Schwäbische Zeitung (Riedlingen)
Neuneinhalb Jahre Haft für Angeklagten
Urteil wegen schwerer Brandstiftung und versuchtem Mord in zwei Fällen.
- Wegen versuchten Mordes in zwei Fällen in Tateinheit mit schwerer Brandstiftung hat die 1. Große Strafkammer des Landgerichts Ravensburg am Montag einen 28-Jährigen zu einer Freiheitsstrafe von neuneinhalb Jahren verurteilt. Das Gericht sah es als erwiesen an, dass der Angeklagte den Brand in einem Mehrfamilienhaus am Riedlinger Marktplatz gelegt hat, bei dem in der Nacht auf Pfingstmontag 2016 rund eine Million Euro Schaden entstanden ist. Nur glücklichen Umständen sei es zu verdanken, dass Bewohner des Hauses rechtzeitig in Sicherheit gebracht werden konnten, so das Gericht. In die Strafe einbezogen wurde eine bereits rechtskräftige dreijährige Haftstrafe unter anderem wegen schwerer Körperverletzung. Der Verteidiger hat angekündigt, Rechtsmittel einzulegen.
Meilenweit auseinander lagen Oberstaatsanwalt Peter Vobiller und Verteidiger Wolfgang Dahler in ihren Plädoyers. Auf eine Gesamtstrafe von zehneinhalb Jahren plädierte Vobiller, auf Freispruch mangels eindeutiger Beweise Dahler. Nach den Ausführungen des Brandsachverständigen war unstrittig, dass der Brand in der Küche der ehemaligen Lebensgefährtin des Angeklagten entstanden ist: Eine Alupfanne auf der heißen Herdplatte hatte die Umgebung in Brand gesetzt, der sich dann über den Dachstuhl weiter ausgebreitet hatte.
Die Frage war, warum und von wem die Platte eingeschaltet worden war. „Es muss jemand gewesen sein, der einen Schlüssel hatte“, konstatierte Peter Vobiller. Sicher sei es denkbar, dass schlicht vergessen worden sei, die Platte auszuschalten, als am Samstag vor dem Brand die Bewohnerin und eine Nachbarin noch gekocht haben. Beide hätten aber übereinstimmend ausgesagt, dass alle elektrischen Geräte, auch der Herd, kontrolliert worden seien, weil die Ex-Lebensgefährtin an diesem Tag auf unbestimmte Zeit zu ihrer Schwester abreiste.
„Wenn die Pfanne noch zwei Stunden auf der heißen Platte gestanden hätte, dann hätte man das gerochen“, so Vobiller. Es sei auch unwahrscheinlich, dass der Brand zu einem solch späten Zeitpunkt ausgebrochen sei. Ein wichtiges Indiz sei das Kettenschloss, das nach Aussage von Zeugen am Brandort ausgehängt gewesen sei: „Es muss noch jemand in der Wohnung gewesen sein“.
Den Grundsatz „Im Zweifel für den Angeklagten“forderte dagegen der Verteidiger ein. Nach dem Brand habe sich sein Mandant auf freiem Fuß befunden: „Er hätte in der Schweiz bleiben können.“Es habe nicht nachgewiesen werden können, so Dahler, dass sich Soßenreste in der besagten Pfanne befunden haben. Vielmehr fanden sich Spaghetti im Mülleimer „Alle haben gesagt, man sei sehr gründlich gewesen“, da sei nicht nachvollziehbar, dass man eine Pfanne mit Essensresten stehenlasse. Bei einer leeren Pfanne könne die Brandentwicklung sich aber über einen viel längeren Zeitraum erstrecken.
„Ich habe mit dem Brand nichts zu tun“, versicherte der Angeklagte in seinem Schlusswort. Die Beziehung sei bereits am Freitag eskaliert, als er seine Freundin mit einem Messer verletzt habe und wofür er – unter anderem – jetzt eine dreijährige Haftstrafe verbüße. „Ich war nicht wütend, sondern fertig und habe mir Sorgen gemacht, wie es ihr geht.“
Kein Zweifel an Täterschaft
Es bestehe „nicht der geringste Zweifel, dass der Angeklagte der Täter der Brandlegung war“, betonte der Vorsitzende Richter Stefan Maier in seiner Urteilsbegründung. Das Gebäude sei dadurch schwerst beschädigt worden, die Bewohner seien in Lebensgefahr gewesen. „Ein Unglücksfall oder defekter Herd ist auszuschließen.“Der Ofen sei letztmals gegen 14 Uhr benutzt worden, ehe die Bewohnerin als Letzte die Wohnung auf unbestimmte Zeit verlassen habe. Dass beim Hinausgehen der Herd möglicherweise von einem Kind eingeschaltet worden ist, schließe die Kammer aus. Da das zusätzliche Kettenschloss beim Öffnen der Türe in der Brandnacht unbeschädigt blieb, müsse es ausgehängt gewesen sein – ein Indiz, dass jemand in der Wohnung war. Und es gebe niemand im Haus, der das geringste Motiv gehabt hätte, den Herd einzuschalten.
Noch kurz vor der Brandentdeckung sei dagegen der Angeklagte in der Nähe gesehen worden. Als „krasse Tatsache“wertete es Maier, dass der Angeklagte wenige Tage vor dem Brand alle Rauchmelder in der Wohnung abmontiert habe. Das spreche für planvolles Handeln.
„Wer zur Nachtzeit in einem bewohnten Fachwerkhaus den Herd anschaltet, nimmt schlichtweg alles in Kauf“, urteilte Maier: Der handle heimtückisch, ein Mordmerkmal. Der Angeklagte habe das Geschehen sich selbst überlassen, also mit bedingtem Vorsatz gehandelt. „Da führt am versuchten Mord kein Weg vorbei. Und ohne den Passanten, der zufällig auf das Taxi wartete und zufällig das Knistern des Feuers gehört hatte, hätte der Brand tödliche Folgen haben können, so Maier.
Zuvor hatte die psychiatrische Sachverständige Dr. Roswitha Hietel-Weniger ausgeführt, dass bei dem Angeklagten keine psychische oder seelische Störung vorliege, die zur Beeinträchtigung der Schuldfähigkeit führen würde. Es gebe lediglich „Auffälligkeiten im Bereich der Beziehungsgestaltung“. Seine Idealvorstellung einer Familie sei nach dem Kontaktverbot gescheitert gewesen. Im Zustand der Ohnmächtigkeit habe sich die Wut Bahn gebrochen.