Schwäbische Zeitung (Riedlingen)
Umstrittener Weltliterat
Heute vor 20 Jahren ist Ernst Jünger gestorben – Er lebte mehr als 50 Jahre in Wilflingen
WILFLINGEN (sz/uno) - Er war über viele Jahre der berühmteste Einwohner Langenenslingens und auch der umstrittenste. Kanzler Helmut Kohl hat ihn ebenso besucht wie der französische Staatspräsident Francois Mitterand: Heute vor 20 Jahren ist der Schriftsteller, Offizier und Gelehrte Ernst Jünger mit 103 Jahren in Wilflingen gestorben.
Von den einen wurde er für seine Schriften und Essays hoch geehrt, von den anderen als Wegbereiter des Nationalsozialismus abgelehnt – Ernst Jünger war Zeit seines Lebens keiner, der in gängige Muster oder Raster gepasst hat. Er war Teilnehmer an beiden Weltkriegen, war exakt beschreibender Schriftsteller, galt als Philosoph und war auch ein Insektenforscher, der mit Becher und Vergrößerungsglas die kleinen Tiere im wahrsten Sinne des Wortes unter die Lupe nahm.
Geboren wurde Ernst Jünger am 29. März in Heidelberg. Mit 18 Jahren tritt er der Fremdenlegion bei, versucht aber bald zu fliehen und wird dann auf Intervention seines Vaters aus der Fremdenlegion geholt. Doch 1914 trat er als Freiwilliger in den Krieg ein, wurde vielfach verwundet und erhielt im September den Orden „Pour le Mérite“. 1920 erscheint bereits sein erster Kriegstagebuch „In Stahlgewittern“. Kritiker werfen ihm später vor, dass er darin den Krieg verherrliche.
Jünger gilt Kritikern als Wegbereiter des Nationalsozialismus, auch wenn er selbst nicht aktiv für die NSDAP eingesetzt hat und auch ein angetragenes Reichstagsmandat ablehnte. Aber frühzeitig habe er sich als entschiedener Gegner der Weimarer Republik und als entschiedener Nationalist positioniert, heißt es in der Literatur über Jünger. Im August 1939 tritt Jünger in den Kriegsdienst ein.
Nach dem Krieg erhält Jünger zunächst Publikationsverbot. 1948 zieht er nach Ravensburg und 1950 nach Wilflingen. Nahezu 50 Jahre, bis zu seinem Tod im Februar 1998, lebte er im Stauffenberg'schen Forsthaus in Wilflingen, einem Barockbau aus dem Jahr 1728. In diesen Jahren reiste er viel und publizierte er viel. Erzählungen, fantastische Romane und zahlreiche Essays hat er hinterlassen. Ein Großteil seines Nachlasses findet sich im Literaturarchiv in Marbach.
Jünger erfährt Zeit seines Lebens viel Kritik, aber bleibt umstritten. Anlässlich seines 100. Todestags 1995 flammt im deutschen Feuilleton erneut eine Debatte über seine Person auf. Gleichzeitig wird im große Hochachtung zuteil. 1993 besuchen ihn Mitterand und Kohl in Wilflingen, 1995 feiert er seinen 100. Geburtstag mit Bundespräsident Roman Herzog, mit Kanzler Kohl und Ministerpräsident Teufel. Auch die Liste der Ehrungen und Auszeichnungen ist lang, Orden, Ehrenbürgerund Ehrendoktorwürden. Unter anderem erhält er 1982 den Goethepreis.
1997 wurde zum Andenken an den Jahrhundertzeugen Ernst Jünger von der Kreissparkasse Biberach die Ernst-Jünger-Stiftung ins Leben gerufen. Der Zweck der Stiftung ist der Betrieb und die Erhaltung der Gedenkstätte in der ehemaligen Stauffenberg´schen Oberförsterei in Wilflingen, in der Ernst Jünger fast ein halbes Jahrhundert lebte und arbeitete. Das Literaturmuseum zeigt die Wohn- und Arbeitsräume des Schriftstellers samt Bibliothek, Käfersammlung, Zier- und Nutzgarten im Zustand von Jüngers Todesjahr 1998.
In den Erdgeschossräumen des Jünger-Hauses ist eine multimediale Dauerausstellung, in der das Leben von Ernst Jünger, seine vielfältigen Begegnungen und die Werke nachvollzogen werden können. Außerdem gibt es vielfältige Informationen rund um die Person Ernst Jünger.
Öffnungszeiten Ernst JüngerHaus: Öffnungszeiten sind: Mittwoch bis Freitag 9 - 12 Uhr; Donnerstag und Freitag 14 - 16 Uhr und ab April auch wieder am Sonntag 13.30 - 16.30 Uhr sowie nach Vereinbarung.