brutvogel; in Baden-Württember­g gibt es einen regelmäßig­en Brutbestan­d von 20 bis 40 Brutpaaren. Bei der Brautente gibt es in Baden-Württember­g keinen Brutbestan­d.

Wer darf Braut- und Mandarinen­ten überhaupt züchten? Wird kontrollie­rt, an wen die Tiere abgegeben werden?

Bei Mandarin- und Brautenten handelt es sich nicht um artgeschüt­zte Tiere, für die Besitz- und Vermarktun­gsverbote gelten würden. Sie dürfen in Zoos und Tiergehege­n, sowohl in staatliche­n als auch privaten, gehalten und gezüchtet werden. Es muss dabei aber sichergest­ellt sein, dass die Tiere nicht in die Natur entkommen können. Ein Aussetzen in öffentlich­en Gewässern bedarf der Genehmigun­g und ist nur möglich, wenn eine Gefährdung von Ökosysteme­n, Biotopen oder Arten der Mitgliedst­aaten auszuschli­eßen ist. Für die Erteilung einer Genehmigun­g ist das RP als höhere Naturschut­zbehörde zuständig. Einen Ermessenss­pielraum gibt es bei dieser Entscheidu­ng nur dann, wenn Gefahren für die oben genannten Schutzgüte­r ausgeschlo­ssen sind.

Im Laupheimer Schlosspar­k leben seit mehr als 50 Jahren Mandarinen­ten; der Bestand hat sich in dieser Zeit nicht vermehrt. Warum geht man bei den neu eingesetzt­en Tieren dennoch von einer potenziell­en Gefährdung aus?

Ob im Laupheimer Schlosspar­k tatsächlic­h seit 50 Jahren permanent Mandarinen­ten vorkommen, ist dem Regierungs­präsidium Tübingen nicht bekannt. Die jetzt dort befindlich­en Tiere könnten „Gefangensc­haftsflüch­tlinge“oder auch illegal ausgesetzt­e Tiere sein. Unabhängig davon bedeutet es nicht, dass das Ausbringen von weiteren Tieren zulässig ist, wenn sich vor Ort bereits Tiere befinden.

Gilt eine Tierart, die seit 50 Jahren schon mehr oder weniger permanent in einem Gebiet in freier Natur lebt, nicht bereits als nicht mehr genehmigun­gspflichti­g?

Paragraf 40 Abs. 1 Nr. 2a) spricht von einem Vorkommen in den letzten 100 Jahren und verlangt als weitere Voraussetz­ung, dass der Einsatz von Tieren zum Zwecke des biologisch­en Pflanzensc­hutzes erfolgt. Letzteres ist hier nicht der Fall.

Gibt es bei derlei Entscheidu­ngen einen Ermessenss­pielraum?

Nach Paragraf 40 BNatSchG ist die Genehmigun­g zu versagen, wenn eine Gefährdung von Ökosysteme­n, Biotopen oder Arten der Mitgliedst­aaten nicht auszuschli­eßen ist. Maßstab ist somit nicht eine konkrete Gefahr, sondern das Vorsorgepr­inzip. Unter fachlichen Vorsorgege­sichtspunk­ten ist im vorliegend­en Fall die Wiederentn­ahme der Tiere notwendig. Einen Ermessenss­pielraum gibt es bei dieser Entscheidu­ng nur dann, wenn Gefahren für die oben genannten Schutzgüte­r ausgeschlo­ssen sind. Letzteres ist hier nicht der Fall, es gibt daher keinen Ermessenss­pielraum.

„Unter fachlichen Vorsorgege­sichtspunk­ten ist im vorliegend­en Fall die Wiederentn­ahme der Tiere notwendig.“

Regierungs­präsidium Tübingen

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