Schwäbische Zeitung (Riedlingen)
„Lohnungleichheit wird ein gravierendes Problem“
Der Ökonom Jens Südekum über die Auswirkung von Robotern auf die Arbeitswelt
RAVENSBURG - Roboter vernichten zwar keine Jobs, dafür lassen sie das Lohnniveau sinken. Zu diesem Ergebnis ist Volkswirtschaftler Jens Südekum von der Universität Düsseldorf gekommen. Betroffen sind seiner Meinung nach eher die Facharbeiter als die Geringverdiener, sagte er im Interview mit Lilia Ben Amor.
Herr Südekum, fürchten Sie bald von Robotern ersetzt zu werden?
(Lacht) Nein, ich glaube, mein Job als Professor ist noch relativ sicher.
Wie viele Deutsche haben bereits durch Roboter ihre Jobs verloren?
Direkt hat niemand seinen Job durch Roboter verloren. Wir haben in unserer Studie festgestellt, dass Industrieroboter seit 1994 brutto 280 000 Jobs im verarbeitenden Gewerbe ersetzt haben. Aber es wurden keine Leute entlassen, weil ein Roboter installiert wurde. Die Unternehmen haben nur weniger neue Jobs für junge Leute geschaffen.
Welche Berufe sind betroffen?
Es betrifft vor allem die Mitte des Qualifikationsspektrums, also den klassischen Facharbeiter in der Produktion, der am Fließband gestanden hat. Es wurden aber Lösungen gefunden, um die Jobs zu sichern, aber zu geringeren Löhnen.
Verdienen wir bald weniger, weil Roboter unsere Arbeit machen?
Wir haben deutlich gesehen, dass der Robotereinsatz die Produktivität und die Gewinne steigert, aber nicht die Durchschnittslöhne. Innerhalb der Gruppe der Arbeitnehmer haben die Hochqualifizierten positive Effekte gehabt, das heißt, sie verdienen mehr. Im unteren Bereich, bei Pförtnern und Hausmeistern haben wir überhaupt keine Effekte festgestellt. Aber im mittleren Bereich, beim typischen Facharbeiter mit Berufsausbildung hatten wir tatsächlich leicht negative Effekte auf den Lohn. Wir reden noch nicht über dramatische Größenordnungen, aber es sind statistisch signifikante Lohnrückgänge.
Wie kann diese Lohnungleichheit verhindert werden?
Die Diskussion darüber steckt noch in den Kinderschuhen. Bill Gates schlägt eine Robotersteuer vor. Das bedingungslose Grundeinkommen ist eine weitere Option. Ich persönlich halte Modelle der Mitarbeiterbeteiligung für sehr interessant. Dabei geht es darum, dass man den Besitz an der Technologie möglichst breit streut und Arbeiter zu Miteigentümern macht. Dann mögen zwar die Löhne sinken, aber es kann aufgefangen werden durch steigende Einkommen aus dem breit gestreuten Aktienbesitz. Noch ist die Größenordnung der Lohnrückgänge nicht dramatisch. Aber wir gehen alle davon aus, dass die Geschwindigkeit des technologischen Wandels durch die Digitalisierung zunimmt. Dann wird die Lohnungleichheit ein gravierendes Problem.
Das ausführliche Interview mit Jens Südekum lesen Sie im Internet unter der Adresse: schwaebische.de/roboter händisch hergestellt werden“, sagt Schwarzkopf von der VDMA.
Die automatische Produktion mache die Produkte auch erschwinglich. „Ein Airbag könnte nicht in jedem Auto verbaut werden, wenn er nicht so sicher und günstig produziert werden könnte.“Mehr Produktion und Wettbewerbsfähigkeit sichert wiederum Arbeitsplätze, wenn auch an anderer Stelle.
Hohe fachliche Anforderungen
„Es fallen einige Tätigkeiten mit niedrigen und teilweise auch mit mittleren Qualifikationsniveaus weg, aber im Zuge der Automatisierung entstehen auch Arbeitsplätze mit hohen fachlichen Anforderungen“, sagt Gerst. Um diesem Trend gerecht zu werden, seien Weiterbildungen nötig. MINT-Berufe, also Arbeiten in den Bereichen Mathematik, Informatik, Naturwissenschaft und Technik, seien die kreativen Berufe der Zukunft, sagt Gerst.
Kollege Roboter unterstützt aber nicht nur den Menschen, laut einer Studie von Wirtschaftsprofessor Jens Südekum drückt er auch die Löhne. Denn an den Unternehmensgewinnen, die die Automatisierung mit sich bringt, verdienen die Eigentümer, nicht die Mitarbeiter (siehe Interview).
In Zukunft erwarten die Experten mehr Interaktion zwischen Mensch und Maschine. Roboter sollen noch intuitiver zu bedienen sein und sich noch natürlicher in einem Raum mit Menschen bewegen. Doch IG-Metaller Gerst mahnt: „Der Mensch soll nicht der Assistent der Maschine werden.“